- 16.10.2025, 14:57:03
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- OTS0166
Breite Mehrheit für einheitliche Trinkgeldpauschale im Nationalrat
Fraktionsübergreifende Zustimmung zu Kündigungsregeln und Kollektivverträgen für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer
Die Pauschale für die Sozialversicherungsbeiträge von Trinkgeld wird bundesweit einheitlich geregelt. Dafür hat heute der Nationalrat mit breiter Mehrheit grünes Licht gegeben. Je nach Branche, Art der Tätigkeit und Arbeitszeitausmaß können ab 2026 Pauschalbeträge festgelegt werden, die dann bundesweit als Obergrenze für Beitragsleistungen gelten.
Nur die FPÖ stimmte gegen eine einheitliche Pauschale. Sie will Trinkgeld zur Gänze abgabenfrei stellen. Laut den Koalitionsparteien hätte dies aber negative Auswirkungen auf etwaiges Kranken- und Arbeitslosengeld sowie auf die Pension. Sozialministerin Korinna Schumann sprach von einem "guten Kompromiss", der wichtig für die Ansprüche der Arbeitnehmer:innen sei.
Um freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer besser abzusichern, haben sich die Abgeordneten zudem einhellig für neue Regelungen ausgesprochen. So gelten künftig Kündigungsregeln und es wird ermöglicht, dass Kollektivverträge abgeschlossen werden können.
Einheitliche Trinkgeldpauschale
Trinkgeld ist in Österreich zwar steuerfrei, es sind aber Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Wird Trinkgeld in bar gewährt, ist das schwer zu überprüfen, durch die zunehmende Kartenzahlung hat sich die Situation aber geändert. Folge sind zum Teil hohe Nachforderungen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), die für einige Unruhe gesorgt haben. Dazu kommt, dass es zwar in einigen Bereichen Trinkgeldpauschalen gibt, diese aber regional unterschiedlich gestaltet sind und zum Teil seit Jahrzehnten nicht angepasst wurden.
Nun wird eine bundesweit einheitliche Regelung mit pauschalierten Obergrenzen für die Beitragsbemessung Rechtssicherheit geschaffen, wobei je nach Branche, Art der Tätigkeit und Arbeitszeitausmaß unterschiedliche monatliche Pauschalbeträge in Aussicht genommen sind. So haben sich die Sozialpartner im Bereich des Hotel- und Gastgewerbes laut Erläuterungen bereits auf ein Stufenmodell geeinigt, das etwa für Mitarbeiter:innen mit Inkasso eine monatliche Trinkgeldpauschale von 65 Ꞓ für 2026, 85 Ꞓ für 2027 und 100 Ꞓ für 2028 vorsieht. Dabei handelt es sich um Obergrenzen; wer regelmäßig weniger Trinkgeld bekommt, muss die Pauschale nicht in Anspruch nehmen. Endgültig festgelegt werden die jeweiligen Pauschalen allerdings - wie schon bisher - erst von der Sozialversicherung. Für Nachforderungen sieht das Gesetz eine Verjährung vor, sofern bis Ende September nächsten Jahres für die betreffende Branche eine neue Pauschale festgesetzt wurde. Neu ist darüber hinaus eine grundsätzliche Auskunftspflicht des Dienstgebers bzw. der Dienstgeberin über bargeldlos gegebene Trinkgelder gegenüber den Mitarbeiter:innen.
Schumann: Trinkgeld bleibt auch weiterhin steuerfrei
Sozialministerin Korinna Schumann sprach von einem "guten Kompromiss" und einer "soliden und ordentlichen Lösung". Mit einer bundesweit einheitlichen Regelung habe man sichergestellt, dass Trinkgeld weiterhin steuerfrei bleibe. Die mit der Pauschale nach oben gedeckelten Sozialversicherungsabgaben seien wichtig für die Ansprüche der Arbeitnehmer:innen. Zudem habe man Transparenz über die bargeldlosen Trinkgeldeinnahmen geschaffen, so die Bundesministerin.
Für Tourismusstaatssekretärin Elisabeth Zehetner schafft die neue Trinkgeldregelung faire Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer:innen und die Betriebe. So gebe es etwa künftig mehr Wertschätzung für die Mitarbeiter:innen und mehr Planbarkeit sowie keine Nachzahlungen und rückwirkende Prüfungen für Unternehmen. Das Trinkgeld komme auch "weiterhin dort an, wo es hingehört, nämlich bei den fleißigen und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Tourismus", so Zehetner.
