• 15.10.2025, 20:50:03
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  • OTS0201

Nationalrat beschließt mehr Mitbestimmung im Erwachsenenschutz

Zustimmung auch zu EU-Anpassungen im Vergaberecht und bei Zusammenarbeit von Strafrechtsbehörden

Wien (PK) - 

Personen, die nicht mehr voll handlungsfähig sind und eine gerichtliche Erwachsenenvertretung haben (ehemals "Sachwalterschaft") sollen künftig ein Antragsrecht sowie deren Betreuungsumfeld eine Anregungsmöglichkeit erhalten, diese Erwachsenenvertretung zu erneuern. Der Nationalrat sprach sich heute mehrheitlich für das "Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz 2025" aus, durch das die betroffene Person, ihre Vertretung oder Betreuende ein "Clearing" anstoßen können, um die aktuelle Lebenssituation zu überprüfen.

Einstimmigkeit erzielte ein Antrag der Dreierkoalition mit EU-Anpassungen bei Vergabeverfahren in grenzüberschreitenden Verkehrsnetzen. Diese dienen der Umsetzung einer EU-Richtlinie zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Abwendung eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich.

Mehrheitliche Zustimmung fand zudem eine neuerlich als Initiativantrag von ÖVP, SPÖ und NEOS eingebrachte Vorlage zur EU-weiten Zusammenarbeit von Strafrechtsbehörden.

Als einzige Rednerin meldete sich zu diesem Tagesordnungspunkt Stephanie Krisper (NEOS) zu Wort und nutze die Gelegenheit, um in ihrer letzten Rede im Plenum vom parlamentarischen Betrieb Abschied zu nehmen. Dabei blickte sie zurück auf ihre Tätigkeiten in den verschiedensten Bereichen von der inneren Sicherheit über die Außenpolitik bis zu mehreren Untersuchungsausschüssen. Krisper dankte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und betonte die Bedeutung der Wahrung der Verfassung sowie eines "starken und selbstbewussten" Parlaments.

Anpassungen im Erwachsenenschutzrecht

Der Gesetzesänderung war vorausgegangen, dass zu den letzten Änderungen im Erwachsenenschutz mit dem Budgetbegleitgesetz 2025 darauf hingewiesen worden war, dass ein etwaiges Rechtsschutzdefizit entstehen könne. Die künftige Antragsmöglichkeit zur Erneuerung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung soll zusätzlich zur Möglichkeit des Gerichts, im Verfahren einen Sozialbericht über die betroffene Person einzuholen, eingeführt werden. Zudem soll die Verpflichtung von Rechtsanwält:innen und Notar:innen, gerichtliche Erwachsenenvertretungen zu übernehmen, nur mehr übergangsweise zur Bewältigung der derzeitigen Notlage gelten - die "Sunset Clause" sieht als Frist den 1. Juli 2028 vor. Davor werde es laut Antrag außerdem einer umfassenden Neubewertung des Erwachsenenschutzrechts bedürfen, um weitere Notlagen wie die gegenwärtige zu vermeiden.

Ein dazu eingebrachter gesamtändernder Abänderungsantrag der Grünen fand keine Mehrheit. Darin bemängeln sie, dass durch die Novelle lediglich Teile der durch das Budgetbegleitgesetz bewirkten "Verschlechterungen" zurückgenommen würden. Die Verlängerung der gesetzlichen Überprüfungsfrist von drei auf fünf Jahre und der Entfall des obligatorischen Clearing blieben unberührt. Daher wollen die Grünen mit dem Abänderungsantrag ab 1. Jänner 2026 die Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2025 wiederherstellen und, dass das Justizministerium mit Betroffenen und Selbstvertretern in der bestehenden Arbeitsgruppe "echte nachhaltige Lösungen" sucht.

Diesem Abänderungsantrag, jedoch nicht der Novelle, stimmten die Freiheitlichen zu. Die Überprüfungsfrist von drei Jahren sei wesentlich gewesen, um Missbrauchsfälle hintanzuhalten, erklärte Harald Stefan (FPÖ). Die Verlängerung auf fünf Jahre sei nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern - "auf dem Rücken der Betroffenen" - aus Spargründen erfolgt, da die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen sei, "ordentlich zu budgetieren". Daher müssten nun auch die Rechtsanwaltschaft sowie die Notariate "herhalten", so Stefan.

Ralph Schallmeiner (Grüne) schloss sich der Kritik Stefans an und sprach bezüglich des Budgetbegleitgesetzes 2025 von einem "Rückwärtsgang" beim Erwachsenenschutz. Seine Fraktion stimmte der Novelle jedoch zu, da sie Verbesserungen gegenüber dem gegenwärtigen Zustand beinhalte.

Die Bundesregierung sei seit sieben Monaten im Amt und es würden ihr immer wieder Versäumnisse der Vorgängerregierungen vorgeworfen, gab Selma Yildirim (SPÖ) zu bedenken. Fakt sei, dass es immer mehr Menschen mit Vertretungsbedarf gebe, aber immer weniger Personen in deren sozialen Umfeld, die diese Aufgabe übernehmen würden. Daher habe man im Beschluss vor dem Sommer auf die Kanzleien zurückgegriffen. Dabei handle es sich um eine "Notlösung", wie auch Jakob Grüner (ÖVP) zugab. Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sowie Notare müssten sich nun auch um nicht-juristische Belange kümmern, für die es etwa eine psychologische Ausbildung brauchen würde. Daher sei die "Sunset Clause" eine "gute Lösung", wie auch Elke Hanel-Torsch (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) betonten.

