- 23.10.2025, 09:10:32
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Aufarbeitung und Erneuerung: SOS-Kinderdorf legt Weg in die Zukunft fest
Professionelle Betreuung heute. Lückenlose Aufarbeitung historischer Fälle. Neuaufstellung mit unabhängiger Reformkommission.
SOS-Kinderdorf Österreich begleitet heute Kinder und Jugendliche in professionellen Betreuungssettings mit qualifizierten Fachkräften, modernen pädagogischen Standards und verbindlichen Kinderschutz- und Compliance-Strukturen. Zugleich arbeitet SOS-Kinderdorf historische Fälle lückenlos auf und setzt den Neustart der Organisation konsequent um.
Umfassende Aufarbeitung, unabhängig und ohne Tabus
SOS-Kinderdorf öffnet Archive, legt der unabhängigen Reformkommission, die Vorfälle und Strukturen von SOS-Kinderdorf umfassend prüft, alle Unterlagen offen und unterstützt sie in der vollständigen Aufarbeitung – egal, wie lange eine Gewalterfahrung zurückliegt und unabhängig davon, ob es sich um Täter*innen in führenden Positionen gehandelt hat. Parallel startet die Organisation schon vor Abschluss der Arbeit der Reformkommission eine umfassende Neuaufstellung mit dem Ziel klarer Governance, offener Kultur und überprüfbarer Verantwortung.
Aufarbeitung für alle: Neue Erkenntnisse zu Gründer Hermann Gmeiner
In den vergangenen Wochen haben sich im Zuge der Aufarbeitung weitere Betroffene und Mitarbeitende gemeldet. SOS-Kinderdorf geht jeder Meldung nach und hat dabei auch interne Recherchen zu historischen Akten intensiviert. Im Rahmen dieser Überprüfungen wurden acht intern dokumentierte Opferschutzfälle im Zusammenhang mit dem Gründer Hermann Gmeiner (verstorben 1986) ausgehoben.
Die Meldungen betreffen vier Standorte in Österreich im Zeitraum der 1950er- bis 1980er-Jahre. Alle acht Betroffenen haben in den Jahren 2013 bis 2023 ein Opferschutzverfahren durchlaufen und eine Entschädigungszahlung und Therapieeinheiten erhalten. SOS-Kinderdorf wird alle bisher ausgehobenen Dokumente umgehend übergeben und weitere Unterlagen laufend nachreichen.
„In den vergangenen Wochen haben sich bei uns Betroffene gemeldet, wir haben aktiv recherchiert, die historischen Fälle identifiziert, benennen die Fakten und legen alles auf den Tisch. Aufarbeitung gilt für alle – unabhängig von Rolle, Funktion, Verdiensten, Zeitraum, Einfluss oder Symbolkraft. Niemand steht über dem Prinzip der Verantwortung, auch nicht Gründerfiguren“, sagt Annemarie Schlack, seit 2024 Geschäftsführerin von SOS-Kinderdorf Österreich.
Bruch mit einer idealisierten Geschichte
„Unsere Vorgangsweise ist ein Bruch mit einer idealisierten Geschichte – aber auch die Voraussetzung für nachhaltige Veränderung der Organisation“, betont Annemarie Schlack. „Wir müssen anerkennen, dass das System der Vergangenheit auch Spuren in der Gegenwart hinterlassen hat. Von dieser Vergangenheit trennen wir uns jetzt – nicht durch ein Update, sondern durch einen umfassenden Neustart.“
Gleichzeitig würdigt Schlack die wichtige Rolle von SOS-Kinderdorf im österreichischen Kinder- und Jugendhilfesystem: „Unsere Pädagog*innen, Psycholog*innen und Fachkräfte leisten tagtäglich unverzichtbare Arbeit für Kinder und Familien in schwierigen Lebenslagen. Auf diese Kompetenz und Erfahrung bauen wir – sie sind die Grundlage, auf der wir jetzt eine transparente, moderne und überprüfbare Kinderschutzorganisation weiterentwickeln.“
“In den vergangenen Jahren wurden bereits zentrale Reformschritte umgesetzt – etwa durch längst angepasste, heute zeitgemäße Betreuungsangebote, eine neue Kinderschutzrichtlinie, Ombudsstellen, ein Melde- und Compliance-System sowie verbindliche Verfahrenswege bei Kindeswohlgefährdung. Diese Maßnahmen waren wichtig – jetzt gehen wir den nächsten Schritt und richten die Organisation als Ganzes neu aus“, so Schlack.
SOS-Kinderdorf leitet daraus eine klare Konsequenz ab: Aufarbeitung und Neuaufstellung laufen gleichzeitig.
