- 21.10.2025, 17:03:32
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- OTS0173
Holzleitner kündigt Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen für Ende November an
Gleichbehandlungsausschuss diskutiert GREVIO-Bericht zu Gewaltschutzmaßnahmen in Österreich
Wien (PK) -Der Gleichbehandlungsausschuss diskutierte heute den 2023 erstellten Bericht des unabhängigen Expertengremiums GREVIO zu den österreichischen Gewaltschutzmaßnahmen. GREVIO wird aus Expertinnen und Experten des Europarats in Sachen Gewaltschutz gebildet und überwacht die Einhaltung der Istanbul-Konvention über die Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt (III-221 d.B.). Die österreichische Politik habe mit zusätzlichen Präventionsmaßnahmen auf eine nach wie vor hohe Anzahl an Frauenmorden in Österreich reagiert, stellte das Gremium bei seiner Evaluierung des Zeitraums 2019 bis 2022 fest. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. Auf Antrag der SPÖ wird der Bericht auch im Plenum des Nationalrats behandelt werden. Auch darüber bestand Stimmeneinhelligkeit.
Zwei Anträge der Grünen zum Thema wurden mehrheitlich vertagt. Sie setzen sich darin für einen Ausbau von Gewaltambulanzen sowie für eine Berücksichtigung von Frauen mit Behinderungen im Gewaltschutz ein.
GREVIO-Bericht sieht Fortschritte, aber auch Lücken im Gewaltschutz
Die Abgeordneten des Gleichbehandlungsausschusses diskutierten mit Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner, Justizministerin Anna Sporrer und der Bundesverbandsvorsitzenden der österreichischen Gewaltschutzzentren Karin Gölly über die Erkenntnisse des Berichts.
Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats, mit dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen. Österreich ratifizierte die Konvention 2013. Den vorliegende Bericht erstellte GREVIO 2023 als erste thematische Evaluierung der gesetzten Maßnahmen. Er stand unter dem übergreifenden Motto "Building trust by delivering support, protection and justice". Das bedeutet, dass die Gesetzgebung Sorge zu tragen hat, dass Gewaltopfern verlässlich Unterstützung und Schutz zukommt, nicht zuletzt im Hinblick auf die Strafverfolgung der Täter.
Das Gremium GREVIO begrüßt in seinem Bericht die Ausweitung des Betretungsverbots um das Annäherungsverbot im Gewaltschutzgesetz 2019 sowie vorbeugende Interventionen für junge Täter. Trotzdem bestehen laut den Expertinnen und Experten weiterhin Lücken. So sei beispielsweise die Abdeckung mit Gewaltambulanzen mangelhaft. Weiters brauche es verpflichtende Schulungen von Richtern und Richterinnen sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu allen Formen der Gewalt, eine Informationsweitergabe an Schulen und Kindergärten über Annährungsverbote sowie einen umfassenden Nationalen Aktionsplan (NAP) zum Gewaltschutz.
Holzleitner: Evaluierung gibt Politik wichtige Handlungsanleitungen
Frauenministerin Holzleitner hob hervor, dass Österreich bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention und auch bei ihrer Evaluierung eine Vorreiterrolle einnehme. Das GREVIO-Gremium habe im Beobachtungszeitraum 2019 bis 2022 Fortschritte im Gewaltschutz konstatiert, aber auch Handlungsempfehlungen für die Politik mitgegeben. Dazu gehöre die Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplans, der einige der von GREVIO angemerkten Punkte aufgreifen werde. Hier seien die Gespräche der politischen Seite mit den relevanten Organisationen bereits weit gediehen. Sie sehe breite Allianzen für die Umsetzung wichtiger Punkte, teilte Holzleitner mit, etwa für Verschärfungen im Sexualstrafrecht. Grundsätzlich sei die Erfahrung mit GREVIO sehr positiv gewesen. Kein Land müsse sich vor einer solchen Evaluierung "fürchten", meinte die Ministerin. Vielmehr gebe sie wichtige Hinweise, wo man besser werden müsse.
