- 21.10.2025, 10:30:03
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IV-Konjunkturbarometer: Keine Trendwende in Sicht
IV-GS Neumayer & IV-Chefökonom Helmenstein: Nach kurzer Stabilisierung kippt die Stimmung in der Industrie erneut ins Negative – Hoffnung auf Aufschwung schwindet
Wie im Frühjahr avisiert, mündet die am längsten andauernde Rezession in der österreichischen Industrie seit dem Zweiten Weltkrieg in eine prolongierte Stagnation. Eine solche mag als konjunkturelle Verbesserung wahrgenommen werden, ohne jedoch die sonst übliche Perspektive eines Aufschwungs zu bieten – im Gegenteil: Zur Stagnation gesellt sich eine hartnäckige Inflation, das Resultat heißt Stagflation. Mit allen bekannten Folgen: Arbeitsplatzverluste und Realeinkommenseinbußen, budgetärem Stress bei den Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen, Investitionszurückhaltung in Kombination mit einem Innovationsstau. „Wir sollten nicht einer Aufschwungsillusion unterliegen. Viele glauben, dass nach Jahren der Rezession jetzt endlich Besserung eintritt, aber die Realität spricht leider eine andere Sprache“, warnt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV).
Denn es gehen vom standortpolitischen Umfeld in Österreich wie auch von seinem geopolitischen Pendant nach wie vor kaum positive Impulse aus. Einzelne Maßnahmen wie das Stromkosten-Ausgleichsgesetz und die Erhöhung des Investitionsfreibetrages weisen in die richtige Richtung, Strukturreformen und Leuchtturminitiativen, die geeignet wären, der erodierenden Standortqualität Einhalt zu gebieten und die Investitionsstimmung zu drehen, stehen jedoch weiterhin aus. Neumayer betont: „Die Industrie steckt zwischen Stagnation und Inflation fest. Es ist höchste Zeit, dass die Politik erkennt: Ohne mutige Strukturreformen und einer Ausgabenbremse – die Staatsquote muss wieder unter 50 % –, die Vertrauen auf Besserung schaffen, bleibt jeder Aufschwung eine Illusion.“
Geopolitische Belastungen verschärfen die Lage
Im Zollkonflikt zwischen der EU und den USA sehen sich die Unternehmen mit einem asymmetrischen Zollregime zuungunsten der europäischen Exporteure bei zugleich starken Exportanstrengungen asiatischer Länder auf dem europäischen Markt konfrontiert. Verschärfend kommt hinzu, dass die ohnedies unter Druck stehende preisliche Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Warenexporte in den Dollarraum noch dadurch gemindert wird, dass der Euro gegenüber dem US-Dollar um rund 8 % binnen eines Jahres aufgewertet hat. „Die Kombination aus steigenden Preisen, schwacher Nachfrage und hoher geopolitscher Unsicherheit untergräbt Investitionen und Wachstum. Österreichs Industrie hat den Boden des Tals erreicht, aber noch keinen Weg hinaus gefunden“, fasst IV-Chefökonom Christian Helmenstein zusammen.
Industrie: Stillstand unter verschärften Bedingungen
Angesichts dieser Belastungskulisse vermag sich das IV-Konjunkturbarometer nicht im marginal positiven Terrain nahe der Nulllinie zu halten, welches erst im Frühjahr erklommen wurde, vielmehr kippt der Saldo von +1,0 Punkten auf -5,7 Punkte deutlich ins Negative. Als Alarmzeichen ist zu werten, dass diese erneute Trendumkehr auf beide Komponenten, also sowohl auf die aktuelle Lageeinschätzung als auch auf die Erwartungen an den Geschäftsverlauf in sechs Monaten, zurückzuführen ist: Bei der Komponente der aktuellen Lageeinschätzung in der Industrie verschlechtert sich der Saldo von -6 Punkten auf -8 Punkte, während der Saldo bei den Geschäftserwartungen von +8 Punkten auf nunmehr -3 Punkte abstürzt. Dies bringt zum Ausdruck, dass die Industrie jede Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung preisgegeben hat. „Was wir derzeit beobachten, ist keine Stabilisierung, sondern ein Stillstand unter verschärften Bedingungen. Die Industrie steht auf der Bremse, während die Kosten weiter steigen, das ist ein klassisches Stagflationsmuster“, fasst Helmenstein zusammen.
Die Ergebnisse im Detail
Bei einem Rückgang um 9 Punkte auf einen Saldo von nunmehr -5 Punkten knüpft der Indikator der Gesamtauftragsbestände in der Industrie dort an, wo er schon zum Jahresauftakt zu verorten war: im Minus. Dementsprechend nimmt der Verlust an Auftragsreichweite nach einer kurzlebigen Zwischenerholung bei +4 Punkten im Vorquartal zuletzt wieder zu, was als äußerst negative Nachricht für die Absicherung der inländischen Produktionsstätten zu interpretieren ist.
