- 29.10.2025, 14:04:03
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Einladung zur Pressekonferenz und Präsentation der Ausstellung „Widerstand– Tod – Überleben“
Zu den archäologischen Ausgrabungen des Konzentrationslagers Gusen

Das Naturhistorische Museum Wien und die Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen - St. Georgen laden am Donnerstag, dem 6. November 2025, um 15:30 Uhr zu einer Pressekonferenz in das Haus der Erinnerung in St. Georgen an der Gusen ein.
Die „Plattform Johann Gruber“ und der „Papa Gruber Kreis“ der Pfarre St. Georgen an der Gusen beschäftigen sich schon viele Jahre mit der Biographie des Priesters und Pädagogen Dr. Johann Gruber, der im April 1944 im KZ Gusen ermordet wurde. Im Zuge eines Kunstprojektes zum Gedenken an Dr. Johann Gruber an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz entdeckte der Künstler Christian Kosmas Meyer die Fundgegenstände der archäologischen Ausgrabungen im KZ Gusen, die heute im Naturhistorischen Museum Wien aufbewahrt werden.
Im KZ Gusen mussten von Häftlingen von 1940 bis 1945 unter maßgeblicher Beteiligung des polnischen Häftlings und Archäologen Kaszimierz Gelinek archäologische Ausgrabungen durchgeführt werden. Dabei wurden rund 200 Grüber gefunden. Ausgegraben wurden prähistorische Funde, Funde aus der Bronzezeit, dem frühen Mittelalter und Reste von Mammutknochen.
1942 wurde im KZ Gusen ein eigenes Museum eingerichtet und die Fundstücke wurden ausgestellt. Dem Kapo Johann Gruber wurde die Leitung des Museums übertragen. Die Fundgegenstände stießen auch bei SS-Reichsführer Heinrich Himmler auf großes Interesse, er besuchte das Museum zwei Mal. Die archäologischen Fundgegenstände wurden zur Inventarisierung nach Wien und wieder retour geschickt. Dies nutze Johann Gruber für Schmuggelaktionen, um im KZ ein geheimes Hilfswerk aufzubauen, mit dem – nach Aussage von Überlebenden – etlichen Häftlingen das Leben gerettet werden konnte.
3 Kisten mit Funden wurden Anfang Oktober 1943 vom „Ahnenerbe“ in Pottenstein (Karsthöhle Oberfranken) eingelagert. Nach der Befreiung durch amerikanische Truppen wurden die Kisten beschlagnahmt und nach Bamberg transportiert, 1948 tauchten sie in der Bayerischen Staatsbibliothek auf, 1951 wurden sie dem Naturhistorischen Museum Wien übergeben. Hier befinden sich bis jetzt 150 Fundgegenstände. Etliche Repliken dieser Fundgegenstände wurden im Rahmen des Kunstprojektes „Wetterleichten am Horizont“ im Eingangsbereich der Pädagogischen Hochschule in Linz ausgestellt.
Bei einer Exkursion in das NHM Wien mit dem Künstler Christian Kosmas Mayer, Vertreter*innen und Interessierten der Region und der Privaten Pädagogischen Hochschule in Linz kristallisierte sich großes Interesse heraus, die Geschichte aufzuarbeiten. Fundgegenstände in der Region zu zeigen und zu erklären, wie Archäologie in der NS-Zeit zur Ideologisierung missbräuchlich verwendet wurde: die Spätbronzezeit wurde als „heroische Vorzeit“ verherrlicht.
Die Ausstellung gibt Informationen zum „Kommando Spielberg“ und würdigt beispielhaft vier Menschen: den österreichischen Priester Johann Gruber sowie die polnischen Häftlinge Kazimierz Gelinek, Wl̸adysl̸aw Gębik und Józef Eugeniusz Iwinski. Im Rahmen des Ausstellungsprojektes wurden ein Katalog, Informationstafeln, Kurzfilme zu den vier Biografien und ein pädagogisches Vermittlungskonzept erarbeitet.
Programm der Pressekonferenz
Begrüßung:
Bürgermeister Thomas Punkenhofer
Vorsitzender der Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen
Statements:
Mag. Andrea Wahl, MBA
Projektkoordinatorin, Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen
Zenon Kosiniak-Kamysz, Botschafter der Republik Polen in Österreich
Dr. Katrin Vohland, Generaldirektorin und wissenschaftlichen Geschäftsführerin, NHM Wien
Univ. Prof. Dr.in Claudia Theune, Universität Wien
Mag.a Gudrun Blohberger, Pädagogische Leiterin KZ-Gedenkstätte Mauthausen – Gusen
Dr. Christoph Bazil, Präsident, Bundesdenkmalamt
Ort: Haus der Erinnerung, Marcel-Callo Straße 3, 4222 St. Georgen an der Gusen
Einlass: ab 15:00 Uhr
Beginn: um 15:30 Uhr
Anschließend: Rundgang durch die Ausstellung im Haus der Erinnerung in Gusen
Zum Kontext der archäologischen Funde von Gusen
Karina Grömer, Naturhistorisches Museum Wien
Das spätbronzezeitliche Gräberfeld von Gusen im unteren Mühlviertel gehört zu den bedeutendsten Friedhöfen der Zeit um 1.000 v. Chr. in Österreich – nicht zuletzt durch die kostbaren Beigaben wie Keramik, Schwerter oder Bronzegefäße. Eine kostbare Bronzetasse dient der archäologischen Forschung sogar als Typusexemplar – die Bronzetassen Typ Gusen sind eine Leitform für eine bestimmte Zeit und Region.