Neuaufstellung auf zwei Säulen: Aufarbeitung und Zukunftsprozess
Die Neuaufstellung baut auf zwei Säulen auf, die eng mit der Arbeit der Reformkommission verzahnt sind:
1. Organisationsentwicklungsprozess „SOS-Kinderdorf neu“
SOS-Kinderdorf startet einen umfassenden, extern begleiteten Organisationsentwicklungsprozess. Er läuft parallel zur Arbeit der Reformkommission, damit Ergebnisse und Empfehlungen unmittelbar in die Organisation übertragen werden können. Ziel ist, Verantwortung, Kontrolle und Transparenz auf allen Ebenen dauerhaft zu sichern und SOS-Kinderdorf als moderne Kinderschutzorganisation mit zeitgemäßen Strukturen und Standards neu aufzustellen. Ein besonderer Fokus liegt auf der aktiven Beteiligung der Mitarbeitenden, deren Erfahrungen und Ideen die Basis für den Wandel bilden. Der Prozess umfasst die Entwicklung eines neuen Leitbilds, die Neuordnung von Strukturen und Entscheidungswegen sowie einen umfassenden Kultur- und Führungsprozess. Der Organisationsentwicklungsprozess läuft bis Ende 2026 und wird von externen Expert*innen begleitet.
2. Sonderbeauftragte*r für Aufarbeitung
Für die lückenlose interne Durchleuchtung der Organisation wird ein Team unter Leitung eine*r Sonderbeauftragten für Aufarbeitung eingesetzt. Das Team ist bei SOS-Kinderdorf angesiedelt und arbeitet in enger Abstimmung mit der Reformkommission, bleibt aber eigenständig im Mandat und in der Umsetzung.
Aufgabe ist die vollständige Bearbeitung aller eingelangten und nicht vollständig aufgearbeiteten historischen Fälle, inklusive aktiver Archiv-Recherchen und Dokumentationsprüfung.
Berichtet wird an die Geschäftsführung (operativ) und an den Aufsichtsrat (vierteljährlich). Der oder die Sonderbeauftragte wird über die Laufzeit der Reformkommission hinaus tätig sein, um nachhaltige Aufarbeitungs- und Transparenzstrukturen in der Organisation zu verankern.
Standorte handlungsfähig halten
Christian Rudisch, Geschäftsleiter SOS-Kinderdorf und Ansprechpartner für die Standorte: „Die Kinder, Jugendlichen und Familien, die wir heute aktuell betreuen und begleiten, brauchen jetzt Klarheit und Rückhalt. Die Fakten müssen offen benannt werden – ohne Beschönigung – und gleichzeitig müssen wir handlungsfähig bleiben. Aufarbeitung bedeutet nicht Stillstand, sondern Haltung: Wir schützen und begleiten rund 1.800 Kinder und Jugendliche, die bei uns aufwachsen, wir vertrauen auf über 2.000 Mitarbeitende und stehen füreinander ein.“
Für Betroffene:
Betroffene können sich weiterhin vertraulich an die Ombudsstellen oder direkt an die Reformkommission wenden. Jede neue Meldung wird dokumentiert, geprüft und bearbeitet. Alle Meldestellen finden sich unter: www.sos-kinderdorf.at/meldestelle
Facts:
Fact Sheet: https://www.sos-kinderdorf.at/factsheet
Opferschutzverfahren: Info-Opferschutzverfahren
Personalstandards: https://www.sos-kinderdorf.at/personalstandards
Verfahrenswege: https://www.sos-kinderdorf.at/verfahrenswege
Reformkommission: https://reformkommission.at/
Über SOS-Kinderdorf
SOS-Kinderdorf ist der größte private Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Österreich und in allen Bundesländern vertreten. 2024 wurden rund 1.800 Kinder und Jugendliche in stationären Angeboten von ausgebildeten Fachkräften professionell betreut. (Heute leben mehr als 75 % in Wohngruppen oder im betreuten Wohnen, nur etwa 10 % sind in SOS-Kinderdorf-Familien untergebracht.) Durch präventive Unterstützungsprogramme wurden im Vorjahr rund 4.200 Kinder, Jugendliche und ihre Familien beraten und betreut. Bei SOS-Kinderdorf sind rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
SOS-Kinderdorf finanziert sich zu rund 75 % aus Beiträgen der öffentlichen Hand. Rund 25 % der erforderlichen Mittel kommen aus Spenden.
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Katharina Häckel-Schinkinger
Telefon: +43 699 18814850
E-Mail: katharina.haeckel-schinkinger@sos-kinderdorf.at
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