Auf die Frage von Abgeordneter Rosa Ecker (FPÖ) nach der besseren Sichtbarkeit von Gewaltschutzeinrichtungen, insbesondere im ländlichen Raum, wies Holzleitner auf den NAP hin. Dieser werde die Vernetzung der Organisationen fördern und besonders den ländlichen Raum in den Fokus rücken. Vorgestellt werden solle der NAP Ende November im Rahmen der "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" vom 25. November bis 10. Dezember. Um Frauen auf dem Land zu erreichen, biete sich zudem 2026 das "Jahr der Bäuerinnen" an, meinte die Ministerin in Richtung von ÖVP-Abgeordneter Romana Deckenbacher. Sie sei hier in Gesprächen über mögliche Kooperationen.
Was die Hilfe für Vergewaltigungsopfer in Krankenhäusern und Spitälern betreffe, informierte Holzleitner Abgeordnete Lisa Schuch-Gubik (FPÖ), dass ihr Ressort eine Toolbox für entsprechende Untersuchungen anbiete. Sie werde die Frage der ausreichenden technischen Ausstattung mit der Gesundheitsministerin besprechen. Die Gewaltschutzzentren hätten auch ein telemedizinisches Angebot und könnten Expertise weitergeben. Zu dem von ÖVP-Abgeordneter Deckenbacher angesprochen Thema der "K.O.-Tropfen" verwies Holzleitner auf die Gewaltambulanzen, die die Möglichkeit hätten, in Verdachtsfällen Beweise zu sichern. Ihr Ressort habe auch ein Konzept dafür, wie Veranstaltungen mit dieser Frage umgehen können.
Auf die Frage von Gudrun Kugler (ÖVP), wie mit kulturspezifischer Gewalt umzugehen sei - Stichwort "Ehrenmorde" - verwies Holzleitner darauf, dass GREVIO sehr deutlich darauf hingewiesen habe, dass Gewalt in allen sozialen Milieus vorkomme. Hier solle es nirgendwo einen blinden Fleck geben. Wichtig sei ihr auch, dass der NAP auch einen Schwerpunkt auf die Verhinderung von FGM legen werde.
Auf die Frage von Ausschuss-Obfrau Sabine Schatz (SPÖ) nach der Finanzierung der Beratungseinrichtungen sagte Holzleitner, dass für Einrichtungen, für die eine Rahmenfinanzierungsvereinbarung bestehe, diese jedenfalls bis 2027 gesichert sei. Hier habe sie noch vor dem Budgetbeschluss einen Finanzierungsschwerpunkt umgesetzt. Grundsätzlich sei das Frauenbudget nicht gekürzt worden. Das sei eine bewusste politische Entscheidung gewesen.
Zum Vorgehen gegen Gewaltverherrlichung und insbesondere Gewaltpornographie, das Meri Disoski und David Stögmüller (beide Grüne) thematisierten, sagte Holzleitner, sie sei mit dem Bildungsminister im Gespräch, wie Bewusstseinsbildung im Rahmen der sexuellen Bildung erfolgen könne. Jugendliche seien oft sehr früh mit Darstellungen konfrontiert, die zu einer verzerrten Wahrnehmung von Sexualität führen, und müssten lernen, dass Gewalt in der Intimität keinen Platz habe.
Sporrer befürwortet Verankerung des Prinzips "Nur Ja heißt Ja" im Strafrecht
Sie beschäftige sich bereits während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn mit Gleichbehandlungsthemen, merkte Justizministerin Anna Sporrer an. Die Istanbul-Konvention habe große Bedeutung, um international einheitliche Standards im Gewaltschutz zu etablieren. Der GREVIO-Bericht gebe wichtige Hinweise, wo noch Lücken bestehen. Wie sich zeige, sei die strukturelle Ungleichheit in der ökonomischen Lage von Frauen und Männern nach wie vor der hauptsächliche Nährboden von Gewalt. Sporrer verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Wichtigkeit einer inklusiven Sprache, um gesellschaftliche Realitäten adäquat widerzuspiegeln. Das bedeute auch, anzuerkennen, dass es mehr als nur die Geschlechteridentitäten Mann/Frau gebe. Sprachliche Einschränkungen und Vorgaben, die das nicht berücksichtigen, sehe sie daher kritisch.
