- 15.10.2025, 22:53:02
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- OTS0203
Nationalrat: Ukraine-Vertriebene erhalten weiterhin Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld
Zugang wird allerdings erschwert und vorerst bis Ende Juni 2026 befristet
Vertriebene aus der Ukraine werden in Österreich über den Oktober hinaus Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld erhalten. Allerdings nur, wenn sie eine Erwerbstätigkeit ausüben oder zumindest beim AMS vorgemerkt sind. ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne haben in der heutigen Nationalratssitzung einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Damit wird der Anspruch auf die erwähnten Familienleistungen bis Ende Juni 2026 verlängert. Durch die Meldung beim AMS wollen die Koalitionsparteien die Aufnahme bzw. Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit fördern. Bestimmte Gruppen wie Personen über 65 Jahre oder Personen, die erheblich behinderte Kinder betreuen müssen, sind allerdings von der Einschränkung ausgenommen. Gegen den Koalitionsantrag stimmte - wie schon bei der letzten Verlängerung - die FPÖ: Sie argumentiert, dass österreichische Familien Vorrang haben müssten.
Keine Mehrheit erhielt ein Abänderungsantrag der Grünen. Abgeordnete Barbara Neßler hatte dafür plädiert, auch Personen, die in einem anderen EU-Land arbeiten, und Studierende ausdrücklich von der Meldepflicht beim AMS auszunehmen. Es gebe ohnehin die Möglichkeit, individuelle Situationen zu berücksichtigen, hielten die Abgeordneten Norbert Sieber (ÖVP) und Bernhard Herzog (SPÖ) dazu fest. Auch mit der Forderung, ukrainische Kriegsvertriebene wieder in die Krankenversicherung aufzunehmen, konnten sich die Grünen nicht durchsetzen. In der Minderheit blieb weiters ein Entschließungsantrag der FPÖ: Ricarda Berger und ihre Parteikolleg:innen drängten basierend auf einem Bericht der Volksanwaltschaft darauf, die Verfahren zur Gewährung von Kinderbetreuungsgeld zu vereinfachen und bürokratische Hürden abzubauen.
Einig sind sich die Fraktionen, was sie notwendige Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe betrifft: In Reaktion auf die schweren Vorwürfe gegen mehrere SOS-Kinderdörfer wurde eine diesbezügliche Entschließung gefasst.
ÖVP will mehr Ukraine-Flüchtlinge in Beschäftigung bringen
Im Rahmen der Debatte hielt Norbert Sieber (ÖVP) fest, dass noch nicht so viele Ukraine-Flüchtlinge am Arbeitsmarkt seien, wie sich die ÖVP das wünschen würde. Auch seien einzelne Missbrauchsfälle bekannt geworden. In diesem Sinn begrüßte er die nunmehr vorgesehene Meldepflicht beim AMS.
Von der grundsätzlichen Unterstützung der vertriebenen Ukrainer:innen wolle man aber nicht abrücken, versicherten neben Sieber auch Daniela Gmeinbauer (ÖVP), Bernhard Herzog (SPÖ) und Gertraud Auinger-Oberzaucher (NEOS). Man dürfe nicht vergessen, dass diese deshalb in Österreich seien, weil Russland die Ukraine angegriffen habe und dort Krieg herrsche, hoben sie hervor. Die zentrale Frage sei, ob man ukrainischen Kindern ein behütetes Aufwachsen ermöglichen wolle oder nicht, sagte Gmeinbauer in Richtung FPÖ. Die Familienbeihilfe sei "kein Luxus", wie von der FPÖ dargestellt, sondern trage in vielen Fällen dazu dabei, den Lebensunterhalt zu sichern. Viele ukrainische Familien würden am Existenzminimum leben. Klar ist für Gmeinbauer aber auch, dass, wer Unterstützung erhalte, sich in Österreich einbringen solle. NEOS-Abgeordnete Auinger-Oberzaucher hielt fest, viele Ukrainer:innen würden, "anders als die FPÖ behauptet", bereits in Österreich arbeiten und damit auch in den Familienlastenausgleichsfonds einzahlen.
