• 16.10.2025, 19:01:33
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  • OTS0197

Europäischer Gesundheitsdatenraum: Nationalrat schafft Rechtsgrundlagen für EU-Rezept und EU-Patientenakte

Abgeordnete befürworten Fortsetzung des Projekts "Gesund aus der Krise"

Wien (PK) - 

Die rechtlichen und technischen Vorbereitungen für den Europäischen Gesundheitsdatenraum standen im Mittelpunkt eines Gesetzesbeschlusses, der heute mehrheitlich vom Nationalrat befürwortet wurde. Im Konkreten sollen durch Änderungen im Gesundheitstelematikgesetz und im ASVG die Rechtsgrundlagen für einen vereinfachten Zugang zu Arzneimitteln in der EU (EU-Rezept) sowie den Abruf von sogenannten Patientenkurzakten geschaffen werden. Umgesetzt werden soll dies unter anderem durch die Einrichtung einer nationalen Kontaktstelle für digitale Gesundheit sowie die Anbindung Österreichs an die bestehende unionsweite Infrastruktur MyHealth@EU.

Die Ankündigung von vergangener Woche, das Projekt "Gesund aus der Krise" weiterzuführen und für zwei Jahre finanziell abzusichern, befürworteten alle Fraktionen. Sie untermauerten dies mit einer einstimmigen Entschließung. Darin forderten sie die Bundesregierung unter anderem auf, sich langfristig für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen einzusetzen.

Rechtliche Basis für EU-Rezept und EU-Patientenakte

Mit einer von den Koalitionsparteien vorgeschlagenen Novellierung des Gesundheitstelematikgesetzes sollen die rechtlichen Voraussetzungen für die Teilnahme Österreichs am "Europäischen Raum für Gesundheitsdaten" (EHDS) geschaffen werden. Dabei geht es etwa um den vereinfachten Zugang zu Arzneimitteln in der EU (EU-Rezept) und den Abruf von Patientendaten (EU-Patientenkurzakte). Damit sollen grenzüberschreitende Gesundheitsbehandlungen erleichtert werden. Weiters ist geplant, eine nationale Kontaktstelle für digitale Gesundheit einzurichten. Österreich muss entsprechende EU-Vorgaben zwar erst bis März 2029 verpflichtend umsetzen, mit der technischen Anbindung an die unionsweite Infrastruktur "MyHealth@EU" soll aber bereits jetzt begonnen werden, um eine Kofinanzierung aus dem EU-Förderprogramm "EU4Health" zu ermöglichen, wie in den Erläuterungen festgehalten wird.

Mitbeschlossen wurde ein von den Koalitionsparteien eingebrachter Abänderungsantrag, durch den Tageszentren aus der Definition von "ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter" ausgenommen werden, da der überwiegende Teil ihrer Leistungen aus Betreuungstätigkeiten bestehe. Keine Mehrheit erhielt ein von der FPÖ eingebrachter Antrag auf Rückverweisung der Novelle an den Gesundheitsausschuss. Ebenso in der Minderheit blieb ein im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag der Grünen, der auf die unverzügliche Umsetzung der EU-Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union (NIS-2-Richtlinie) abzielt.

FPÖ warnt vor Datenweitergabe und fordert "Opt-out"-Möglichkeit

Die Novelle höre sich auf den ersten Blick "gar nicht so unvernünftig" an, erklärte Gerhard Kaniak (FPÖ) im Plenum, habe jedoch einen "Haken": Es gebe keine Opt-out-Möglichkeit für jene Bürger:innen, die nicht wollen, dass ihre Gesundheitsdaten an die EU weitergeleitet werden. Zudem sei das gesamte Gesundheitstelematikgesetz "nicht funktional" und müsse "neu aufgesetzt" werden, wie es auch das Regierungsprogramm vorsehe. Dafür sei auch genügend Zeit, da die betreffende EU-Richtlinie erst im Frühjahr 2029 umgesetzt werden müsse, begründete Kaniak den Rückverweisungsantrag seiner Fraktion. Stattdessen beschließe die Bundesregierung die Novelle im "Husch-Pfusch"-Modus um sich EU-Förderungen zu sichern.

