- 14.10.2025, 11:49:35
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Harvard Law School: Österreich erstmals unter der Lupe
Die renommierte US-Uni analysiert Österreich im Rahmen des „Global Food Donation Policy Atlas“. Ziel: Konkrete Empfehlungen zum Ausbau der karitativen Lebensmittelweitergabe.

Rund 420.000 Menschen in Österreich sind von schwerer Ernährungsarmut betroffen. 1,5 Millionen sind von Armut und/oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Zahlen, die gerade anlässlich des Welternährungstags (16.10.) und des Tags gegen Armut (17.10.) zu denken geben sollten. Eine einfache, effektive und ebenso rasch wie kostengünstig skalierbare Antwort bietet die karitative Lebensmittelweitergabe, wie sie Die Tafel Österreich seit 1999 (gemäß dem internationalen Food-Bank-Konzept) betreibt.
In der Realität steht dieses Modell vor enormen Herausforderungen und kommerzielle „Lebensmittelrettungs-Initiativen“ sind in Österreich – wie nirgendwo sonst – auf dem Vormarsch. Welche Rahmenbedingungen die karitative Lebensmittelweiterhabe fördern bzw. hemmen, dieser Frage geht seit 2018 die Food Law and Policy Clinic (FLPC) der Harvard Law School in einem Projekt mit dem Global Foodbanking Network nach: dem Global Food Donation Policy Atlas.
Österreich als drittes Land in Europa
In rund 27 Ländern weltweit ist der Atlas bereits rechtlichen Rahmenbedingungen zu Lebensmittelspenden auf den Grund gegangen. In den nächsten Monaten wird sich die Harvard Law School intensiv der Analyse Österreichs – nach Irland und Polen dem dritten Land in Europa – hinsichtlich Gesetzen und Richtlinien rund um Lebensmittelrettung und -weitergabe widmen. Im Rahmen ihrer Arbeit wird sie konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik aussprechen.
Erst vor wenigen Tagen hat die EU-Kommission im Rahmen der EU Waste Framework Directive verbindliche Reduktionsziele für die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette festgelegt. Mitgliedsstaaten werden darin aufgefordert, die karitative Weitergabe und die Rolle von Tafelorganisationen als essentielle Partner in ihren Ländern weiter auszubauen.
Wie die Empfehlungen für Österreich (etwa zu Vorgaben für Lebensmittelspenden) im Detail aussehen können, legen sowohl die vordefinierten Handlungsfelder des Projekts als auch Leuchtturmprojekte aus Irland und Polen nahe. Die wichtigsten Schwerpunkte liegen auf folgenden Bereichen:
Vorliegen nationaler Abfallbewirtschaftungspläne und Abfallvermeidungsgesetze
Leitlinien zur Lebensmittelsicherheit für Lebensmittelspenden
Datumskennzeichnung
Haftungsschutz
Steuerliche Begünstigungen
Steuerbarrieren
Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung
Öffentliche Fördergelder und andere Begünstigungen
Berichterstattung zu Emissionen, Umwelt und Lebensmittelverschwendung
So besitzt Irland einen nationalen Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung mit klaren Verantwortlichkeiten und Prioritätenfeldern; eines davon ist die karitative Lebensmittelweitergabe. Darüber hinaus verfügt Irland über zahlreiche Fördertöpfe, die sich v. a. im Bereich Kreislaufwirtschaft um Lebensmittelabfallvermeidung und eine Umverteilung überschüssiger Lebensmittel bemühen.
In Polen bietet die Regierung Steuerabzüge und/oder Steuergutschriften für Lebensmittelspenden an, die an Organisationen zur karitativen Lebensmittelweitergabe gehen. Basierend auf der EU-Richtlinie 2008/98/EG („Abfallrahmenrichtlinie“) gibt es nationale Abfallbewirtschaftungspläne und Abfallvermeidungsprogramme. Dabei werden Einzelhändler ab einer gewissen Größe dazu verpflichtet, mit Organisationen zur Lebensmittelrückgewinnung zusammenzuarbeiten, um nicht verkaufte Lebensmittel weiterzugeben.
