• 17.10.2025, 10:42:33
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  • OTS0073

Offener Brief der Gewerkschaft vida an Bundesminister Dr. Hattmannsdorfer

Betreff: Annahme des Gesprächsangebots und Erweiterung der Agenda auf die echten Milliarden-Schäden (Steuerhinterziehung, Lohnraub und Korruption)

Wien (OTS) - 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Hattmannsdorfer,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15. Oktober 2025, in dem Sie auf unsere dringende Aufforderung zur Wahrnehmung Ihrer Aufsichtspflicht über die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) geantwortet haben.

Wir nehmen Ihr Angebot, uns gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich auszutauschen, sehr gerne an. Allerdings muss die Agenda dieses Gesprächs über die Verengung auf den Sozialbetrug hinausgehen. Ein fairer und ehrlicher Austausch über die Belastung unseres Sozialstaates muss alle relevanten Schadensursachen einschließen – insbesondere jene, die den Staatshaushalt tatsächlich in Milliardenhöhe belasten.

Wir müssen über die großen Löcher sprechen, nicht nur über die kleinen.

Die notwendige Agenda: Milliarden-Schäden nach der Schwere abhandeln und dann natürlich auch Sozialbetrug

So lange Steuerhinterziehung, Lohnraub, Korruption und Postenschacher in Österreich zum Alltag gehören, ist die Forderung nach Lohnzurückhaltung allein eine Verhöhnung der hart arbeitenden Menschen in diesem Land.

Während Sie in Ihrem Schreiben zu Recht betonen, dass Sozialbetrug eine Belastung darstellt, lenkt diese Fokussierung von den weitaus größeren Missständen ab, die unser Land finanziell und moralisch untergraben:

  1. Steuerhinterziehung: Laut Berechnungen kostet uns Steuerhinterziehung jedes Jahr 13 Milliarden Euro, die dem Staat für Bildung, Pflege oder das Klima fehlen.
  2. Lohnraub: Durch unbezahlte Mehr- und Überstunden, die sogenannte "Lohnraub"-Delikte darstellen, entgingen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie dem Staat im Jahr 2024 rund 2,3 Milliarden Euro.
  3. Korruption und Postenschacher: Der volkswirtschaftliche Schaden durch Korruption in Österreich wurde für das Jahr 2021 auf über 15 Milliarden Euro geschätzt. Allein die Ära eines einzigen ÖBAG-Chefs kostete die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mutmaßlich mindestens 1,5 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Der von der Task Force des Innenministeriums 2024 aufgeklärte Schaden durch Sozialleistungsbetrug lag bei mehr als 23 Millionen Euro.

Wir können nicht akzeptieren, dass eine gesetzliche Interessensvertretung wie die WKÖ die Debatte durch die vorsätzliche Verwendung von Falschzahlen – sie hat die Gesamtkosten aller Krankenstände von 8,5 Mrd. Euro als Schaden durch Missbrauch ausgegeben – in eine Richtung lenkt, die Arbeitnehmer pauschal diskreditiert.

Die Pflicht zur Gesetzmäßigkeit und Wahrhaftigkeit

Sie lehnen ein aufsichtsbehördliches Verfahren ab, weil Sie im Versenden einer wahrheitswidrigen Pressemitteilung keine Verletzung der Aufgaben der WKÖ erkennen können.

Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verbreitung unwahrer Tatsachen durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts die Pflicht zur gesetzmäßigen Geschäftsführung nach §136 WKG verletzt. Wahrhaftigkeit ist eine Grundvoraussetzung für die Glaubwürdigkeit des gesamten Kammersystems.

Besonders besorgniserregend ist, dass führende Repräsentanten der WKÖ dieser Wahrhaftigkeitspflicht nicht nachkommen. Dies erinnert an die Aussage, die in den Akten rund um den ehemaligen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) bekannt wurde, wonach dieser "mit der Wahrheitspflicht per se ein Problem" habe. Die Glaubwürdigkeit der ÖVP-nahen Kammerorganisationen leidet massiv unter solchen Praktiken.

Wir hoffen, dass Sie zumindest gegenüber dem Parlament klarstellen, ob Sie die bewusste Verwendung von Gesamtkosten als Missbrauchsschaden für eine Verletzung der Pflicht zur gesetzmäßigen Geschäftsführung halten und welche Konsequenzen Sie bei einer Feststellung gedenken zu ziehen. Wir verweisen auf die diesbezügliche Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Götze, Schallmeiner, Freundinnen und Freunde vom 16. Oktober 2025 (Nummer 3688/J XXVIII. GP), die Ihnen bereits zugegangen ist.

Wir freuen uns auf einen Termin, um über die tatsächlichen Milliarden-Schäden in Österreich zu sprechen.

Mit freundlichen Grüßen,
Roman Hebenstreit Vorsitzender der Gewerkschaft vida

Rückfragen & Kontakt

Gewerkschaft vida
Cornelia Groiss
Tel.: +43 664 614 57 56
cornelia.groiss@vida.at
www.vida.at

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