- 22.10.2025, 13:43:32
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- OTS0129
6. Wiener Gemeinderat (4)
Mitteleilung zum Thema „Wiener Demokratie-Strategie“
GRin Sabine Keri (ÖVP) kritisierte die ihrer Ansicht nach „schwammigen Begrifflichkeiten“ in der vorgestellten Strategie. Auf 41 Seiten werde zwar ausführlich über Mitwirkung, Beteiligung und die von der Stadt angebotenen Instrumente gesprochen, doch fehle es – ähnlich wie bei der Jugendstrategie – an „messbaren Zielen“. Dadurch werde man nie erfahren, ob die Strategie tatsächlich erfolgreich sei. Keri bemängelte zudem, dass bei Themen wie Petitionen die „nächsten Schritte“ fehlten. Aufgabe der Politik sei es, alle Bürger*innen zu hören – nicht erst dann, wenn eine Petition mit 500 Unterschriften eingereicht werde, bemängelte Keri. Viele Menschen seien enttäuscht, weil sie keine Antworten erhielten. Der Petitionsausschuss sei aus ihrer Sicht ein „zahnloses Gremium“, da niemand verpflichtet sei, dessen Empfehlungen umzusetzen. Als Beispiel nannte Keri die Straßenbahnlinie 18, die zeige, „wie Bürgerbeteiligung nicht funktioniert“. Die Betroffenen hätten nur zufällig von den Änderungen erfahren; echte Partizipation hätte frühzeitig informiert. Keri kritisierte, dass man zwar in der Demokratiestudie von Beteiligung spreche, tatsächlich aber kaum „auf Augenhöhe mit den Wiener*innen“ arbeite. Sie forderte „ein bisschen mehr Mut“, da Beteiligung zwar häufig vorkomme, Mitbestimmung jedoch kaum. „Man darf ein bisschen mitspielen, aber nicht mitbestimmen“, so die ÖVP-Gemeinderätin. Ein weiteres Negativbeispiel sah Keri in der Praterstraße. Bereits 2017 habe es dort ein Beteiligungsverfahren gegeben, bei dem die Menschen keinen „Radhighway“ wollten – „und was haben sie bekommen?“ fragte Keri rhetorisch. Man müsse den Bürger*innen mehr zutrauen, verlangte die Mandatarin. Es gebe zahlreiche wissenschaftliche Ansätze, wie Partizipation besser funktionieren könne, die man als Vorlage hätte nutzen können. Offenbar sei das aber nicht gewollt gewesen. In einem Punkt zeigte sich Keri einig mit den Regierungsparteien: Demokratie müsse gelehrt werden. Junge Menschen sollten verstehen, dass sie ein hohes Gut und ein Wert sei. Ihre Partei werde daher einen Antrag zur Demokratiebildung einbringen, kündigte sie an.
GR Thomas Weber (NEOS) betonte, dass „Demokratie keine Selbstverständlichkeit“ sei. Sie sei immer dann stark, wenn man sie aktiv lebe, und werde schwach, wenn man sie der Gleichgültigkeit überlasse. Ein Blick auf die Welt gebe Anlass zur Sorge: Laut Weber lebe derzeit nur jeder vierte Mensch in einer Demokratie, was eine besorgniserregende globale Entwicklung darstelle. In einer Demokratie trage man große Verantwortung und müsse sich aktiv einbringen, so der NEOS-Mandatar. Demokratie sterbe nicht durch Angriffe von außen, sondern vor allem „durch Schweigen und Zurücklehnen“, sagte er. Daher sei der Beschluss der vorliegenden Strategie besonders wichtig, weil damit die Demokratie in den Mittelpunkt der politischen Debatte gerückt werde. Es handle sich um ein gemeinsames Bekenntnis und eine Verantwortung aller, der ein langer und intensiver Prozess vorausgegangen sei. Weber erklärte, Ziel der Strategie sei es, gesellschaftliche Herausforderungen wie den Ausschluss bestimmter Gruppen aufgrund von Bildung, Einkommen oder Gesundheitszustand sichtbar zu machen. Besonders hob er die Bedeutung der Bildung hervor. Demokratie müsse auch im Lehrplan verankert werden, forderte der Gemeinderat, da Werte bereits in der Schule vermittelt werden sollten. Das trage seiner Ansicht nach auch zu einer besseren Integration bei. „Demokratie müsse in alle Schulklassen gebracht werden“, sagte Weber. Abschließend kündigte der NEOS-Gemeinderat an, dass mithilfe eines Demokratiemonitors künftig auch überprüfbar werde, ob die gesteckten Ziele erreicht würden. Für die Mitarbeit in der Entstehung der Strategie bedankte sich Weber bei allen Beteiligten.
