- 22.10.2025, 12:46:03
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- OTS0112
6. Wiener Gemeinderat (3)
Aktuelle Stunde
GRin Dr. Arabel Bernecker-Thiel (NEOS) warf den Grünen „plumpe Politik“ vor. Die Budgetsituation in Wien sei „dramatisch“, als Regierungspartei trügen die NEOS die Verantwortung, hier etwas zu unternehmen. Das bedeute auch, es müssten schmerzhafte Kompromisse gefunden werden. Das Ergebnis der Einschnitte sei „fair und ausgewogen“, betonte Bernecker-Thiel. Alle Bereiche in der Stadt hätten Einsparungen getroffen, das Sozialwesen mit dem größten Budget werde dementsprechend auch mit bis zu 200 Millionen Euro die größten Einsparungen beitragen. Die Mindestsicherung sei ein „Rettungsnetz“ und kein System, das ausgenutzt werden kann, sagte Bernecker-Thiel. Es brauche Anreize für Bezieher*innen, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Mit den Reformen der Mindestsicherung werde nicht nur Geld eingespart, sondern auch Schritte in diese Richtung gesetzt. So würden subsidiär Schutzberechtigte in die Bundes-Grundsicherung überführt – wie dies schon länger in anderen Bundesländern der Fall sei. Trotz der Konsolidierung würden wichtige Leistungen erhalten, darunter eben der Gratis-Kindergarten und das Gratis-Essen in den Grundschulen, schloss Bernecker-Thiel.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) kritisierte, dass im Wahlkampf die schlechte Budgetsituation kein Thema gewesen sei. Stattdessen hätten die späteren Regierungspartner allen mehr Geld versprochen. Damit gleiche die Stadt Wien der Bundesregierung, die auch nach dem Wahlkampf ein „Budgetloch“ entdeckt hatte. Jetzt rühme sich die Stadtregierung damit, 200 Millionen Euro bei der Mindestsicherung zu sparen – unter anderem durch die Streichung der Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte – übrigens eine langjährige Forderung der FPÖ, so Nepp. Die Mindestsicherung müsse an die Staatsbürgerschaft gekoppelt werden, forderte der FPÖ-Mandatar. Die Erhöhung des Wohnbauförderungsbeitrags sei „Lohnraub“, sagte Nepp: „Sie greifen hier in die Taschen der arbeitenden Menschen.“ Wer einer Arbeit nachgehen oder als Unternehmen Arbeitsplätze schaffen würde, werde bestraft, argumentierte Nepp. Das Geld sei auch nicht für neuen Wohnraum zweckgewidmet, sondern diene dazu, das marode Budget zu sanieren, behauptete Nepp.
GRin Mag. Andrea Mautz (SPÖ) meinte, Österreich stünde „vor dem größten Konsolidierungsbedarf in der Geschichte der Zweiten Republik“. Die Wirtschaftsaussichten seien „nicht prickelnd“, die Teuerung und Inflation verschärfen die Situation. „Die Zeiten sind nicht gut. In guten Zeiten Politik zu machen, ist einfach. Der wahre Charakter der Stadt zeigt sich aber in schwierigen Zeiten“, sagte Mautz. Sie warf den Grünen billige Polemik vor: Es müsse gespart werden, in Wien passiere das aber sozial gerecht. Wien setzte auf nachhaltiges Sparen und Konsolidieren – und vor allem auf keine Privatisierungen. Gespart werde auch im Sozialbereich, aber ohne den sozialen Zusammenhalt in der Stadt zu gefährden. Die Mindestsicherung werde mit den Reformen auf „sichere Beine gestellt“. Sie erneuerte die Forderung, dass alle arbeitsfähigen Menschen in der Mindestsicherung vom AMS betreut werden. Mit der Überführung der subsidiär Schutzberechtigten in die Grundversorgung folge Wien den Regelungen in den anderen Bundesländern. Trotz Konsolidierungsdruck bleibe der Kindergarten in Wien kostenlos, ebenso gebe es weitere Programme wie die Summer City Camps. Es gebe keine Einsparungen beim sozialen Wohnbau oder bei Gewaltschutzprogrammen für Frauen, betonte Mautz.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) kritisierte, dass „Sparsamkeit als Makel und Brot und Spiele als Normalzustand“ dargestellt würden. Die Stadtregierung hätte jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt, meinte der ÖVP-Gemeinderat. Er forderte mehr Effizienz durch Wettbewerb. So wirtschafteten private Unternehmen besser als die öffentliche Hand, weil sie eben dem Wettbewerb ausgesetzt seien, argumentierte Juraczka. Entlastungen müssten die Wirtschaft ankurbeln, forderte der ÖVP-Gemeinderat, stattdessen würden Unternehmen weiter belastet. Er forderte außerdem Haushaltsdisziplin und „Eigenverantwortung statt Abhängigkeit“: Sozialleistungen dürften keine soziale Hängematte sein, sagte Juraczka, auch er begrüßte das Aus für die Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte – zuletzt sei Wien das einzige Bundesland gewesen, die diese noch an diese Gruppe ausgezahlt hätte.
GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) warf den Grünen „Verunsicherung der Bürger*innen Wiens“ vor – als Beispiel dafür nannte er die „unredliche Kampagne“ zum vermeintlichen Aus für den Gratis-Kindergarten. Dieser sei nie im Raum gestanden. Auch die kostenfreie Ganztagsschule bleibe, ebenso wie das kostenfreie Mittagessen für Schüler*innen, betonte Gara. Auch bei der Klimaneutralität halte Wien Kurs, so zum Beispiel bei „Raus aus Gas“ oder beim Klimafahrplan der Stadt, betonte der NEOS-Gemeinderat. Der Auslöser für die Budgetsituation sei eigentlich die schlechte Wirtschaftspolitik der schwarz-grünen Bundesregierung. Diese hätte viel Geld für Maßnahmen ausgegeben, die nicht treffsicher waren. Viele Maßnahmen wie Primärversorgungseinheiten (PVEs) und dezentrale Gesundheitseinrichtungen oder Projekte wie School Nurses könnten nicht im ursprünglich geplanten Tempo ausgebaut werden, die Stadtregierung halte aber daran fest. Auch die Anpassung der Öffi-Tarife inklusive Jahreskarte verteidigte Gara. Die Preise seien über Jahrzehnte nicht angepasst worden, bei einem kontinuierlichen Ausbau des Öffi-Netzes.
GRin Theresa Schneckenreither, MSc (GRÜNE) ortete bei der Kommunikation der Finanzstadträtin rund um das Budget „Framings statt Fakten und Zahlenmix statt Transparenz“. Sie kritisierte die fehlende oder späte Kommunikation der Verschiebung des Budgets; auch sei die Opposition bei der Erstellung des neuen Voranschlags nicht eingebunden worden und das wahre Ausmaß des Defizits durch „zu optimistische Hochrechnungen geschönt“ worden, die in Hintergrundgesprächen an Journalist*innen weitergegeben worden seien, kritisierte Schneckenreither. Sie warf der Stadtregierung Intransparenz vor, das beschädige das Vertrauen der Bürger*innen in die Politik und schade langfristig der Demokratie.
GR Maximilian Krauss, MA (FPÖ) meinte, das kommende Budget sei ein „Anschlag auf die arbeitenden Menschen in der Stadt“. Die rot-pinke Stadtregierung hätte in der Vergangenheit „ein komplettes Susi-Sorglos-Paket für Glücksritter geschnürt, die nach Wien kommen“. Die Politik des „Verschenkens von hunderten Millionen Euro im Jahr an Menschen, die keinen Cent ins Sozialsystem eingezahlt haben“, hätte dazu geführt, dass die Stadt von der Stadtregierung „finanziell an die Wand gefahren“ worden sei. Er begrüßte, dass endlich der Sparstift dort angesetzt werde, „wo es nötig ist, nämlich bei der Mindestsicherung“. Auch er forderte, dass diese nur an Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ausgezahlt werden dürfe. Darüber hinaus könnten „hunderte Millionen an fragwürdigen Förderungen gestrichen werden“, so Krauss: Nach wie vor würden „Gender-Politik, linke Ideologien und sinnlose Fahrrad-Highways“ mit Steuergeld gefördert.