Grundsätzlich sei Gewalt gegen Frauen ein strukturelles, kein kulturspezifisches Problem, und sei in allen Bevölkerungsschichten zu finden, merkte Sporrer an. In höheren Einkommensschichten werde sie aber oft weniger sichtbar, da die Opfer andere Möglichkeiten hätten, um ihr zu entkommen. Finanziell bessergestellte Frauen würden sich daher auch nicht an Beratungseinrichtungen wenden.
Die österreichische Justiz habe sich in Fragen der Gleichbehandlung und des Gewaltschutzes in den letzten Jahren stark weiterentwickelt, betonte die Ministerin. Besonderes Augenmerk wolle sie dem Vorgehen gegen Cyberkriminalität schenken. Im NAP solle das Thema der Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung breiten Raum einnehmen. Sporrer sah die Zeit gekommen, die Diskussion über die Formulierung des Konsensprinzips nochmals aufzunehmen. Die Diskussion über die Verankerung des Prinzips "Nur Ja heißt Ja" sei 2015 bereits weit gediehen gewesen. Letztlich sei aber doch die Formulierung "Nein heißt Nein" gewählt worden. Die Gesellschaft habe sich in dieser Frage deutlich weiterentwickelt, meinte die Ministerin. Das sollte sich auch in der Rechtsprechung und im Sexualstrafrecht niederschlagen.
Auf die Frage von Abgeordneter Schatz (SPÖ), ob das Prinzip "Nur Ja heißt Ja" zu einer Beweislastumkehr führe, stellte die Justizministerin fest, dass das nicht der Fall sei. Nach wie vor werde es die Staatsanwaltschaft sein, die den Beweis erbringen müsse, und nicht das Opfer oder der Täter. Der oft angeführte Fall Schwedens, wo die Zahl der Verurteilungen wegen Vergewaltigung nach der Verankerung von "Nur Ja heißt Ja" angestiegen sei, habe mit der Schaffung eines neuen Straftatbestands der "fahrlässigen Vergewaltigung" zu tun. An einen solchen sei in Österreich nicht gedacht.
Die Gewaltschutzambulanzen würden eine wichtige Rolle bei der Sicherung von materiellen Beweisen nach Vergewaltigungen spielen. Das sei insbesondere wichtig, da Prozesse oft erst nach Jahren stattfinden und Opfer aus verschiedensten Gründen sich der Aussage entschlagen könnten. Ein wichtiger Punkt sei hier aber die ausreichende Ausstattung der Gerichtsmedizin, gab die Justizministerin zu bedenken.
Österreichs sei von der GREVIO bei Wegweisungen, Betretungs- und Annäherungsverboten und der behördenübergreifenden Zusammenarbeit in seiner Vorreiterrolle anerkannt worden, meinte Sporrer in Richtung der Abgeordneten Meri Disoski (Grüne). Die Justiz sei aber weiter gefordert, die Angebote für Gewaltopfer, wie die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung und die opferorientierte Täterarbeit, in ausreichendem Maße und transparent zur Verfügung zu stellen.
Was die unter anderem von Abgeordnetem Roland Baumann (SPÖ) angesprochene Schließung von Lücken beim Gewaltschutz betreffe, so gebe es technischen Möglichkeiten, etwa elektronische Monitoring-Geräte, um eine unerlaubte Annäherung festzustellen. Diese Technik werde in einigen Ländern bereits eingesetzt, wobei bei Wiederholung auch Strafen verhängt werden. Ob die Anwendung sinnvoll und zudem innerhalb des österreichischen Rechtsrahmens möglich sei, werde sie überprüfen lassen.
Auch der Weiterbildung in Richter- und Staatsanwaltschaft maß Sporrer große Bedeutung bei. Abgeordnetem Stögmüller (Grüne) versicherte die Justizministerin, dass in der Justiz das Bewusstsein für LGBTQ+-Anliegen und Diversität deutlich gestiegen sei und die Anliegen der verschiedensten Personengruppen berücksichtigt würden.