Im Jahr 1941 kamen die Überreste dieses Friedhofes durch Erdarbeiten beim Bau einer Schleppbahn zwischen dem KZ Gusen und dem Bahnhof St. Georgen an der Gusen wieder ans Tageslicht. Für die Ausgrabungsarbeiten an der archäologischen Fundstelle, aber auch für die Dokumentation wurden unter der Betreuung der damals jungen Denkmalamtsmitarbeiterin Hertha Orel, Häftlinge des nahegelegenen Konzentrationslager Gusen, Außenlager zu Mauthausen, herangezogen, dies waren vor allem die polnischen Häftlinge. Der Priester Johann Gruber erhielt ab 1942 den Auftrag zur Verwahrung und Bestimmung der archäologischen Funde.
Priv. Doz. Dr. Karina Grömer, Direktorin der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien macht Folgendes nachdenklich: „Im menschenverachtenden System des KZ gelang es, durch Tätigkeiten rund um die archäologischen Ausgrabungen, zumindest für einige Insassen die Lebenssituation etwas menschlicher zu machen – die Alternative waren die mehr oder weniger todbringende Arbeit in der Rüstungsindustrie und in Steinbrüchen (Mauthausen Todesstiege). Der Priester Johann Gruber nutzte die Arbeit außerhalb des Lagers vor allem die Transporte der archäologischen Gegenstände nach Wien, um Geld und Zigaretten für seine Hilfsaktionen zu schleusen.“
Die archäologischen Artefakte gelangten nach dem 2. Weltkrieg nach Wien ans NHM in die Prähistorische Abteilung.
Unter dem Blickpunkt, dass die Nationalsozialisten vor allem die Archäologie stark für die Ideologisierung der Bevölkerung in Hinblick auf den arisch/germanischen Rassenwahn missbrauchten – gerade die Bronzezeit galt als die heroische Zeit der Urgermanischen – ist es nun ein versöhnlicher Aspekt, dass diese archäologischen Ausgrabungsfunde des Gräberfeldes Gusen erstmal öffentlich mit einer Würdigung der Häftlinge aus Gusen gezeigt werden, und auch ein Augenmerk auf die Lebensumstände der KZ Häftlinge gelegt wird.
Zum Kontext der zeitgeschichtlichen Archäologie aus zwei unterschiedlichen Perspektiven
Claudia Theune, Universität Wien
Die Ausstellung öffnet mehrere Perspektiven auf die Archäologie in nationalsozialistischer Zeit. Das Gräberfeld von Gusen gehört zu den wichtigen Fundorten der Bronzezeit. Deutlich muss aber betont werden, dass dieses Gräberfeld von Häftlingen in Zwangsarbeit ausgegraben worden. Die Häftlinge, die teilweise archäologisch vorgebildet waren, haben nach bestem Wissen und Gewissen die Befunde und Funde dokumentiert.
Die Ausgrabungen standen unter der Aufsicht des Institutes für Denkmalpflege (heute Bundesdenkmalamt) und dessen Leiter Kurt Willvonseder, ebenfalls involviert waren Oswald Menghin (Universität Wien) und Eduard Beninger (Naturhistorisches Museum Wien). Alle drei waren überzeugte Nationalsozialisten und propagierten auch in der Archäologie rassistische Ideologien und die Überhöhung der „germanischen“ bzw. „arischen Rasse“.
Ausgrabungen in ehemaligen Opfer- und Tatorten der NS-Zeit finden seit rund 25 Jahren in Österreich statt. Wesentliche Ausgrabungen und Forschungen wurden unter der Leitung von Uni. Prof. Dr. Claudia Theune, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt durchgeführt. Die bei den Ausgrabungen gefundenen Objekte wie Stacheldraht und Isolatoren, aber auch Porzellangeschirr aus SS-eigenen Porzellanmanufakturen zeigen das System der Bewachung. Einfaches bruchsicheres Geschirr, Besteck, selbstgemachte Objekte zeigen den Überlebenswillen und Bewältigungsstrategien für ein physischer und psychisches Überleben. Archäologische Objekte haben das Potential, einen Einblick in die Bedingungen der Zwangslager zu geben, welche über die wortbasierten und bildbasierten Überlieferungen hinausgehen.