GRin Dr. Jennifer Kickert (GRÜNE) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion zur vorliegenden Strategie an, da diese „grundsätzlich als sinnvoll“ erachtetet werde. Eine beschlossene Strategie – auch wenn sie in Teilen wenig konkret sei – sei ihrer Ansicht nach besser als eine, die auf einer weniger breiten Basis stehe. Zudem spielten politische Parteien und Mandatar*innen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung, weshalb auch aus diesem Grund Zustimmung notwendig sei. Positiv hob Kickert den partizipativen Prozess und die Einbindung der Zivilgesellschaft hervor. Zugleich bemängelte sie jedoch, dass der Fokus im Papier zu stark ausgeweitet worden sei. Es schmerze sie, denn manche vorgestellten Instrumente seien gar keine echten Beteiligungsinstrumente. Als Beispiel nannte sie den Schulbereich, wo Schüler*innen etwa bei Sanierungen kaum Mitspracherecht hätten. Sie äußerte die Sorge, dass die Stadt dadurch eine gewisse „Beliebigkeit“ zeige, was sie unter Demokratie verstehe. Die grüne Mandatarin kritisierte außerdem, dass bestehende Qualitätsstandards schon jetzt häufig nicht eingehalten würden. Ihr Wunsch sei daher, bereits beschlossene Maßnahmen und Rahmenwerke – etwa den Masterplan für Stadtentwicklung – konsequent umzusetzen. Darüber hinaus forderte sie ein stärkeres Bekenntnis zu aktiver Transparenz. Die Gemeinderätin habe mehrfach darauf hingewiesen, dass Informationen nicht immer dort ankämen, wo sie gebraucht würden, und dass Datenbanken so gestaltet werden sollten, dass auch engagierte Bürger*innen leichter Zugang hätten. Kickert sprach sich zudem für eine engere Zusammenarbeit mit der Wissenschaft aus, um Vertrauen in politische Prozesse zu stärken. Dabei verwies sie auf neue demokratische Modelle wie Co-Voting, flexible Mehrheiten oder KI-gestützte Abstimmungsprozesse, die bereits wissenschaftlich erprobt würden. In diese Richtung wünsche sie sich mehr Impulse für die Stadt. Mit Blick auf die von ihrer Vorrednerin angesprochenen Projekte wie die Straßenbahnführung oder die Praterstraße betonte die grüne Abgeordnete, dass es bei großen Vorhaben immer sowohl Anliegen direkt Betroffener als auch übergeordnete stadtpolitische Ziele gebe. Zum Petitionswesen erklärte sie, dieses sei kein echtes demokratisches Instrument, da es weder Mitbestimmung noch Mitentscheidung ermögliche. Es könne daher nicht als Beleg dafür gelten, dass Beteiligung in Wien besonders gut funktioniere. Abschließend bedankte sich Kickert bei allen, die an der Erarbeitung der Strategie beteiligt waren. Eine Ablehnung durch die Opposition halte sie für falsch, da es hier um Verantwortung gehe. Die Zustimmung der Grünen erfolge in der Hoffnung, dass künftig ein stärkerer Dialog mit den Menschen und ihren Anliegen geführt werde, so Kickert abschließend.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) äußerte die Vermutung, dass das Thema Demokratie lediglich dazu diene, von der aktuellen Budgetdebatte abzulenken. Er stellte die Frage, was unter Demokratie eigentlich verstanden werde, und betonte, dass Demokratie „Herrschaft des Volkes“ bedeute. Hingegen, so Nepp, bedeute es „nicht das Eintrichtern eines bestimmten Wertekodexes in Schulen“. Das, was hier präsentiert werde, sei aus seiner Sicht „Sozialismus“: Die Stadt nehme den Menschen zuerst Geld weg, um es dann zu verteilen, anstatt ihnen Freiheit zu lassen. Auch das sei für ihn ein Teil von Demokratie, so Nepp. Zur vermeintlichen Aushöhlung der Demokratie meinte der FPÖ-Mandatar, es bringe nichts, Menschen nach Österreich zu holen, die aus Regionen stammten, in denen Demokratie