Was die Verurteilungen wegen "Delikten im sozialen Nahraum" angehe, was auch Sexualdelikte betreffe, so würden diese seit fünf Jahren statistisch erhoben, erfuhr NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter. Seitdem habe sich ein gewisser Anstieg gezeigt. Allerdings sei nicht klar auszumachen, ob die Zahl der Fälle selbst gestiegen sei, oder ob es in der Richterschaft unterdessen größeres Bewusstsein dafür gebe, dass sie diese Deliktskennung eintragen sollten. Bei der Herausforderung, eine einheitliche Definition des Begriffs "Femizid" zu schaffen, nach der sich Brandstötter erkundigt hatte, setzt die Ministerin auf die GREVIO.
Gölly: Vernetzung von Beratungs- und Gewaltschutzorganisationen ist wichtig
Die Finanzierung der Beratungseinrichtungen zum Gewaltschutz sei derzeit gesichert, betonte Bundesverbandsvorsitzende Karin Gölly. Sie komme zur Hälfte vom Frauenministerium und zur Hälfte vom Innenministerium. In einigen Bundesländern gebe es auch eine teilweise Landesfinanzierung. Die Prozessbegleitung finanziere das Justizministerium.
Was die verschiedenen Formen der Täterarbeit und Gewaltprävention betreffe, so zeige sich, dass die Angebote nur selten von Männern und nur sehr selten freiwillig aufgesucht werden. Vor allem die langfristigen Antigewalttrainings seien sehr vielversprechend, würden aber meist nur auf richterliche Weisung oder auf Druck der Partnerin besucht. Sie würde sich wünschen, dass diese Angebote mehr eingesetzt würden.
Ein grundlegendes Problem sei zweifellos die von den Abgeordneten Brandstötter (NEOS) und Tina Berger (FPÖ) angesprochene Zersplitterung der Gewaltschutzangebote, die nicht nur für Betroffene oft schwer überschaubar seien. Hier sei die Vernetzung der Organisationen untereinander ein wichtiger Faktor, um Ratsuchende an die für sie passende Stelle weiterverweisen zu können.
Eine der größten Hürden für Gewaltopfer, Hilfe zu suchen, sei zweifellos die Scham, berichtete Gölly. Auch mangelnde Sprachkenntnisse spielten eine Rolle, weshalb man Informationen auch mehrsprachig bereitstelle. Eine wichtige Funktion hätten dabei die Frauen- und Mädchenberatungen. Bei Beratungsgesprächen zu anderen Fragen, wie Finanzen oder Wohnen, tauche oft in weiterer Folge das Thema Gewalt auf. Derzeit arbeite man an österreichweiten Kampagnen. So soll etwa auch in Supermärkten auf Gewaltschutzangebote hingewiesen werden.
Zur von Abgeordnetem Mario Lindner (SPÖ) angesprochenen Frage der Gewalt im digitalen Raum berichtete Gölly, diese tauche in Beratungsgesprächen oft erst dann auf, wenn sie aktiv angesprochen werde. Die ratsuchenden Frauen seien sich oft nicht dessen bewusst, wie stark sie von Partnern auch im digitalen Raum kontrolliert würden, etwa weil die Passwörter zu Computern und Handys bekannt seien. Verstöße gegen Betretungs- und Annäherungsverbote gebe es an sich nur wenige, sagte Gölly in Richtung von SPÖ-Abgeordneter Verena Nussbaum. Der Einsatz von Fußfesseln sei aber aus ihrer Sicht durchaus ein probates Mittel, um sie zu verhindern.
Grünen-Anträge zu Gewaltschutz vertagt
Für zwei Forderungen der Grünen zum Thema Gewaltschutz heißt es "Bitte warten". Sie setzen sich etwa dafür ein, dass Gewaltambulanzen ausgebaut und langfristig finanziert werden. In den Einrichtungen können sich Opfer von Gewalt kostenfrei untersuchen lassen. Verletzungen werden dokumentiert und Spuren gesichert (319/A(E)).
Mit einer weiteren Initiative sprechen sich die Grünen dafür aus, Frauen mit Behinderungen im Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen (NAP) mit eigenen Maßnahmen zu berücksichtigen (554/A(E)). Beide Anträge wurden mit Verweis auf die noch laufende Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans vertagt. (Fortsetzung Gleichbehandlungsausschuss) sox/kar
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