• 16.10.2025, 19:43:33
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Nationalrat: Geschäftsordnungsausschuss macht Weg für Pilnacek-U-Ausschuss frei

Alle Beschlüsse einstimmig, Akten sollen bis 17. Dezember geliefert werden

Wien (PK) - 

Der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats hat heute grünes Licht für den von der FPÖ verlangten "Pilnacek-Untersuchungsausschuss" gegeben. Anders als beim sogenannten "ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss" brachten die Abgeordneten dieses Mal keine Einwände gegen den Untersuchungsgegenstand vor und fassten auf Basis eines Allparteienantrags einhellig den notwendigen Beweisbeschluss. Auch die weiteren Beschlüsse - etwa zur Zusammensetzung des Ausschusses und zur Bestellung der Verfahrensrichterin - erfolgten einstimmig. Damit kann der U-Ausschuss mit dem Tag der nächsten Nationalratssitzung starten. Gibt es keine Sondersitzung, wird das der 19. November sein. Einen gesonderten Beschluss des Nationalrats braucht es dafür nicht mehr, mit Start der Debatte im Nationalrat über den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses gilt der Untersuchungsausschuss automatisch als eingesetzt.

Eine Diskussion über das U-Ausschuss-Verlangen der FPÖ gab es heute nicht mehr. FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker bedankte sich bei den anderen Fraktionen, dass im Rahmen einer Vorbesprechung alle Fragen geklärt werden konnten und zeigte sich über die vorliegenden Allparteienanträge erfreut. Laut SPÖ-Abgeordnetem Kai Jan Krainer hat man sich auch auf den von der FPÖ vorgeschlagenen Arbeitsplan für den Untersuchungsausschuss geeinigt, über diesen wurde heute aber nicht abgestimmt.

FPÖ hinterfragt Ermittlungen

Mit dem Pilnacek-Untersuchungsausschuss will die FPÖ die Ermittlungen rund um den Tod des ehemaligen Spitzenbeamten im Justizministerium Christian Pilnacek sowie die Umstände seines Todes durchleuchten. Sie hegt den Verdacht, dass es bei den Ermittlungen zu unrechtmäßigen Handlungen gekommen ist. So ist im Verlangen unter anderem von einer unbefugten Entfernung und Zurückhaltung von Beweismitteln, einer Verfälschung von Ermittlungsergebnissen und einer gezielten strafrechtlichen Verfolgung von Journalisten, die an der Aufarbeitung der Vorgänge beteiligt waren, die Rede. Im Hintergrund könnten, so die Vermutung der Freiheitlichen, politische Akteure - etwa aus dem Innenministerium oder dem Bundeskanzleramt - Druck ausgeübt oder gar die Fäden gezogen haben. Zumal ihrer Meinung nach mögliche Zusammenhänge zwischen Pilnaceks Tod und dessen Kontakte zur ÖVP bei den Ermittlungen vernachlässigt worden seien. Insgesamt werden im Verlangen zwölf zu beleuchtende Aspekte angeführt.

Untersucht werden soll der Zeitraum vom 19. Oktober 2023 bis zum 4. September 2025. Das ist zum einen der Tag vor dem mutmaßlichen Suizids Pilnaceks, zum anderen der Tag, an dem die Zuständigkeit für die Ermittlungen im Todesfall Christian Pilnacek laut Verlangen von der Staatsanwaltschaft Krems an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt übertragen wurde.

17. Dezember als Frist für Aktenlieferungen

Zu den Stellen, die dem Untersuchungsausschuss Akten und Unterlagen vorzulegen haben, gehören neben sämtlichen Bundesministerien auch der Bundespräsident, der Nationalratspräsident, die Bundesdisziplinarbehörde, die Volksanwaltschaft und die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, wobei die Abgeordneten in Bezug auf letztere vor allem die Staatsanwaltschaft Krems, die Staatsanwaltschaft Eisenstadt, die Oberstaatsanwaltschaft Wien, das Landeskriminalamt Niederösterreich und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Fokus haben.

Die Einbeziehung von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz wird mit "engen Kontakten" seines Vorgängers Wolfgang Sobotka zu Pilnacek begründet. Möglicherweise gebe es im Büro des Präsidenten Aufzeichnungen in Verbindung mit dem Untersuchungsgegenstand, wird im grundsätzlichen Beweisbeschluss festgehalten. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kommt wegen seines regelmäßigen Austauschs mit Regierungsmitgliedern und der Ernennung hoher Beamt:innen ins Spiel. In Bezug auf die Volksanwaltschaft wird auf das amtswegige Prüfverfahren zur Polizeiarbeit rund um das Ableben von Christian Pilnacek verwiesen.

