- 16.10.2025, 11:49:03
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Welternährungstag 2025: Zukunft der Lebensmittelrettung - Versorgung Armutsbetroffener oder schleichende Kommerzialisierung?
"Lebensmittel retten" liegt voll im Trend. Doch die Versorgung armutsbetroffener Menschen wird für vertrauenswürdige Sozialorganisationen zunehmend schwieriger.
Noch vor zehn Jahren gab es mehr als genug Warenspenden, die von Sozialorganisationen gerettet und zur Versorgung Armutsbetroffener weiterverteilt werden konnten. Heute stehen diese Organisationen vor einer schwierigen Situation: Durch neue Vertriebswege, Abgabeformen und Produktlinien sind die verfügbaren Warenspenden (vor allem aus dem Handel) immer weniger geworden. Zusätzlich verschärfen neue, oftmals kommerzielle Akteure, die für zunehmend Konkurrenz um die Warenspenden sorgen, die Lage.
Die ökologische Perspektive ist für Andrea Schnattinger, Präsidentin des Ökosozialen Forums Wien, klar - aber eben nur eine Seite der Medaille: "Je weniger Lebensmittel im Müll landen, desto besser. Doch auch die soziale Dimension von Lebensmittelrettung darf nicht übersehen werden
", betont Schnattinger und ergänzt: “Die Versorgung armutsbetroffener Menschen mit Lebensmitteln - und zwar mit einem ausgewogenen Mix an Lebensmitteln - ist eine sehr wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Diese Aufgabe wird für Sozialorganisationen leider zunehmend schwieriger.
”
„Wir und viele unserer Partnerorganisationen spüren einen seit Jahren zunehmenden Druck in der Akquise von Warenspenden. Mittlerweile müssen wir von einer echten Knappheit sprechen
”, so Alexandra Gruber, Geschäftsführerin Die Tafel Österreich. Ihre Organisation widmet sich seit über 25 Jahren dem Sozialen Transfer – also der Versorgung armutsbetroffener Menschen mit Lebensmittelspenden. Der Begriff “Lebensmittelrettung” kommt von dort und war über lange Zeit dem Sozialen Transfer vorbehalten, erklärt sie. Mittlerweile sei er aber so populär geworden, dass er für alles Mögliche verwendet werde – von Abverkaufsware bis zu neuen Produktlinien. Diese Entwicklungen sind nicht grundsätzlich problematisch, so Gruber, ergänzt aber: „Wir kämpfen für den Sozialen Transfer. Wo die Warenspenden dafür knapp werden, Geld dafür verlangt wird oder konkurrenzorientierte Akteure anerkannten Sozialorganisationen die Lebensmittel abwerben, da steht das Feld des Sozialen Transfers an der Schwelle zu einer wirklich bedrohlichen Situation.
”
Auch Oliver Löhlein, Geschäftsführer des Samariterbundes Wien und ÖSF Wien Vizepräsident, bestätigt: „Es fällt uns immer schwerer, Lebensmittelspenden – speziell Obst und Gemüse sowie Frischlebensmittel wie Joghurt oder Milch – aufzutreiben, um damit unsere Kund:innen in den Sozialmärkten ausreichend zu versorgen. Aber auch die Regale für Grundnahrungsmittel wie Öl, Reis oder Mehl bleiben mittlerweile leider immer öfter leer
", berichtet Löhlein und ergänzt: „Die Knappheit bei Warenspenden hat sich in den letzten Jahren zunehmend zugespitzt. Daher setzen wir uns für Rahmenbedingungen ein, die für vertrauenswürdige Sozialorganisationen die Voraussetzungen schaffen, um ihren Auftrag in der Bekämpfung von Ernährungsarmut auch in Zukunft zu erfüllen.
” Das Feld sei seit Jahrzehnten sozial und auf Kooperation ausgerichtet, um Armutsbetroffene zu versorgen, so Löhlein.
“Die Bemühungen anerkannter Sozialorganisationen um Lebensmittel für die Versorgung armutsbetroffener Menschen reichen mittlerweile weit über die Akquise von Warenspenden hinaus
”, weiß René Hartinger, Geschäftsführer des Ökosozialen Forums Wien. Darunter fallen nicht nur die mittlerweile gut bekannten “Sammeltage”. Der Samariterbund Wien hat vergangenes Jahr sogar ein eigenes Urban Farming Projekt gestartet, um selbst Obst zu ernten und eigenes Gemüse zu produzieren, mit dem die Sozialmärkte und Sozialeinrichtungen versorgt werden können. Partnerorganisationen wie Die Tafel Österreich sorgen beispielsweise mit Obsternteaktionen im Wienerwald für zusätzliche Vitamine in den Lieferkisten. Nichstdestotrotz sind und bleiben die Organisationen des Sozialen Transfers aber auf Lebensmittelspenden angewiesen, um ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen zu können, so Hartinger. Die Knappheit bei Warenspenden werde auch durch die Ellenbogentechnik einzelner Akteure, die den etablierten, vertrauenswürdigen Sozialorganisationen die Warenspenden abzuwerben versuchen, verschärft. "Leider sind diese Probleme bislang noch weitgehend unbekannt - sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Stakeholdern in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Noch wird nahezu Alles, was als ”Lebensmittelrettung" bezeichnet wird, fast automatisch positiv wahrgenommen. Hier braucht es mehr Sensibilität, eine differenziertere Wahrnehmung sowie Rahmenbedingungen, die das Feld des Sozialen Transfers für die Zukunft sichern und gegen schleichende Kommerzialisierung und unfaire Wettbewerber schützen
", so Hartinger abschließend.
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