• 17.10.2025, 09:00:46
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„Gesunde Führung beginnt bei mir selbst“

Wie Führungskräfte Burnout vorbeugen und Vorbilder werden.

„Gesunde Führung beginnt bei mir selbst“ Wie Führungskräfte
Burnout vorbeugen und Vorbilder werden.
Wien (OTS) - 

Burnout trifft immer mehr Führungskräfte. IBG-Arbeitspsychologin Regina Nicham spricht im Interview über Warnsignale, Schutzfaktoren und konkrete Schritte für gesunde Führung.

  • Führung unter Dauerstrom: Permanente Erreichbarkeit, steigender Druck und komplexe Verantwortung machen auch Führungskräfte zunehmend anfällig für Erschöpfung und Burnout.
  • Warnsignale früh erkennen: Wer Veränderungen in Schlaf, Konzentration oder Stimmung bemerkt, sollte diese ernst nehmen – denn Burnout beginnt oft schleichend.
  • Selbstfürsorge als Führungsaufgabe: Gesunde Führung startet mit Eigenverantwortung – Pausen, klare Grenzen und bewusste Erholung sind kein Luxus, sondern Voraussetzung für Leistungsfähigkeit.
  • Vorbildwirkung zählt: Führungskräfte, die selbst gesund mit Belastungen umgehen, schaffen Vertrauen, stärken ihr Team und fördern eine nachhaltige Unternehmenskultur.

Frau Nicham, Burnout betrifft nicht nur Mitarbeiter:innen, sondern auch Führungskräfte. Woran merken Führungskräfte selbst, dass „die Belastung kippt“?

Die „Kipp-Punkte“, an denen Überforderung in ernsthafte Erschöpfung übergeht, sind nicht immer leicht zu erkennen. Entscheidend dabei ist die Veränderung zum eigenen Normalzustand. Zentrale Warnzeichen, an denen Führungskräfte selbst merken können, dass „die Belastung kippt“ sind: Schlafprobleme, Antriebslosigkeit, innere Unruhe und Grübeln, man schaltet nach Feierabend nicht mehr ab und nimmt Themen mit in die Nacht. Auch Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit, längere Bearbeitungszeiten sowie das Gefühl, gedanklich „kleben zu bleiben“. Körperlich zeigen sich häufiger Kopfschmerzen, Verspannungen oder diffuse Schmerzen sowie eine vermehrte Infektanfälligkeit. Im Verhalten zeigen sich oft Gereiztheit, sinkende Empathie, Leistungsabfall und sozialer Rückzug, Treffen mit Freund:innen oder sogar Familienzeit werden als Belastung erlebt. Dazu kommen ungünstige Gewohnheiten wie mehr Rauchen, ungesundes oder emotionales Essen oder auch steigender Alkoholkonsum. Entscheidend ist, diese Verschiebungen bei sich wahrzunehmen, anstatt sie wegzuschieben.

Neigen Führungskräfte besonders dazu, sich mit Substanzen „zu pushen“?

Ich würde das nicht ausschließlich an der Rolle festmachen, wobei die Frage grundsätzlich mit „ja“ zu beantworten wäre. Ausschlaggebend sind der erlebte Druck und die Frage wie weit es möglich und erlaubt ist selbst „Schwächen“ zu zeigen. Kritisch sind sogenannte Sandwich-Positionen. Erwartungsdruck von oben und unten, weniger Handlungsspielraum, zugleich hoher Anspruch an die eigene Performance – und die Angst, nicht zu entsprechen. Das erhöht das Risiko für ungesunde Kompensationsstrategien. Aber wie bereits erwähnt, betrifft das nicht nur Führungskräfte; Menschen unter ständigem Leistungsdruck greifen allgemein eher dazu.

Gibt es Persönlichkeitsstrukturen, die stärker gefährdet sind?

Die Ursachen sind immer multifaktoriell. Persönliche Faktoren wie ein sehr hoher Perfektionsanspruch, sehr hohe Ansprüche und Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen, können das Risiko erhöhen – wenn sie auf Systeme treffen, die Übergrenzen-Gehen belohnen. Genauso gibt es aber Schutzfaktoren im Arbeitsumfeld wie eine gesunde Fehler-, Anerkennungs- und Pausenkultur, klare Erwartungen und gelebte Wertschätzung. Bei solch einem Nährboden können Menschen mit denselben persönlichen Tendenzen auch gut zurechtkommen. Es ist das Zusammenspiel von Person und System.

Und wenn das Unternehmen diese Schutzfaktoren (noch) nicht bietet – wie komme ich da raus?

Gute Nachricht: Wir sind nicht hilflos, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Eigenverantwortung kann heißen, klare Grenzen zu benennen und aufzuzeigen, Erholung aktiv einzuplanen, Unterstützung einzufordern – Urlaub, Pausen, Vertretung. Oft lässt sich im „eigenen Kreis der Einflussnahme“ überraschend viel gestalten. Wenn allerdings grundlegende gesundheitsförderliche Praktiken dauerhaft fehlen und nicht geduldet werden, braucht es Mut zur Konsequenz – bis hin zum Systemwechsel. Die langfristige persönliche Gesundheit sollte immer vorgehen.

