• 17.10.2025, 10:43:05
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Naturschutz ohne Mitsprache

Alpenvereine warnen vor systematischer Entrechtung von NGOs und Umweltanwaltschaften

Das Platzertal im Tiroler Kaunertal gilt als Naturjuwel und ist
Schauplatz etlicher Konflikte.
Graz (OTS) - 

Während Klimakrise und Flächenverbrauch die Natur weiter unter Druck setzen, werden jene Stimmen geschwächt, die Probleme aufzeigen und Veränderung einfordern. Die Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol sowie zahlreiche Umweltorganisationen schlagen Alarm: Die Politik schränkt Beteiligungsrechte unabhängiger Akteure systematisch ein – mit gravierenden Folgen für Natur und Demokratie.

Der aktuelle Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamts offenbart in vielen Bereichen ein alarmierendes Bild: Klimawandel und Biodiversität bleiben die zentralen Herausforderungen. Rund 80 Prozent der nach EU-Recht geschützten Lebensräume in Österreich sind ökologisch beeinträchtigt. Besonders betroffen sind Fließgewässer, Feuchtgebiete, Moore und alpine Lebensräume – also jene Regionen, in denen auch die Alpenvereine aktiv sind. „Die Natur steht unter großem Druck“, betont Wolfgang Schnabl, Präsident des Österreichischen Alpenvereins im Vorfeld der Jahreshauptversammlung in Graz. Umso wichtiger sei es jetzt, jene Stimmen zu stärken, die auf Fehlentwicklungen hinweisen und Alternativen aufzeigen: „Stattdessen erleben wir, wie das Mitspracherecht unabhängiger Umweltakteure systematisch geschwächt wird.“

Massive Einschränkung von NGOs und Umweltinstanzen

Unterstützung erhält Schnabl von seinen Amtskollegen Roland Stierle (Deutscher Alpenverein, DAV) und Georg Simeoni (Alpenverein Südtirol, AVS) sowie zahlreichen Naturschutzorganisationen wie WWF, Naturfreunde, Umweltdachverband und Global 2000.

In Videostatements warnen sie vor aktuellen Entwicklungen, etwa in der Steiermark, wo Anfang des Jahres die anerkannte Umweltanwältin Ute Pöllinger nicht wiederbestellt wurde – ein Schritt, den viele als politisch motivierte Abberufung werten.

In Salzburg ist seit Ende 2024 die Umweltanwaltschaft mittels Gesetzes von vielen Verfahren ausgeschlossen und hat ihr Revisionsrecht an den Verwaltungsgerichtshof verloren.

In Tirol wird mit dem 2. Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), die Parteistellung von NGOs deutlich eingeschränkt. Auch die nationale Fassung des EABG, deren Stellungnahmefrist in wenigen Tagen endet, geht in die gleiche Richtung.

„Mehr denn je braucht die Natur eine starke Stimme – und die Demokratie braucht kritische Beteiligung. Wenn Umwelt-NGOs und unabhängigen Umweltinstanzen gezielt ihre Rechte genommen werden, ist das ein gefährlicher Angriff auf beides.“, so Wolfgang Schnabl.

Georg Simeoni, Präsident des Alpenvereins Südtirol kritisiert den starken Einfluss der Wirtschaft auf die Gesetzgebung: „Für Betreiber von Liftanlagen, die Skigebiete erweitern wollen, für die Energiewirtschaft, die mit Großprojekten die letzten unberührten Landschaften und Ökosysteme gefährden, ist unser Einsatz höchstwahrscheinlich hinderlich und nicht erwünscht“.

Schnellere Verfahren auf Kosten des Naturschutzes?

Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen wird auf EU-Ebene forciert, etwa durch die RED-III-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien. Auch die Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-Richtlinie) für geschützte Lebensräume droht aus Gründen der Vereinfachung aufgeweicht zu werden. Eine rasche Abwicklung von Verfahren liege im Interesse aller Akteure, dies dürfe allerdings nicht auf Kosten des Naturschutzes geschehen. Roland Stierle, Präsident des Deutschen Alpenvereins (DAV), erinnert deshalb an die Bedeutung der Alpenkonvention, die 1991 zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Alpen zwischen den acht Alpen-Staaten und der EU unterzeichnet wurde. Sie ist ein verbindlicher Maßstab für alle Interessensgruppen: „Der Überprüfungsausschuss der Alpenkonvention im Juni 2024 hat klargestellt, dass die Alpenkonvention über anderen EU-Richtlinien und -Verordnungen steht und daher stets beachtet werden muss“, so Stierle.

Wie wichtig Beteiligungsrechte sind, zeigt das aktuelle Beispiel des Verfahrens zum Ausbau des Kraftwerks Kaunertal. Der Österreichische und der Deutsche Alpenverein, der in Österreich zahlreiche Hütten und Wege unterhält, haben als anerkannte Umweltorganisationen Parteistellung beantragt, um den geplanten Speicherbau im hochalpinen Platzertal kritisch zu begleiten. Das Platzertal ist ein ökologisch besonders wertvolles Feuchtgebiet. Roland Stierle und Wolfgang Schnabl betonen, dass die Parteistellung keine lästige Formalität sei: “Wir bringen damit unsere Perspektiven in das Verfahren ein und stellen somit sicher, dass auch die Argumente des Naturschutzes mit Nachdruck gehört und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.”

Rückfragen & Kontakt

Österreichischer Alpenverein
Mag. Gerald Zagler
Telefon: +43 664 78021327
E-Mail: presse@alpenverein.at

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