FPÖ: Österreichische Familien müssen "zuerst" kommen
Kritik an der weiteren Gewährung von Familienleistngen an Ukraine-Vertriebene übten die FPÖ-Abgeordneten Ricarda Berger, Rosa Ecker und Maximilian Weinzierl. Rund 12.000 ukrainische Eltern würden - zusätzlich zur Grundversorgung - Familienbeihilfe für 18.000 Kinder beziehen, während viele Österreicher:innen "jeden Cent umdrehen" müssten, sagte Berger. Das koste dem Steuerzahler monatlich 3 Mio. Ꞓ. Gleichzeitig sehe man auf den österreichischen Straßen immer wieder Luxusautos mit ukrainischem Kennzeichen. Darauf wies auch ihr Parteikollege Weinzierl hin. Zudem würden ukrainische Flüchtlinge immer wieder in ihrer Heimat "Urlaub machen", erklärte er. Für Berger stellt sich die Frage, "ob man solche Leute mit österreichischem Steuergeld finanzieren muss". Österreichische Familien müssten "zuerst kommen", meinte FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker und wies darauf hin, dass eine Familie mit zwei Kindern 800 Ꞓ verliere, weil die Valorisierung der Familienbeihilfe für zwei Jahre ausgesetzt sei.
Die FPÖ nutzte die Debatte außerdem dazu, um in Form eines Entschließungsantrags den Abbau von Hürden bei der Beantragung von Kinderbetreuungsgeld und raschere Verfahren zu fordern. Eltern müssten zahlreiche Formalvorgaben und Fristen einhalten, um sich ihre Ansprüche zu sichern, kritisieren Rosa Ecker und Ricarda Berger. Zudem komme es immer wieder zu verzögerten Bearbeitungen und fehlerhaften Anträgen, wie auch Erfahrungen der Arbeiterkammer und der Volksanwaltschaft zeigten. Besonders belastend seien Rückforderungen, die allein aufgrund formaler Fehler schlagend würden.
Der Antrag fand bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit. Christian Oxonitsch (SPÖ) zeigte sich zwar darüber erfreut, dass die FPÖ ein altes Anliegen der SPÖ aufgegriffen habe, ihm zufolge steht das Vorhaben allerdings ohnehin im Regierungsprogramm. Zur vorliegenden Gesetzesnovelle merkte Oxonitsch an, er hätte sich eine weniger bürokratische Regelung gewünscht, diese sei aber das Ergebnis eines Kompromisses.
Grüne begrüßen Verlängerung der Familienbeihilfe
Weitgehend positiv bewertete Barbara Neßler (Grüne) die vorliegende Gesetzesnovelle. Auch mit der Auflage, dass sich Betroffene künftig beim AMS melden müssten, habe sie grundsätzlich kein Problem, sagte sie. Neßler hätte sich aber mehr explizite Ausnahmen, etwa für Studierende, gewünscht. Unverständlich ist für sie außerdem, warum die Daten von Ukraine-Vertriebenen künftig ans Finanzministerium gemeldet werden müssen, hier werde "ein zusätzliches Bürokratiemonster" geschaffen.
Der von Neßler eingebrachte Abänderungsantrag blieb bei der Abstimmung aber ebenso in der Minderheit wie ein Entschließungsantrag der Grünen zur Wiederaufnahme der ukrainischen Kriegsvertriebenen in die Krankenversicherung. Es brauche zumindest eine Härtefallregelung, monierte Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. Derzeit müssten ukrainische Pensionist:innen, die vielleicht eine Pension von 200 Ꞓ oder 300 Ꞓ im Monat bekommen und deshalb keinen Anspruch auf Grundversorgung haben, auch noch 74 Ꞓ für die Krankenversicherung zahlen.
Plakolm: Ukraine-Vertriebene erhalten weiter Schutz in Österreich
Familienministerin Claudia Plakolm betonte, dass ukrainische Flüchtlinge von Beginn an Schutz in Österreich erhalten hätten. Das werde auch in Zukunft so sein, bekräftigte sie. Gleichzeitig sei klar, dass Österreich sparen und Leistungen treffsicher gestalten müsse. Wer in Österreich lebe und hier arbeiten könne und dürfe, solle das auch tun, sagte sie. "Zu hohe Leistungen" dürften dem nicht im Weg stehen. Es gelte, einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.
SOS-Kinderdörfer: Nationalrat für "lückenlose Aufklärung"
Was die schweren Vorwürfe gegen mehrere SOS-Kinderdörfer betrifft, ersucht der Nationalrat Justizministerin Anna Sporrer, "die lückenlose Aufklärung der Vorfälle bestmöglich zu unterstützen". Zudem soll Familienministerin Claudia Plakolm zeitnah einen "Runden Tisch" einberufen, um gemeinsam mit den Vertreter:innen der Länder und Expert:innen über Verbesserungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zu beraten. Es brauche eine bundeseinheitliche Weiterentwicklung der Qualitätsstandards inklusive klar ausgewiesener Beschwerdewege, die auch anonym in Anspruch genommen werden können, sind sich die Abgeordneten einig. Auch um sogenannte "Care Leaver", also betreute Jugendliche im Übergang zum Erwachsenenalter, und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sowie um die vielfach knappen personellen und finanziellen Ressourcen soll es beim Runden Tisch gehen. Für die Gesetzgebung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sind seit einigen Jahren zwar ausschließlich die Länder zuständig, über eine Bund-Länder-Vereinbarung ist der Bund aber weiterhin eingebunden.