GR Mag. Alexander Ackerl (SPÖ) sagte, Wien sei die Stadt, die Klimaschutz mit sozialer Verantwortung verbinden würde. Wien investiere mit Weitblick in eine klimaneutrale und lebenswerte Stadt. Wien werde bis 2040 klimaneutral, investiere in Entsiegelung, mit dem Programm „Raus aus Gas“ sei der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen beschlossene Sache und auf den Weg gebracht sowie die U-Bahn und Radwege für klimaschonende Mobilität würden ausgebaut, zählte der SPÖ-Mandatar auf. Wien sei schon jetzt das klimafreundlichste Bundesland und senke die Emissionen schneller als der Österreich-Schnitt, erinnerte Ackerl. Wien hätte auch als erstes Bundesland ein verpflichtendes Klimagesetz mit einem klaren Fahrplan beschlossen. Die Kritik der Grünen ließ er nicht gelten: Die Jahreskarte bleibe, mit dem neuen Preis sei die Jahreskarte gemessen an der Kaufkraft billiger als bei der Einführung 2012, rechnete Ackerl vor. Zum Bau des Lobautunnels meinte Ackerl, die grüne Ex-Verkehrsministerin Leonore Gewessler hätte Alternativen versprochen, aber nie vorgeschlagen. Auch hätte Gewessler es nicht geschafft oder gewollt, die Voraussetzungen für eine verkehrsberuhigte Innenstadt zu legen, die erst ihr Nachfolger ermöglicht hätte. Ebenfalls hätte die ehemalige Bundesregierung kein Klimagesetz geschafft, die Grünen die „ÖVP-Blockade akzeptiert“.
Mitteilung von Jürgen Czernohorszky, amtsführender Stadtrat für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal zum Thema „Wiener Demokratie-Strategie“
Im Anschluss an die Aktuelle Stunde meldete sich Stadtrat Mag. Jürgen Czernohorszky (SPÖ) für eine Mitteilung zum Thema „Wiener Demokratie-Strategie“ zu Wort. Er erinnerte daran, dass sich Expert*innen vor zwei Jahren zu einer Demokratie-Enquete getroffen hätten, bei der zentrale Empfehlungen für den Ausbau der Demokratie erarbeitet worden seien: ausreichend Ressourcen für diverse Beteiligungsprozesse, eine zentrale Anlauf- und Vernetzungsstelle für Demokratie und Beteiligung, die Institutionalisierung von Pilotprojekten sowie ein langfristiges Commitment und eine Demokratiestrategie. Er habe damals gesagt, die Demokratie-Enquete sei „ein Startschuss für mehr, für mehr Demokratie“, betonte aber gleichzeitig. „Wir sind nicht am Ende der Fahnenstange angelangt“. In seiner Bilanz der umgesetzten Maßnahmen führte Czernohorszky aus, dass im Frühjahr 2024 das Büro für Mitwirkung an den Start gegangen sei, das als „Demokratie-Magistratsabteilung“ als Schaltzentrale der vielen Demokratie-Initiativen fungiere und von der Koordinierung der Europäischen Demokratiehauptstadt bis zur Wiener Demokratie-Strategie die „großen Tanker des Wiener Demokratiejahres“ verantworte. Das engagierte Team arbeite zudem an der Vernetzung der vielen Demokratie-Akteur*innen in der Stadt und an Demokratie-Innovationen wie der Demokratie-Fitness oder der Werkstatt für Mitwirkung.
Mit dem Wiener Klimateam würden neue Wege der Beteiligung beschritten, so Czernohorszky. Als Pilotprojekt im Jahr 2022 gestartet, sei es mittlerweile fixer Bestandteil der Partizipationslandschaft in Wien. Das Besondere liege im kollaborativen und ko-kreativen Ansatz sowie darin, dass zum ersten Mal repräsentative Bürger*innen-Jurys über die Umsetzung von Klimaprojekten entscheiden würden. Das heiße nichts weniger, als dass die Politik die Entscheidungsmacht über die Umsetzung von Klimaprojekten an die Bevölkerung abgebe. Ebenfalls gelinge es, viele Menschen zu erreichen, die sich noch nie beteiligt hätten. Bei einer Befragung hätten 60 Prozent der Teilnehmer*innen 2023 gesagt, dass sie davor bei keinem Beteiligungsprojekt mitgemacht hätten. Die Lokale Agenda 21 Wien und die Bezirksagenda seien mit den Grätzllaboren völlig neu aufgestellt und mit mehr Ressourcen ausgestattet worden. Das Aktionsprogramm Grätzloase habe seit 2015 über 1.000 Grätzl-Projekte unterstützt und damit eine Schallmauer durchbrochen. Auch die Novelle des Wiener Petitionsgesetzes aus dem Jahr 2023 sorge für mehr Transparenz und Beteiligung, was sich in den Zahlen zeige: Wurden 2020 noch 17 Petitionen eingebracht, seien es 2023 bereits 48 und im vergangenen Jahr 46 gewesen.