Botschaft der Republik Polen
Die Aufarbeitung der Geschichte des KZ-Gusen erschließt dank der Forschung neue Perspektive(n), die Zeit des deutschen Nationalsozialismus‘ am Beispiel von Konzentrationslagern in Mauthausen und Gusen zu verstehen. Es liegt an uns, wie wir uns einsetzen werden, damit das Wissen über das KZ Mauthausen und das KZ Gusen sowie allen anderen Außenlagern erhalten bleibt. Die Geschichte von damals zeigt, wofür das Nazi-System stand und wie es durch Terror und Verachtung zur Ausgrenzung des Menschen führte.
An der Gedenkstätte für NS-Opfer wird die Sorge für Bewahrung des authentischen Ortes getragen. Es wird die Geschichte dieses Ortes und des NS-Verbrechens dokumentiert sowie der Opfer ehrenwürdig gedacht. Umso mehr werden die institutionelle Betreuung und Bildung gefragt, die Erinnerung im öffentlichen Bewusstsein wach zu halten. Deshalb bedarf die Erinnerungskultur einer gefühlvollen Zusammenarbeit in vielen Bereichen wie z.B. Forschung, Politik, Bildung. Mit Überzeugung haben das Staatliche Archäologische Museum in Warschau und die Botschaft der Republik Polen in Wien zur Vorbereitung des Ausstellungskatalogs und zur Vertiefung der österreichisch-polnischen Forschung sowie Gedenkarbeit beigetragen. Wir sind der Meinung, dass ein sachlicher Dialog zur gegenseitigen Verständigung verhilft. Mit großer Hochachtung wollen wir all die Leistungen der vier Menschen aus dem KZ Gusen, nämlich des österreichischen Priesters Johann Gruber sowie der polnischen Intellektuellen Kazimierz Gelinek, Wl̸adysl̸aw Gębik und Józef Eugeniusz Iwiński würdigen. Mithilfe der Ausstellung möchten wir gemeinsam überlegen, was wir noch mehr machen könnten, um die Wertschätzung den Männern aus dem Kommando Spielberg gegenüber posthum zum Ausdruck bringen zu wollen.
Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen
Christoph Freudenthaler, Bürgermeister
Im Rahmen einer Exkursion ins NHM Wien und das Strafgericht Wien der Plattform Johann Gruber ergab sich die Zusammenarbeit mit der Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen. Anknüpfend an das Kunstprojekt „Wetterleuchten am Horizont“ des Künstlers Christian Kosmas Mayer wurde gemeinsam an einer Ausstellung gearbeitet, die Funde der Spätbronzezeit aus dem Gräberfeld in Gusen zeigt und Einblick in das Leben in dieser Zeit gibt. Sie zeigt den Zusammenhang mit der KZ-Ausgrabung und schildert die Bedingungen unter denen KZ-Häftlinge Zwangsarbeit verrichten mussten. Sie gibt Informationen zum „Kommando Spielberg“. Sie würdigt beispielhaft vier Menschen: den österreichischen Priester Johann Gruber sowie die polnischen Häftlinge Kazimierz Gelinek, Wl̸adysl̸aw Gębik und Józef Eugeniusz Iwinski. Sie zeigt auf, wie Archäologie in der NS-Zeit missbräuchlich eingesetzt wurde. Die Spätbronzezeit wurde als „heroische Vorzeit“ verherrlicht. Im Rahmen des Projektes wurden ein Ausstellungskatalog, Informationstafeln, 4 Kurzfilme zu den Biografien und ein pädagogisches Vermittlungskonzept erarbeitet.
Das 9. Internationale Menschenrechtefestival findet von 6. bis 9. November 2025 statt – heuer unter dem Motto: „Dein Recht. Dein Schutz. Deine Identität.“ Im Fokus steht Artikel 8 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: Anspruch auf Rechtsschutz.
Das Festival bietet Workshops, Rundgänge, Ausstellungen, Kulturveranstaltungen und Diskussionen zu aktuellen Fragen rund um soziale Gerechtigkeit, Rechtszugang und gesellschaftliche Teilhabe.
Das genaue Programm finden Sie hier:
https://www.bewusstseinsregion.at/wp-content/uploads/2025/07/Programmheft-Symposium-2025.pdf
Weiterführende links:
https://www.bewusstseinsregion.at/
Ausstellung „Widerstand– Tod – Überleben. Zu den archäologischen Ausgrabungen des Konzentrationslagers Gusen"
Pressekonferenz und Presserundgang
Datum: 06.11.2025, 15:30 Uhr - 06.11.2025, 17:00 Uhr
Art: Pressetermine
Ort: Haus der Erinnerung
Marcel-Callo Straße 3
4222 St. Georgen an der Gusen
Österreich
Rückfragen & Kontakt
Naturhistorisches Museum Wien
Mag. Irina Kubadinow
Leiterin Presse & Öffentlichkeitsarbeit, Pressesprecherin
Telefon: Tel.: + 43 (1) 521 77 DW 410
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