Breite Kritik am Wegschauen
Angestoßen worden war die Entschließung von den Grünen, deren eigener Antrag allerdings keine Mehrheit fand. Kinder seien im SOS-Kinderdorf Moosburg eingesperrt und erniedrigt worden, einigen sei Wasser vorenthalten worden, schilderte Barbara Neßler exemplarisch. Und das an einem Ort, an dem Kinder eigentlich Geborgenheit und Sicherheit bekommen hätten sollen. Besonders betroffen mache sie, dass sich die Vorfälle über 12 Jahre hinweg erstreckt hätten und viele davon gewusst haben. Neßler ortet in diesem Sinn "einen doppelten Verrat" an den Kindern: Einmal von den Tätern und zum anderen von denen, die weggeschaut hätten.
Ähnlich äußerten sich auch Vertreter:innen der anderen Fraktionen. Die Täter müssten "mit der vollen Härte des Gesetzes" bestraft werden, aber auch die "Mitwisser und Vertuscher" hätten sich ihrer Verantwortung zu stellen, unterstrich etwa FPÖ-Abgeordnete Rosa Ecker. Ihrer Meinung nach ist es ein "Skandal", dass so viele "geschwiegen haben". Ihre Fraktionskollegin Tina Angela Berger (FPÖ) sieht in diesem Zusammenhang auch Versäumnisse der Kärntner Landesregierung. Nun dürften die Opfer nicht allein gelassen, sondern müssten unterstützt werden, mahnte Ricarda Berger (FPÖ).
NEOS drängen auf bundesweite Qualitätsvorgaben für Kinder- und Jugendhilfe
Um die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe zu verbessern, braucht es NEOS-Abgeordneter Gertraud Auinger-Oberzaucher zufolge bundesweite Qualitätsvorgaben. Nach Meinung von Grün-Abgeordneter Neßler ist die "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe "ein Fehler gewesen". Es gebe große Lücken im Kinderschutz. Die Kinder- und Jugendhilfe sei "am Limit". Auch ÖVP-Abgeordnete Margreth Falkner wies auf die knappen personellen und finanziellen Ressourcen in diesem Bereich hin.
Neßler und Falkner wollten das aber nicht als Kritik an den Mitarbeiter:innen der Kinder- und Jugendhilfe verstanden wissen. Dort werde viel engagierte Arbeit geleistet, sind sie sich einig. Man müsse die Vorwürfe gegen die SOS-Kinderdörfer aber ernst nehmen, mahnte Falkner. Kinder in Österreich müssten vor Missbrauch und Gewalt geschützt werden.
Paul Stich (SPÖ) gab zu bedenken, dass die Missbrauchsfälle in den SOS-Kinderdörfern in die Zeit vor der Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe zurückreichten. Die Verländerung alleine könne daher nicht das Problem sein. Es gelte aber jedenfalls, Möglichkeiten der Vertuschung zu unterbinden. Jedes Kind habe ein Anrecht auf Aufwachsen in Sicherheit. Es müsse Schluss sein "mit geschlossenen Systemen", Gewaltschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sekundierte Silvia Kumpan-Takacs (SPÖ).
Familienministerin Plakolm ortet "schweres Versagen"
Ein "schweres Versagen" ortet Familienministerin Claudia Plakolm. Dieses dürfe sich nicht wiederholen, betonte sie. Es brauche personelle und organisatorische Konsequenzen, "und wenn nötig auch strafrechtliche". Man müsse verloren gegangenes Vertrauen wieder herstellen. Zur Kompetenzfrage merkte Plakolm an, nur weil etwas in die Zuständigkeit der Bundesländer falle, heiße das nicht, dass es schlechter geregelt sei. Sie hält es aber für notwendig, auf Bundesebene "ein klares Zeichen zu setzen". Ausdrücklich hob sie in diesem Zusammenhang auch die in den vergangenen Jahren in Sachen Kinderschutz gesetzten Maßnahmen wie ein eigenes Kinderschutz-Gütesiegel für Vereine und Organisationen, die Erstellung von Leitfäden und die österreichweite Kinderschutzkampagne hervor. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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