Wien sei zur Europäischen Demokratiehauptstadt 2024/25 auserkoren worden, weil die Stadt international als Aushängeschild für demokratische Beteiligung gelte. Die zentrale Botschaft laute, dass in Wien jede Stimme zähle. Czernohorszky zeigte sich überzeugt, dass Menschen dort, wo sie sich sicher sein könnten, dass ihre Anliegen gehört würden, gerne lebten. Das Wiener Demokratiejahr habe mehr als 500 Veranstaltungen in allen Gemeindebezirken in die Grätzl zu den Wiener*innen gebracht. Aus rund 300 Einreichungen für einen erstmals eingerichteten Fördertopf habe eine Expertinnen-Jury 34 Projekte auserkoren. Demokratie sei kein abstraktes Konzept, sondern lebendige Diskussion, Mitbestimmung und aktives Gestalten, die von allen Wiener*innen jeden Tag aufs Neue gelebt und praktiziert werde.
Czernohorszky warnte jedoch auch vor den Herausforderungen. Demokratie sei nicht selbstverständlich und müsse gepflegt, verteidigt und weiterentwickelt werden. Die vielfachen Krisen der Zeit bedrohten inzwischen weltweit das demokratische Zusammenleben: die Klimakrise, Kriege in Europa und weltweit, zunehmende Ungleichheiten, Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft. In vielen europäischen Staaten seien Rechtsparteien im Vormarsch, die den Rechtsstaat, die Medienvielfalt und die Menschenrechte angriffen. Wie schnell Demokratien an der Kippe stehen könnten, erlebe man leider am deutlichsten in den USA, wo renommierte Historiker wie Timothy Snyder von einem Staatsstreich sprächen, der sich vor unseren Augen abspiele. Er verwies auf die Proteste am vergangenen Wochenende, bei denen Millionen Menschen in hunderten Städten unter dem Motto „No Kings“ gegen den Autoritarismus von Trump demonstriert hätten. Daran könne man erkennen, dass Städte anders tickten und gerade fortschrittliche Städte wie Wien derzeit eine besondere Verantwortung hätten, für Demokratie, Freiheit und Vielfalt einzustehen.
Zur Wiener Demokratie-Strategie führte Czernohorszky aus, dass bei den Gemeinderatswahlen jede dritte Wienerin und jeder dritte Wiener im wahlfähigen Alter nicht wahlberechtigt sei und damit im politischen Geschehen nicht repräsentiert werde. Er halte das nach wie vor für einen nicht hinnehmbaren Zustand. Die Stadt habe in den vergangenen beiden Jahren gemeinsam mit 500 Wiener*innen die Wiener Demokratie-Strategie entwickelt, die auf dem Grundgedanken basiere, dass in Wien ein gutes Leben für alle möglich sein solle. Die Strategie definiere sieben zentrale Handlungsfelder und sechs Grundprinzipien: Demokratie als Alltagspraxis, Demokratie werde von allen gestaltet, Zusammenarbeit mit Anerkennung, Respekt und Wertschätzung, Veränderung der Strukturen, Lebensqualität als Grundrecht sowie Verantwortung für die Zukunft und das Wohl der Gemeinschaft. Mit der Wiener Demokratie-Strategie gebe man sich selbst einen Kompass für den Ausbau der Demokratie. Sie sei ein Bekenntnis dazu, dass jede Stimme zähle und dass Teilhabe ein Recht sei, kein Privileg.
Abschließend betonte Czernohorszky, dass eine Gefahr für die Demokratie die Erosion des Vertrauens der Bevölkerung in die Politik sei. Das liege aber nicht daran, dass Menschen gegen Demokratie seien, sondern das Vertrauen erschüttert sei, dass ihre demokratischen Institutionen ihre Probleme lösten und ihr unmittelbares Leben besser machten. Er lud alle ein, den Weg gemeinsam zu gehen, denn nur gemeinsam könne man die Demokratie stärken und alle Wiener*innen für die Demokratie begeistern. (Forts.) ato
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