FPÖ: Massive Belastung für Kellnerinnen und Kellner
Mit der vorgelegten Lösung komme es zu mehr Abgaben und Steuern für Kellnerinnen und Kellner, es handle sich um eine "massive Belastung" für diese Berufsgruppe, kritisierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Laut der FPÖ-Mandatarin wäre die Bundesregierung besser beraten gewesen, bei einer Falschanmeldung die Strafen für Betriebe zu erhöhen. Denn viele Kellner:innen seien "nicht Vollzeit angemeldet", obwohl sie dieses Pensum arbeiten würden. Für Peter Wurm (FPÖ) ist Trinkgeld ein Geschenk, das weder besteuert noch mit Sozialabgaben belastet werden soll. Die Bundesregierung bestrafe Leistungsträgerinnen und Leistungsträger und schaffe ein "Bürokratiemonster", so Wurm.
Im Gegensatz zur Bundesregierung, die in die "Kellnergeldtaschen" greife, stehe die FPÖ für die "hundertprozentige Steuer- und Abgabenfreiheit von Trinkgeld", betonte Christoph Steiner (FPÖ). Der FPÖ-Abgeordnete untermauerte dies mit einem in der Debatte eingebrachten Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung keine Mehrheit fand. Für die Betroffenen mache es keinen Unterschied, ob es Pauschale oder Steuer heiße.
SPÖ: Gutes Ergebnis für alle Beteiligten
Josef Muchitsch (SPÖ) verteidigte die nun gefundene Lösung, die ein "gutes Ergebnis für alle Beteiligten" darstelle. Trinkgeld bleibe weiterhin steuerfrei. Wichtig für den Rechtsanspruch bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und der Pension sei aber die Sozialversicherungspflicht. Die FPÖ habe in den Jahren ihrer Regierungsverantwortung in diesem Bereich hingegen keine Maßnahmen gesetzt.
Dem schloss sich Michael Seemayer (SPÖ) an. Der "wahre Pensionsraub" sei, wenn die Trinkgelder nicht in die Sozialversicherungsleistung miteinbezogen würden. Die Pauschalen würden bis 2028 jährlich steigen, ab 2029 komme es zu einer Valorisierung.
ÖVP: Meilenstein für Rechts- und Planungssicherheit der Betriebe
Kurt Egger (ÖVP) sprach von einem "echten Meilenstein", der Rechts- und Planungssicherheit für die Betriebe und soziale Absicherung für Arbeitnehmer:innen biete. Trinkgeld bleibe weiter steuerfrei und ein "Leistungsanreiz für die Fleißigen".
Die FPÖ verschweige, dass es bereits eine Trinkgeldpauschale ohne Deckel nach oben und mit unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer gegeben habe, hielt Tanja Graf (ÖVP) fest. Ohne eine Neuregelung würden manche Betriebe hohe Nachzahlungen leisten müssen, was auch nicht im Sinne des Personals sei.
NEOS: Guter Kompromiss für Rechtssicherheit, Entbürokratisierung und Vereinfachung
Dominik Oberhofer (NEOS) betonte ebenso, dass Trinkgeld weiterhin steuerfrei bleibe, was im internationalen Vergleich selten sei. Mit dem heutigen Beschluss habe man aus insgesamt 36 Regelungen eine einheitliche Lösung für alle Mitarbeiter:innen in Österreich geschaffen. Zudem schaffe man mehr Transparenz, da nun die Höhe des Trinkgelds am Lohnzettel stehe.
Einen guten Kompromiss zeichne aus, dass die gefundene Lösung für alle Beteiligten besser als die bisherige Regelung sei, erklärte Michael Bernhard (NEOS). Dies sei hier der Fall. Es gehe um Rechtssicherheit, Entbürokratisierung und Vereinfachung. In Bezug auf die FPÖ-Kritik forderte Bernhard "konkrete Vorschläge zur Absicherung der sozialen Lücke" durch die Freiheitlichen.
Grüne begrüßen bundesweit einheitliche Regelung
Elisabeth Götze (Grüne) zeigte sich über das Schaffen von Rechtssicherheit für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen und über eine bundesweit einheitliche Regelung erfreut. Trinkgeld bleibe steuerfrei, die Beiträge zur Sozialversicherung hätten jedoch "absolut Berechtigung", so die Grünen-Abgeordnete.