Bei der Subkomponente der Auslandsaufträge ist in analoger Weise eine Trendumkehr zu verzeichnen, die vor dem Hintergrund der Aufwertung der Gemeinschaftswährung sowie des neuen Zollregimes zwischen der EU und den USA mit einem Rückgang um 11 Punkte auf einen Saldo von -3 Punkten sogar noch prononcierter ausfällt. Die österreichische Industrie verliert international weiterhin Marktanteile und tut sich enorm schwer, am globalen Realwachstum – das im Jahr 2025 gemäß IWF bei 3,2 % liegen soll – zu partizipieren.
Angesichts des neuerlich eingetrübten Konjunkturbildes präsentieren sich die kurzfristigen Produktionserwartungen in der Industrie als (noch) bemerkenswert stabil und bewegen sich weiterhin in der neutralen Zone. Der saisonbereinigte Saldo liegt nun bei +1 Punkt – nach zuvor -2 Punkten. Das bedeutet: Bestenfalls setzt sich die Stagnation der Industrieproduktion unverändert fort, eine Trendwende in Richtung einer substanziellen Produktionsausweitung liegt derzeit hingegen außer Reichweite. Kontraproduktive handelspolitische Vorgänge und andere exogene Schocks ausblendend ist mit einer konjunkturellen Aufhellung frühestens im Jahr 2026 zu rechnen. Sie wird voraussichtlich von einer anziehenden Nachfrage im inländischen Wohnbau sowie einer allfällig höheren Nachfrage durch Infrastrukturinvestitionen in Deutschland ausgelöst werden.
Die weiterhin gedämpften Produktionserwartungen schlagen erheblich auf die Beschäftigungsaussichten in der Industrie durch. Der Beschäftigungssaldo verharrt unverändert auf einem Rezessionsniveau von -20 Punkten. Damit werden frühere Tiefststände des Indikators zwar nicht mehr erreicht, aber der Stellenabbau in der Industrie hält unvermindert an. Besonders beunruhigend ist der Befund, dass nur jedes achte Unternehmen eine positive Einstellungsneigung aufweist, während weiterhin zugleich jedes dritte Unternehmen angibt, Beschäftigte abbauen zu müssen.
Trotz des im Durchschnitt weiterhin hohen Kostendrucks sehen 89 % der Unternehmen keine Möglichkeit, ihre Verkaufspreise zu erhöhen. Verschärft wird die Situation durch handelsumlenkende Effekte der Zollspannungen zwischen den USA und China, in deren Gefolge Waren aus Asien weiterhin verstärkt auf den europäischen Markt drängen. Der Saldo der Verkaufspreise verzeichnet dementsprechend keine Änderung und bleibt bei -2 Punkten.
Die Vielzahl an konjunkturellen und strukturellen Belastungen schlägt sich nach wie vor in der aktuellen Ertragslage der Unternehmen nieder. Der Saldo verharrt bei -25 Punkten (nach zuvor -19) in tiefrotem Terrain. In Übereinstimmung mit den wieder überwiegend pessimistischen Erwartungen für den weiteren Geschäftsverlauf liegen die Ertragserwartungen auf Sicht von sechs Monaten bei einem Saldo von -2 Punkten ebenfalls weiterhin unter der Nulllinie. Dementsprechend überwiegt der Anteil der Unternehmen, die eine weitere Verschlechterung ihrer Ertragslage bis in das Jahresauftaktquartal 2026 hinein erwarten, weiterhin geringfügig den Anteil jener, die eine Verbesserung voraussehen.
Vier wesentliche Widrigkeiten stehen der Absicherung des Industriestandortes Österreich entgegen. Erstens die Energiekosten, zweitens die Steuer- und Abgabenbelastungen, drittens die bürokratische Überbeanspruchung und viertens die ungünstigen Lohnstückkostendynamiken. Gegebenenfalls wäre dazu auch noch der Fachkräftemangel zu zählen, aber erst bei einem Aufschwung, der eine solche Bezeichnung auch verdiente. Die Lohnstückkostendynamik wiederum setzt sich zusammen aus der Nominallohn- und der Produktivitätsentwicklung. Bei Letzterer gelingt es nicht mehr, Dynamik zu entfalten. Eine solche wäre aber von zentraler Bedeutung, um den Wohlstand in Österreich abzusichern und auszubauen.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 381 Unternehmen mit rund 263.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
Rückfragen & Kontakt
Industriellenvereinigung
Marlena Mayer, BA
Telefon: +43 (1) 711 35-2315
E-Mail: marlena.mayer@iv.at
Website: https://www.iv.at
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