Was die Bundesministerien betrifft, werden im grundsätzlichen Beweisbeschluss insbesondere das Justizministerium und das Innenministerium hervorgehoben, wobei einzelne Akten und Unterlagen ausdrücklich angeführt werden. Dazu gehören etwa der Abschlussbericht der von Ex-Justizministerin Alma Zadić eingesetzten Untersuchungskommission, "mit allen Einvernahmeprotokollen und in ungeschwärzter Form", etwaige Weisungen des Justizministeriums, Akten und Unterlagen des Bundeskriminalamtes zur Auswertung der Smartwatch von Pilnacek sowie Fotos vom Auffindungsort und von der Obduktion Pilnaceks. Aber auch bei anderen Ministerien könnte es Unterlagen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand geben, wird festgehalten.

Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat laut grundsätzlichem Beweisbeschluss spätestens bis 17. Dezember 2025 zu erfolgen und zwar in elektronischer Form, versehen mit einem Inhaltsverzeichnis und wenn möglich geordnet nach den im Untersuchungsgegenstand genannten zwölf Aspekten. Vertrauliche und geheime Akten dürfen allerdings ausschließlich in Papierform vorgelegt werden.

Unter dem Begriff "Akten und Unterlagen" sind nicht nur Akten in formellem Sinn zu verstehen, sondern auch andere einschlägige Dokumente, Berichte und Korrespondenzen aller Art inklusive E-Mails, Terminkalender, Weisungen, Sprechzettel und Sitzungsprotokolle. Außerdem wird im Beweisbeschluss ausdrücklich auf die Rechtsprechung des VfGH verwiesen, wonach auch Akten und Unterlagen umfasst sind, die "abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten".

Christa Edwards wird Verfahrensrichterin, Andreas Joklik Verfahrensanwalt

Auch die weiteren Beschlüsse wurden vom Ausschuss einstimmig gefasst. Demnach werden dem Untersuchungsausschuss, abseits des Vorsitzenden, 13 Mitglieder angehören, wobei FPÖ und ÖVP je vier Abgeordnete, die SPÖ drei Abgeordnete sowie NEOS und Grüne je einen Mandatar bzw. eine Mandatarin nominieren können. Das gleiche gilt für die 13 Ersatzmitglieder.

Zur Verfahrensrichterin des Untersuchungsausschusses haben die Abgeordneten Christa Edwards, bis Juni Richterin am Oberlandesgericht Wien, gewählt. Sie hat bereits Erfahrung aus anderen Untersuchungsausschüssen und ist unter anderem für die Erstbefragung der Auskunftspersonen und die Vorbereitung des Abschlussberichts des U-Ausschusses zuständig. Bei Bedarf wird sie vom ehemaligen VwGH-Richter Wolfgang Köller vertreten. Über die Einhaltung der Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen werden die Rechtsanwälte Andreas Joklik als Verfahrensanwalt und Michael Kasper als sein Stellvertreter wachen.

Den Vorsitz im U-Ausschuss hat gemäß der Verfahrensordnung Nationalratspräsident Walter Rosenkranz inne, wobei er sich von den beiden anderen Nationalratspräsident:innen vertreten lassen kann. Sind alle drei Präsident:innen verhindert, führt ein zuvor bestimmter Abgeordneter bzw. eine zuvor bestimmte Abgeordnete als Stellvertreter:in den Vorsitz.

30. Untersuchungsausschuss in der Zweiten Republik

Beim Pilnacek-Untersuchungsausschuss handelt es sich um den 30. Untersuchungsausschuss in der Zweiten Republik, davon den siebenten, der aufgrund eines Minderheitsverlangens (Unterstützung durch 46 Abgeordnete) eingesetzt wird. Zuvor war der Versuch der FPÖ, einen "ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss" einzusetzen, gescheitert. In diesem U-Ausschuss wollte die FPÖ nicht nur die Ermittlungen rund um den Tod Pilnaceks unter die Lupe nehmen, sondern auch den behördlichen Umgang mit Corona-Demonstrationen und "regierungs- und maßnahmenkritischen Bürgern". Dieser Themenmix verstieß laut Geschäftsordnungsausschuss und Verfassungsgerichtshof allerdings gegen die gesetzlichen Vorgaben für einen U-Ausschuss. Nun will die FPÖ die beiden Themenkomplexe hintereinander untersuchen.

Die letzten Untersuchungsausschüsse waren der COFAG-Untersuchungsausschuss und der sogenannte "Rot-Blaue Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss". Sie beendeten ihre Arbeit wegen der bevorstehenden Nationalratswahl Anfang Juli 2024. Insgesamt hat es in der vergangenen Legislaturperiode vier Untersuchungsausschüsse gegeben.

Die Dauer von Untersuchungsausschüssen ist grundsätzlich auf 14 Monate begrenzt, im Bedarfsfall ist aber eine Verlängerung auf bis zu 20 Monate möglich. Eine mehr als dreimonatige Verlängerung benötigt allerdings einen Mehrheitsbeschluss. (Schluss) gs


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