Für 2,8 Mio. Ꞓ verkaufe die Bundesregierung die sensiblen Gesundheitsdaten der Österreicherinnen und Österreicher an die EU, ergänzte Peter Wurm (FPÖ). Dies öffne "Tür und Tor für die digitale Überwachung". Sowohl Wurm als auch Michael Schilchegger (FPÖ) erinnerten an die COVID-19-Maßnahmen, für die ähnliche Argumente, wie für die Novelle vorgebracht worden seien. Außerdem wolle die EU auch eine Sekundärnutzung der Gesundheitsdaten für Forschung und Innovation ermöglichen, woran vor allem die Pharmaindustrie und Versicherungen ein Interesse hätten, erklärte Schilchegger. Laut ihm und Christoph Steiner (FPÖ) müsse man bis 2029 noch in die Regelung hineinoptieren, danach seien jedoch weder eine "Opt-in"- noch eine "Opt-Out"-Möglichkeit vorgesehen. Steiner zitierte außerdem kritische Stellungnahmen des Justizministeriums, der Datenschutzbehörde, des Datenschutzrats und der Ärztekammer zur Novelle, die einfach "beiseitegeschoben" worden seien.

Königsberger-Ludwig und Koalition verweisen auf Vorteile grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung

Staatsekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig versicherte eingangs, dass fortschreitende Digitalisierungsmaßnahmen den persönlichen Kontakt im Gesundheitssystem keinesfalls ersetzen sollen. Es gehe in dieser Novelle um einen weiteren Schritt in Richtung einer "europäisch gedachten Gesundheitsversorgung", der die Patientenrechte, die Versorgungsqualität sowie die Behandlungskontinuität auch im Ausland sichern solle. Der FPÖ hielt sie entgegen, dass die Novelle eine "Opt-in-Möglichkeit" beinhalte und die Datenschutzgrundverordnung gewahrt bleibe. Es gebe auch "enorme Schutzbestimmungen" mit hohen Strafandrohungen gegen die missbräuchliche Verwendung von Gesundheitsdaten durch Pharmaunternehmen oder Versicherungen, so Königsberger-Ludwig.

Juliane Bogner-Strauß, Elisabeth Scheucher-Pichler (beide ÖVP), Rudolf Silvan und Michael Seemayer (beide SPÖ) hoben die Vorteile hervor, die die Novelle insbesondere im Rahmen von Auslandsaufenthalten biete. So spare etwa die Patientenkurzakte Zeit, was im Notfall Leben retten könne, wie Scheucher-Pichler ausführte. Mario Lindner (SPÖ) sprach auch Problembereiche im Gesundheitssystem an, wie die Geschwindigkeit der notärztlichen Versorgung in manchen Regionen. Fiona Fiedler (NEOS) zeigte sich empört darüber, dass die FPÖ die Menschen mit "Fake News" verunsichere und betonte, dass die Novelle sowohl das Gesundheitssystem als auch die Patientinnen und Patienten entlaste.

Grüne stimmen zu, aber pochen auf Datensicherheit

Im Gesundheitsausschuss hätten die Grünen die Novelle noch abgelehnt, da der gegenständliche Abänderungsantrag im Umfang von 53 Seiten erst am Vorabend der Sitzung eingelangt sei, was nicht genügend Zeit für eine Bewertung geboten hätte, erklärte Ralph Schallmeiner. Nun habe seine Fraktion die Novelle begutachtet und werde zustimmen. Das Thema Datenschutz verdiene dabei jedoch besondere Aufmerksamkeit, betonten Schallmeiner und Süleyman Zorba (Grüne). Digitale Gesundheit benötige Vertrauen, welches durch Datenschutz hergestellt werden könne, erklärte Zorba - gerade wenn es sich um grenzüberschreitende Maßnahmen handle. Dazu gehöre auch, dass etwa die vorgesehenen nationalen Kontaktstellen höchsten Sicherheitsstandards entsprechen müssten, plädierte Zorba für die schnelle Umsetzung der NIS-2-Richtlinie.