und Gleichberechtigung nicht verankert seien. Man könne die Demokratie hierzulande nicht dadurch retten, dass man diese Menschen „durchfüttere“. Nepp warnte zudem vor Entwicklungen, bei denen Oppositionelle von demokratischen Wahlen ausgeschlossen würden. Als Beispiel nannte er eine Wahl im deutschen Ludwigshafen, bei der ein AfD-Kandidat von der Oberbürgermeisterwahl ausgeschlossen worden sei. Die Folge war, dass die Wahlbeteiligung auf 29 Prozent gesunken sei. So etwas, sagte Nepp, führe letztlich zur Abschaffung der Demokratie. Der Abgeordnete erinnerte außerdem an die sogenannte „Wiener Charta“, ein früheres Konzept mit ähnlicher Zielsetzung, aus dem jedoch „nichts geworden“ sei. Die Situation im Zusammenleben sei seiner Ansicht nach heute schlechter als 2015, was er vor allem auf Zuwanderung aus dem arabischen Raum zurückführte. Viele der Zugewanderten wollten, so Nepp, „nicht mit uns zusammenleben“. Abschließenderklärte der Gemeinderat, die „Politik der offenen Grenzen“ schade der Demokratie und trage zu deren Abbau bei. Sein Appell laute deshalb, diese Vorgehensweise zu beenden. „Nur so kann die Demokratie verteidigt werden“, sagte Nepp zum Abschluss.
GRin Mag. Nina Abrahamczik (SPÖ) betonte, dass Demokratie die aktive Mitwirkung der Abgeordneten ebenso brauche wie jene der Menschen, die in der Stadt leben und Teil der Gesellschaft seien. Es gebe unterschiedliche Möglichkeiten, sich einzubringen, doch die Demokratie stehe ihrer Ansicht nach global zunehmend unter Druck. Sie habe sich zwar stets weiterentwickelt, erlebe aber immer wieder Rückschläge. „Unsere Demokratie ist nicht perfekt“, sagte die SPÖ-Mandatarin. Manche Menschen dürften aus verschiedenen Gründen nicht wählen, andere wiederum entschieden sich bewusst dagegen. Umso mehr freue sie sich über jede Person, die sich beteilige. Abrahamczik stellte die Frage, wer sich nicht einbringe und warum. Gründe dafür könnten etwa fehlende Zeit oder eingeschränkte Mobilität sein. Sie betonte, es sei wichtig, auch Orte zu schaffen, an denen Beteiligung ohne Hürden möglich sei, und zu prüfen, „wo wir Menschen aufsuchend beteiligen können“. Die Gemeinderätin regte weiters an, bestehende Prozesse zu hinterfragen und zu überlegen, wie man diese verbessern könne. Menschen hätten unterschiedliche Bedürfnisse, daher brauche es Räume, in denen Interessierte erfahren könnten, was andere sich wünschten. Besonders brauche es „Empathie“ in der politischen Diskussion, um gemeinsame und tragfähige Lösungen für möglichst viele Menschen zu ermöglichen. Zur Kritik, der Fokus der Strategie sei zu weit gefasst, meinte die Mandatarin, dass Demokratie in alle Lebensbereiche integriert werden solle. Sie verwies darauf, dass die Strategie die Erarbeitung messbarer Ziele und ein begleitendes Monitoring vorsehe. Den Vorwurf der FPÖ, die Enquete diene der Ablenkung von der Budgetdebatte, wies sie zurück und erklärte, die Diskussion sei bereits länger geplant gewesen. Mit Blick auf die internationale Entwicklung mahnte Abrahamczik, dass die Demokratie weltweit unter Druck stehe und insbesondere Frauen häufig vom schrittweisen Abbau von Rechten betroffen seien. Das bereite ihr Sorgen. Sie rief deshalb dazu auf, Warnsignale ernst zu nehmen und Räume für Diskussion und Kompromisse zu schaffen. Abschließend appellierte sie an eine respektvolle Diskussionskultur im Gemeinderat und erinnerte, in Anlehnung an ein Zitat der ehemaligen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, daran, dass Demokratie immer vom „Willen zum Kompromiss“ lebe. (Forts.) kri
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