- 31.10.2025, 15:10:32
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ORF-DialogForum: ORF für wirklich ALLE?!
Diskussion anlässlich der aktuellen Public-Value-Studie „Für alle?“ am 3. November um 0.10 Uhr in ORF III sowie auf ORF ON und ORF Sound
Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist eindeutig: Der ORF soll Inhalte für die gesamte Bevölkerung gestalten. Doch was heißt das in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft immer stärker ausdifferenziert und polarisiert? Wie können wirklich alle Gruppen – unabhängig von Einkommen, Herkunft, Wohnort oder Alter, ob Mehrheit oder Minderheit – angemessen vertreten und gehört werden?
Diesen Fragen widmet sich die aktuelle Public-Value-Studie „Für alle?“. An der Untersuchung beteiligten sich neben dem ORF auch ARD, ZDF, SRG, MDR sowie der europäische Dachverband öffentlich-rechtlicher Medien, die EBU; der Text ist auf zukunft.ORF.at abrufbar. Das ORF-DialogForum lud anlässlich der Studie zu einer Diskussionsveranstaltung, die am Montag, dem 3. November 2025, um 0.10 Uhr in ORF III zu sehen und danach auf ORF ON und ORF Sound abrufbar ist.
Olaf Jandura, Kommunikationswissenschafter an der Hochschule Düsseldorf, eröffnet die Diskussion mit einem klaren Befund: „Ich habe untersucht, ob die geografische Spaltung der Gesellschaft auch in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien sichtbar wird. Das Ergebnis: Über wohlhabende Städte wird deutlich mehr berichtet als über ärmere ländliche Regionen. Folgerichtig nutzen Menschen am Land den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weniger. Wir sehen also sowohl inhaltlich als auch in der Wahrnehmung eine Benachteiligung. Ich plädiere für mehr Einfühlungsvermögen – wir sollten mit der gleichen Brille auf Stadt und Land blicken.“
Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie Österreich, stimmt zu und ergänzt den Blick um eine wirtschaftliche Dimension: „Die Haushaltseinkommen sind in Österreich relativ ähnlich, aber beim Vermögen gibt es im Europavergleich eine enorme Ungleichheit. Und durch die Teuerung steigt die Armut derzeit wieder deutlich an. Armutsgefährdete Menschen erscheinen in den Medien meist in zwei Rollen: als potenzielle Kriminelle oder als Objekte von Charity. Das alltägliche Leben mit wenig Geld, das viele Menschen führen, kommt viel zu selten vor.“
Josef Seethaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften knüpft daran an und betont die Verantwortung des führenden Mediums im Land: „Armut ist kein Randthema. Der ORF hat die Aufgabe, ein Forum zu bieten, in dem unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen miteinander ins Gespräch kommen – und so der Polarisierung entgegenzuwirken. Armut betrifft uns alle, sie ist stets aktuell. Medien sollten auch die Strukturen beleuchten, die Armut hervorbringen, und Informationen in größere Zusammenhänge einordnen. Es braucht strukturelle Reformen im ORF, um armutsbetroffene Menschen einzubinden – warum nicht direkt in die Programmgestaltung?“
Sandra, eine Armutsaktivistin aus Wien, bringt schließlich die Perspektive der Betroffenen ein – und schildert dabei ein wiederkehrendes Muster: „Zu Weihnachten wird oft der ‚Vorzeigeobdachlose‘ gezeigt, am 25. Dezember ist das Thema dann wieder vergessen. Manchmal nehmen Medien – auch der ORF – mich wahr und sprechen mich aktiv an. Aber ich wünsche mir eine feste Plattform, auf der Menschen, die etwas zu sagen haben, sich registrieren können, um mit dem ORF zusammenzuarbeiten. Wir Armutsbetroffenen müssen sichtbar werden, damit wir für uns selbst einstehen können.“
Kommunikationswissenschafterin Larissa Krainer von der Universität Klagenfurt und wissenschaftliche Herausgeberin der aktuellen Public-Value-Studie „Für alle?“ hat untersucht, ob sich die Menschen von öffentlich-rechtlichem Rundfunk hinreichend wahrgenommen fühlen. Sie unterstreicht: „Die Frage, wie gut öffentlich-rechtliche Sender die Bevölkerung kennen, wird zu einer Überlebensfrage dieser Medien. Wie können sie ihre Türen öffnen, um möglichst viele Menschen in Programmentscheidungen einzubeziehen, damit sich tatsächlich alle repräsentiert fühlen?“ Gerade für öffentlich-rechtliche Medien sei es zentral zu wissen, für wen man Programm macht.
Dieser Ansicht ist auch Kollegin Fiona Fehlmann, die an der Universität Zürich u. a. zum Thema Media Literacy forscht. Sie kritisiert Medien für ihren Umgang mit dem Publikum und das Konzept der Imagined Audience: „Viele Medien führen Umfragen durch und denken, sie wüssten anschließend, was das Publikum will. Die Herausforderung besteht jedoch darin, aus solchen Datenpunkten wieder echte Menschen zu machen!“ Hierzu gelte es etwa, Begegnungsorte schaffen, um den physischen Austausch zwischen Publikum und Programmmacherinnen und Programmmachern zu ermöglichen.
Auch Autorin Daniela Brodesser sieht Handlungsbedarf in der Berichterstattung: „Über das Thema Armut wird selten sachlich berichtet, meist wird auf die Tränendrüse gedrückt.“ Auch die Landbevölkerung sieht sie zumeist unterrepräsentiert. Unter anderem deshalb sei in den vergangenen Jahren viel Misstrauen entstanden und Polarisierung passiert. Sie glaubt: „Je mehr die Bevölkerung wieder aktiv mitgestalten kann, desto mehr kann sich hier auch zum Positiven verändern.“
Ö1-Redakteurin Andrea Hauer, die 2023 mit dem Journalismuspreis „von unten“ für respektvolle und tiefgründige Armutsberichterstattung ausgezeichnet worden ist, hat sich dem Thema in einer vielbeachteten Ausgabe der Sendung „Moment“ gewidmet und dabei versucht, sowohl Moralisierung als auch Kriminalisierung zu vermeiden. Sie merkt an: „Es wird zunehmend schwierig, über bestimmte Bevölkerungsgruppen zu berichten, weil dann andere benachteiligte Gruppen beleidigt sind, weil sie nicht vorkommen.“ Man könne aber schon allein aus Platzgründen nicht immer alle Themen mit einer Sendung abdecken – man müsse daher stets mehrere ORF-Sendungen in den Blick nehmen, um das ganze Bild zu sehen.
Moderiert wird das ORF-DialogForum von Klaus Unterberger, ORF Public Value.
Das ORF-DialogForum ist eine Initiative des ORF, um das Gespräch mit seinem Publikum, den österreichischen Institutionen, den Organisationen und Gruppen der Gesellschaft zu beleben.
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