Trevor Findley (Harvard Law School): „Wir sind sehr stolz, das Global Food Donation Policy Atlas-Projekt jetzt auch nach Österreich zu bringen. Wir sind überzeugt, dass ein länderübergreifender Austausch und das Bekanntmachen von weltweiten Best-Practice-Beispielen in der karitativen Lebensmittelweitergabe allen Seiten etwas bringt – denn wir sehen, dass die richtigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen armutsbetroffenen Menschen und der Umwelt, aber auch der Politik einen großen Mehrwert bringen.“
Wirkung kann nur durch Politik potenziert werden
Auf Wirkung und Wert der karitativen Lebensmittelweitergabe weist auch Ignazio Corrao (European Food Bank Federation FEBA) hin: „Sowohl in Europa als auch weltweit wird es immer wichtiger, den sozialen und ökologischen Mehrwert von Tafelorganisationen aufzuzeigen. Um diese Wirkung zu maximieren, müssen wir das Bewusstsein schärfen und politische Unterstützung sichern: Nur politische Entscheidungsträger können die Rahmenbedingungen schaffen, die es unseren Mitgliedern ermöglichen, in jedem EU-Land effektiv zu arbeiten und alle ihre ökologischen und sozialen Ziele zu erreichen. Hier in Brüssel beobachten wir seit langem eine wachsende Anerkennung unserer Arbeit innerhalb der EU-Institutionen und wir sind bereit, auf dieser Dynamik aufzubauen.“
Internationale Expertise trifft österreichische Realität
Die Auftakt-Präsentation in Wien fand auf Einladung von Die Tafel Österreich statt. Die NPO erhofft sich von der „Analyse mit Außenblick“ wertvolle Impulse – denn nach wie vor werden österreichweit mehr als 1 Million Tonnen Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette weggeworfen, während mehr als 420.000 Menschen an schwerer Ernährungsarmut leiden. Nur rund 30.000 Tonnen Lebensmittel werden für die karitative Lebensmittelweitergabe in Österreich gespendet.
Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Tafel Österreich, die Österreich im europäischen Dachverband FEBA vertritt, ergänzt: „Unser Anspruch als älteste und einzige Tafel Österreichs, die dem internationalen Tafelmodell folgt, ist seit 26 Jahren gleich: Wir wollen noch mehr Lebensmittel zur besseren Versorgung armutsbetroffener Menschen in sozialen Einrichtungen umverteilen. Wir laden daher alle Stakeholder ein, ihre Perspektive der karitativen Lebensmittelhilfe in den Harvard Food Donation Policy Atlas einzubringen und von den besten politischen Rahmenbedingungen weltweit zu lernen. Das Potenzial ist noch immer riesengroß, ein Vielfaches der weggeworfenen Lebensmittel an Menschen in Not umzuverteilen. Wir hoffen, dass dies der Auftakt zu einer maßgeblichen Verbesserung der karitativen Lebensmittelweitergabe ist und dabei stärker ihr hoher Stellenwert als multipler Problemlöser in den Mittelpunkt rückt.“
Über Die Tafel Österreich
Die Tafel Österreich versorgt seit 1999 armutsbetroffene Menschen durch soziale Einrichtungen kostenfrei mit geretteten Lebensmitteln. So haben sie eine essenzielle Sorge weniger und können mit professioneller Hilfe Wege aus der Not finden. Allein im Jahr 2024 konnten über 1.578 Tonnen Lebensmittel an mehr als 75.000 armutsbetroffene Menschen in ganz Österreich weitergegeben werden. Die Non-Profit-Organisation ist überwiegend spendenfinanziert und auf Geld-, Zeit- und Warenspenden angewiesen. Mehr Infos unter tafel-oesterreich.at
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Die Tafel Österreich
Verena Scheidl
Telefon: +43 664 882 798 22
E-Mail: verena.scheidl@tafel-oesterreich.at
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