Fortsetzung des Projekts "Gesund aus der Krise"

Abgeordnete aller Fraktionen befürworteten heute die Fortsetzung des Projekts "Gesund aus der Krise". Sie untermauerten dies mit einer einstimmigen Entschließung. Darin forderten sie die Bundesregierung auf, das Projekt "Gesund aus der Krise" über das bisher vorgesehene Laufzeitende hinaus auch für 2025 und 2026 finanziell sicherzustellen. Außerdem soll sich die Bundesregierung langfristig für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Basis für diesen Beschluss war ein Entschließungsantrag der Grünen, der im Gesundheitsausschuss noch abgeändert wurde.

Kinder und Jugendliche seien in den letzten Jahren mit unglaublich vielen Krisen konfrontiert gewesen und es sei eine große gemeinsame Verantwortung, sie gut ins Erwachsenenleben zu begleiten, erklärte Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig. Das Projekt "Gesund aus der Krise" sei eine große Errungenschaft und deswegen sei es umso erfreulicher, dass die Fortführung für weitere zwei Jahre gelungen sei. Nun gelte es, in Richtung einer längerfristigen Finanzierung und Regelfinanzierung zu wirken. Insgesamt arbeite die Bundesregierung an der Optimierung der Versorgung wie im stationären Bereich, berichtete sie.

Durch die Corona-Zeit, die internationalen Konflikte und die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen seien die Sorgen und in der Folge die psychischen Erkrankungen von Kindern und jungen Menschen gestiegen, erklärte Gerhard Kaniak (FPÖ). Es gelte, ihnen bestmöglich und strukturiert zu helfen. Langfristig müsse das Projekt als Leistung des öffentlichen Gesundheitssystems finanziert werden, forderte er. Handlungsbedarf sah der Abgeordnete auch bei den Kapazitäten bei der stationären Versorgung.

Die "überbordenden Maßnahmen" der Lockdowns und Schulschließungen während Corona hätten Kinder und Jugendliche massiv krank gemacht, kritisierte Katayun Pracher-Hilander (FPÖ). So würde nun etwa die Hälfte der unter 21-Jährigen an depressiven Symptomen und 16 % an wiederkehrenden Suizidsymptomen leiden. Auch Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) berichtete von "fürchterlichen Schicksalen" durch die Maßnahmen während der Corona-Zeit und sprach von einem "kollektiven Trauma". Sie kritisierte, dass die Krise und die Spaltung der Gesellschaft durch die Regierung prolongiert werde.

Es werde heute offener über die psychische und mentale Gesundheit gesprochen, befürwortete Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Die Bundesregierung habe in den letzten Jahren viel für die professionelle Unterstützung von Kindern und Jugendlichen getan. Das Projekt stärke mit seiner präventiven Wirkung die Zukunft, zeigte sie sich überzeugt.

Die psychische Gesundheit sei genauso wichtig wie die physische, betonte Rudolf Silvan (SPÖ). 43.000 Kindern und Jugendlichen konnte bisher mit dem Projekt geholfen werden und mit der Absicherung für weitere zwei Jahre würden weitere 30.000 profitieren und gleichzeitig Arbeitsplätze abgesichert. Verena Nussbaum (SPÖ) hob ebenfalls die Leistungen des Projekts wie wohnortnahe Angebote hervor, die seit gestern 15. Oktober wieder zur Verfügung stünden.

Die psychische Gesundheit dürfe kein Luxus sein, sondern sei Grundlage für ein gutes Leben, sagte Fiona Fiedler (NEOS). Dabei werde Resilienz in herausfordernden und schwierigen Situationen gelernt. Die professionelle Betreuung durch Psychologen und Psychotherapeutinnen würde Kindern und Jugendlichen helfen, wenn diese nicht weiter wissen und Dinge nicht einordnen können, meinte auch Sophie Marie Wotschke (NEOS).

Das Projekt "Gesund aus der Krise" sei 2022 von der damaligen ÖVP-Grünen-Regierung eingeführt worden und sei ein "zentrales und erfolgreiches Leuchtturmprojekt" mit Vorbildwirkung für andere Länder, erklärte Ralph Schallmeiner (Grüne). Kritisch merkte der Abgeordnete an, dass mehr Tempo zur Fortführung des Projekts nach dessen Auslaufen im Juni wünschenswert gewesen wäre. (Fortsetzung Nationalrat) pst/wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar


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