Welche Unterstützung ist in kritischen Sandwich-Rollen besonders hilfreich?

Selbstreflexion und Ehrlichkeit auch sich selbst gegenüber wie auch Coaching, Supervision oder arbeitspsychologische Beratung – präventiv und anlassbezogen. Reflexion der Führungsrolle sowie der Führungskultur, der erlebten Belastungen oder auch herausfordernder Situationen im Team; Training in Gesprächsführung und Früherkennung psychischer Belastungen sowie Raum für Selbstmanagement: Erholung, Abgrenzung, Priorisierung. Unternehmen, die Budgets und niederschwellige Zugänge dafür schaffen, investieren direkt in die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Führungskräfte und damit auch in jene der Mitarbeiter:innen.

Wie können Organisationen Rahmenbedingungen schaffen, um Belastungen offen zu thematisieren?

Indem sie das Thema sichtbar machen: Sensibilisierungsvorträge, Workshops zu Stress- und Burnout-Prävention, praktische Pausen-Guidelines oder auch Rückzugsorte. Führungskräfte sollten Pausen vorleben – gemeinsam Mittagessen, auch mal den „Kaffeetratsch“ zulassen. Wichtig sind klare Regeln zur Erreichbarkeit, besonders im Homeoffice: Was wird erwartet – und was nicht? Transparenz verhindert Fantasien und beruhigt Druck. Ebenso zentral: soziale Verbundenheit stärken – Teamtreffen, Rituale, Formate, in denen man sich fragt „Wie geht’s dir wirklich?“. Dazu gehört die Fähigkeit, Veränderungen anzusprechen: „Ich habe bemerkt ... Wie geht es dir damit?“ Diese Gesprächskultur stärkt Vertrauen und senkt die Hürde, früh Hilfe zu holen.

Begleitet IBG Unternehmen dabei konkret?

Ja. Zum einen präventiv: Wir machen Burnout-Prävention greifbar, klären Rollen von Führung – was gehört dazu, was nicht – und stärken persönliches Selbst- und Stressmanagement. Zum anderen systemisch: mit regelmäßigen Erhebungen, etwa der Evaluierung psychischer Belastungen und – wenn gewünscht – einem Burnout-Monitoring-Modul. So machen wir Risiken sichtbar und priorisieren Maßnahmen. Anlassbezogen unterstützen wir mit arbeitspsychologischer Beratung, Coaching und Führungskräfte-Sparring – bis hin zur Fall- und Teamanalyse, wenn vermehrt Krankenstände oder Fluktuation auftreten.

Was ist Ihr wichtigster Rat an neue Führungskräfte?

Gesunde Führung beginnt bei mir. Wie das Herz den Körper versorgt, versorge ich als Führungskraft mein Team – aber das gelingt nur, wenn ich selbst gut versorgt und gestärkt bin. Kernpunkte: erstens Erholung. Regeneration ist kein Luxus, sondern Leistungsgrundlage – Pausen, Urlaub, bewusste Unerreichbarkeit. Zweitens Realismus und Klarheit: Ziele gemeinsam auf Machbarkeit prüfen, transparent kommunizieren – auch Ungewissheit oder Grenzen. Das baut Vertrauen und Teamresilienz auf. Drittens Erfolgserlebnisse sichtbar machen: Stärken und das, was gelingt, regelmäßig würdigen – im Team und für sich selbst. Viertens Erreichbarkeit steuern: klare Regeln leben und Erwartungen bzw. Nicht-Erwartungen aussprechen. Fünftens Soziales fördern: Verbindung ist ein Schutzfaktor – auch als Ritual. Viele Teams starten Meetings mit einer Runde: „Was ist mir/ uns die letzte Woche gut gelungen, was ist gut gelaufen?“ Das ändert den Fokus, stärkt, gibt Energie und macht Erfolge greifbar.

Also auch kleine, wiederkehrende Rituale?

Unbedingt. Rituale verankern Kultur. Eine Minute Positives zu Beginn, ein kurzer „Pulse-Check“ zur Belastung am Ende – das kostet wenig und wirkt stark. Zu viel reiner Pragmatismus lässt die Beziehungsebene verkümmern. Doch genau sie trägt uns durch herausfordernde Phasen.

IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH, gegründet 1995, ist mit über 200 Mitarbeiter:innen, davon 80 Arbeitsmediziner:innen, Österreichs größte Unternehmensberatung im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. IBG ist in ganz Österreich vertreten.

Mag.a Regina Nicham ist Leiterin der IBG-Arbeits- und Organisationspsychologie. Mit dem Schwerpunkt auf der Förderung einer gesunden Arbeitsumgebung unterstützt sie Unternehmen dabei, eine positive Mental-Health-Kultur zu schaffen.

Rückfragen & Kontakt

IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH
Renate Ruhaltinger-Mader
Telefon: +43 (676)38 49 022
E-Mail: presse@ibg.at
Website: https://www.ibg.at

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