Justizministerin Anna Sporrer gab zu bedenken, dass die Bunderegierung mit dem Budgetbegleitgesetz 2025 Verantwortung für ein Budgetloch übernommen habe, das sie nicht verursacht habe - "zumindest nicht die Sozialdemokratie". Die darin enthaltenen Maßnahmen hätten jedoch nicht nur finanzielle, sondern auch inhaltliche Gründe. So sei die Verlängerung der Überprüfungsfrist auch daher erfolgt, da es etwa bei Wachkoma-Patienten oder Demenzkranken nicht sinnvoll sei, alle drei Jahre eine mögliche Aufhebung der Erwachsenenvertretung zu überprüfen, erklärte Sporrer. Die nun vorliegende Novelle hebe den Schutzstandard für die Betroffenen an.

EU-Anpassungen bei Vergabeverfahren in grenzüberschreitenden Verkehrsnetzen

Die Änderungen im Bundesvergabegesetz betreffen die Vergabeverfahren bei grenzüberschreitenden Abschnitten eines Kernnetzes bzw. Kernnetzkorridors, wie eine Eisenbahnstrecke zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten. Die beteiligten öffentlichen Auftraggeber bzw. Sektorenauftraggeber sollen künftig die Anwendbarkeit der nationalen Vergaberegelung oder einer Vergaberegelung der jeweils beteiligten Mitglied- bzw. EWR-Staaten vereinbaren können. Ein Ziel der Regelungen ist laut den Erläuterungen, für die Durchführung derartiger Vergabeverfahren eine "Flucht" aus dem "unionalen" Vergaberecht insgesamt zu unterbinden. Nicht vorgegriffen werden soll damit einer im Regierungsprogramm geplanten Novelle, mit der dem Antrag zufolge auch eine Valorisierung von Schwellenwerten und ihre Überführung ins Dauerrecht umgesetzt werden soll. Das hielten ÖVP, SPÖ, NEOS und FPÖ im Justizausschuss auch mit einer Ausschussfeststellung fest.

Markus Tschank (FPÖ) sprach von einer "an sich sinnvollen Maßnahme" und fragte, warum diese so lange auf sich habe warten lassen, wenn die EU "schon einmal eine vernünftige Initiative" vorlege. Die Harmonisierung des Binnenmarktes sei eigentlich die Kernaufgabe der EU und die Richtlinie stamme aus dem Jahr 2021. Tschank kritisierte die "jahrelange Untätigkeit in einem wirtschaftlich relevanten Bereich", obwohl die Bundesregierung bei Regulierung sonst "kaum zu bremsen" sei.

Justizministerin Sporrer führte die Verzögerung der Umsetzung der EU-Richtlinie darauf zurück, dass es bei Änderungen im Vergaberecht auch der Einbindung der Bundesländer bedürfe. Die Novelle aus dem Regierungsprogramm befinde sich bereits seit 10. Oktober in Begutachtung.

Die Harmonisierung des grenzüberschreitenden Verkehrs sei ein "jahrzehntelanger Dauerbrenner", erklärte Jakob Günter (ÖVP) und betonte ebenso wie Dominik Oberhofer (NEOS) dessen ökonomische Bedeutung. Eine Vervollständigung des europäischen Verkehrsnetzes könne laut EU-Berechnungen das europäische Bruttoinlandprodukt bis 2050 um 467 Mrd. steigern, ergänzte Petra Oberrauner. Manfred Sams (SPÖ) betonte, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie etwa durch die Einführung einer zentralen Genehmigungsbehörde "weniger Hürden und mehr Tempo" bringe und damit mehr Planungssicherheit schaffe. Diese Beschleunigung dürfe jedoch nicht auf Kosten von Transparenz, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz gehen, gab er zu bedenken.

Auch Alma Zadić (Grüne) bewertete es als positiv, dass die EU "zusammenwächst". Sie wünscht sich jedoch größere Änderungen im Vergaberecht, durch die Nachhaltigkeitskriterien bei öffentlichen Vergaben verpflichtend eine größere Rolle spielen sollten.

EU-weite Zusammenarbeit von Strafrechtsbehörden

Aufgrund eines formalen Fehlers muss das schon vor dem Sommer verabschiedete " Strafrechtliche EU-Anpassungsgesetz 2025 " neuerlich beschlossen werden. ÖVP, SPÖ und NEOS haben den Gesetzentwurf daher als Initiativantrag neu eingebracht. Mit den Regelungen soll unter anderem den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht werden, schneller und effizienter Informationen über Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen zu erlangen. Konkret geht es dabei etwa um die Einrichtung eines zentralisierten Systems namens "ECRIS-TCN" (Europäisches Strafregisterinformationssystem - Drittstaatsangehörige) und die verpflichtende Speicherung von Fingerabdrücken. Auf nationaler Ebene sind dafür datenschutzrechtliche Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung bzw. den Zugriff auf Fingerabdruckdaten erforderlich. Darüber hinaus braucht es Vorkehrungen für eine reibungslose Abwicklung von Anfragen und Beauskunftungen durch das Strafregisteramt bei der Landespolizeidirektion Wien. (Fortsetzung Nationalrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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