Neue Regeln für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer
Eine von der Sozialministerin vorgelegte und einstimmig angenommene Regierungsvorlage zielt auf eine bessere Absicherung freier Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer ab. Dabei geht es zum einen um die Festlegung von Kündigungsregeln, zum anderen um die Möglichkeit, auch für freie Dienstnehmer:innen Kollektivverträge abzuschließen. Zudem sind freie Dienstnehmer:innen über die für sie geltenden Normen wie etwa einen Mindestlohntarif zu informieren. Die Regierung hofft, dass durch die neuen Mindeststandards die Umgehung arbeitsrechtlicher Bestimmungen durch Abschluss freier Dienstverträge weniger attraktiv wird. Die Regelungen sollen ab 1. Jänner 2026 gelten. Konkret sieht der Beschluss eine Kündigungsfrist von mindestens vier Wochen für freie Dienstnehmer:innen vor. Nach zwei Dienstjahren erhöht sich diese auf sechs Wochen. Das erste Monat gilt als Probemonat. Eine Kündigung ist bis zum 15. oder Letzten eines Monats möglich.
Für Sozialministerin Korinna Schumann handelt es sich um eine "gute Regelung im Interesse der Arbeitnehmer:innen". Freie Dienstnehmer:innen hätten nun etwa die Möglichkeit, in Kollektivverträge aufgenommen zu werden oder eigene abzuschließen.
Das sah Barbara Teiber (SPÖ) ähnlich. Es gebe nun "endlich" Kündigungsfristen und -termine für freie Dienstnehmer:innen. Deren sukzessive Absicherung sei "enorm wichtig". "Wer in diesem Land arbeitet, hat Anspruch auf Fairness, Sicherheit und Respekt", betonte Bernhard Höfler (SPÖ). Das gelte ab 2026 auch für freie Dienstnehmer:innen. Da das "Phänomen der freien Dienstverträge" immer mehr Fuß in Österreich fasse, sei der heutige Beschluss ein "richtiger Schritt für mehr Sicherheit", unterstrich Paul Stich (SPÖ).
Michael Hammer (ÖVP) zeigte sich über "klare Rahmenbedingungen sowie Fairness und Schutz" für freie Dienstnehmer:innen erfreut. Die Einführung von Kündigungsfristen, einem Probemonat sowie das Heranführen an kollektivvertragliche Regelungen sei begrüßenswert.
Dagmar Belakowitsch (FPÖ) signalisierte ebenfalls Zustimmung seitens ihrer Fraktion. Freie Dienstnehmer:innen hätten aber auch mit dieser Reform künftig keine soziale Absicherung. Die FPÖ-Abgeordnete plädierte dafür, das Modell des freien Dienstvertrags "komplett abzuschaffen". Dem schloss sich Andrea Michaela Schartel (FPÖ) an, die zwar den weiteren Schutz freier Dienstnehmer:innen grundsätzlich begrüßte, jedoch keine wesentlichen Verbesserungen erkennen konnte.
Der freie Dienstvertrag sei für die immer vielfältiger, digitaler sowie flexibler werdende Arbeitswelt wichtig, hielt Johannes Gasser (NEOS) fest. Man wolle freie Dienstverträge nicht abschaffen, sondern absichern. Die Vielfalt der Arbeitsmodelle sei eine Stärke des heimischen Arbeitsmarkts, so Gasser.
Obwohl eine gesetzliche Normalisierung und Aufwertung freier Dienstverträge problematisch sei, sei ein Ausbau der Rechte zu begrüßen, argumentierte Grünen-Mandatar Markus Koza die Zustimmung seiner Fraktion. In einem von Koza in der Debatte eingebrachten Abänderungsantrag sprechen sich die Grünen zudem dafür aus, dass freie Dienstnehmer:innen in die Interessenvertretungsorgane der Arbeitnehmer:innen auf Betriebsebene, in den Betriebsrat, miteinbezogen werden. Damit würden diese die Möglichkeit bekommen, sich an der betrieblichen Interessensvertretung zu beteiligen, an Betriebsratswahlen teilzunehmen und auch selbst zu kandidieren, heißt es im mehrheitlich abgelehnten Antrag. (Fortsetzung Nationalrat) med
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