• 13.10.2025, 09:18:32
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80 70 30: Die Besonderheiten der EU-Ausschüsse des Parlaments

Ein Blick hinter die Kulissen

Wien (PK) - 

Die Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments in EU-Angelegenheiten werden primär von drei Ausschüssen wahrgenommen, dem EU-Hauptausschuss und dem EU-Unterausschuss des Nationalrats sowie dem EU-Ausschuss des Bundesrats. Welche Vorbereitungen müssen vor einer solchen Ausschusssitzung getroffen werden und wie gelangen die EU-Vorlagen überhaupt ins Parlament? Die Parlamentskorrespondenz hat mit den zuständigen Personen in der Parlamentsdirektion gesprochen, um im Rahmen des Jahresschwerpunkts des Parlaments zum 30-Jahr-Jubiläum des EU-Beitritts Österreichs einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen.

Ressorts müssen Informationen ans Parlament liefern

Im Vorfeld einer Ausschusssitzung gilt es zu entscheiden, über welche EU-Vorhaben beraten werden soll. In regelmäßigen Treffen zwischen den Expert:innen der Parlamentsdirektion und den EU-Referent:innen der parlamentarischen Klubs werden die EU-Ausschüsse koordiniert. Dabei werden die neu eingelangten Gesetzesvorschläge mitsamt rechtlicher Vermerke zur Subsidiaritätskontrolle präsentiert. Das Subsidiaritätsprinzip besagt nämlich, dass die EU nur Vorhaben in jenen Bereichen erlassen darf, die nicht besser auf regionaler oder staatlicher Ebene geregelt werden können. Sind die nationalen Parlamente jedoch dieser Ansicht, haben sie ab dem Vorliegen eines EU-Vorhabens acht Wochen Zeit, mit einer begründeten Stellungnahme - auch Subsidiaritätsrüge genannt - dagegen Einspruch zu erheben. Dafür sind unter anderem die EU-Ausschüsse da.

Die Terminfindung und Erstellung der Tagesordnung obliegt dann der oder dem Ausschussvorsitzenden, wobei in der Praxis auf den Konsens aller Fraktionen geachtet wird. Um dies sicherzustellen, haben sich in der Praxis sogenannte "Rundläufe" etabliert, erläutert Sandra Kusmierczyk, Ausschussreferentin der Abteilung für EU-Angelegenheiten. Diese Rundläufe enthalten Entwürfe für Tagesordnungen und müssen von allen Klubdirektor:innen abgezeichnet werden, bevor weitere vorbereitende Schritte erfolgen können.

Sobald die Tagesordnung feststeht und somit klar ist, welche EU-Vorhaben in einer Sitzung eines EU-Ausschusses beraten werden sollen, fordern die Ausschussreferent:innen schriftliche Informationen aus den Ressorts an, woraus unter anderem der aktuelle Verhandlungsstand und die politische Positionierung Österreichs hervorgehen soll. Zur Vorlage dieser Infos sind die zuständigen Regierungsmitglieder verpflichtet. Sie werden dann an die Ausschussmitglieder weitergeleitet und in die EU-Datenbank aufgenommen. Zumeist werden in einem Ausschuss zwei bis vier EU-Vorhaben aus dem Wirkungsbereich eines Ressorts verhandelt.

Im Ausschuss selbst diskutieren die Abgeordneten dann über die jeweiligen EU-Agenden und haben neben der Subsidiaritätsrüge auch die Möglichkeit, Mitteilungen an die EU-Kommission zu schicken sowie den zuständigen österreichischen Minister:innen eine bestimmte Verhandlungsposition vorzugeben (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 87).

Die EU-Ausschüsse eint eine weitere Besonderheit: sie sind - im Gegensatz zu den anderen Ausschüssen des Nationalrats und des Bundesrats - grundsätzlich öffentlich. Laut Kusmierczyk nehmen allerdings nur selten Interessierte an den Sitzungen teil.

Wie kommen die EU-Vorlagen ins Parlament?

Eine wesentliche Rolle für die Ausschussvorbereitung spielt die EU-Datenbank, in die alle einlangenden EU-Vorlagen eingespeist und somit für die Abgeordneten verfügbar werden. Sämtliche EU-Dokumente sind darin erfasst. Pro Tag wächst die Datenbank um zirka 200 Dokumente. Dazu zählen jene der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rechnungshofs und des Europäischen Gerichtshofs, sowie tagesaktuell über das Außenministerium eingespeiste Dokumente des Rates der EU. Berichte und Beilagen sowie Arbeitsdokumente werden von den jeweiligen Bundesministerien an die Datenbank gesendet.

Darum kümmert sich Brigitte Zwierschütz, die Leiterin der EU-Datenbank im Parlament. Sie sorgt unter anderem dafür, dass bei den Tagesordnungen der EU-Ausschüsse die Sitzungsdaten vermerkt und die dazugehörigen Berichte verlinkt werden. Manchmal müsse über die Dokumente in der EU-Datenbank Rücksprache mit den Ministerien gehalten werden, etwa wegen fehlender Beilagen oder irreführender Einschränkungsvermerke, berichtet sie. Immerhin sind einzelne Dokumente nicht zur Veröffentlichung geeignet oder unterliegen einer Geheimhaltungsstufe. Das betrifft etwa erläuterte Tagesordnungen im Vorfeld eines EU-Gipfels. Sie sind als "limité" gekennzeichnet und stehen nur einem eingeschränkten Personenkreis zur Verfügung. Dokumente mit einer noch höheren Geheimhaltungsstufe gibt es nur in Papierform.

Laut der Expertin würden besonders umfangreiche Dokumente in Einzelteilen und teils unterschiedlichen Dateiformaten gesendet werden, die dann in der Parlamentsdirektion zusammengefasst beziehungsweise aufbereitet werden müssen. Laut der Bundesverfassung haben die Ministerien das Parlament unverzüglich über alle EU-Vorhaben zu unterrichten.

Die mit dem EU-Informationsgesetz 2012 auch gesetzlich verankerte EU-Datenbank des österreichischen Parlaments ist allerdings nicht nur ein zentrales Instrument für die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte des Nationalrats und des Bundesrats. Sie ist - mit Ausnahme der klassifizierten Dokumente - öffentlich zugänglich und dient somit ebenso als Informationsquelle für die interessierte Öffentlichkeit. Zur optimalen Nutzung gibt es einen Leitfaden.

Das österreichische Parlament "auf Schatzsuche" in Brüssel

Die Parlamentsdirektion ist durch Sophie Velberg direkt im "Herz der EU" vertreten. Seit fünf Jahren leitet sie die Verbindungsstelle des österreichischen Parlaments in Brüssel und steht dadurch in ständigem Kontakt mit dem Europäischen Parlament sowie den Vertretungen der nationalen Parlamente. Sie kann die Infrastruktur des Europäischen Parlaments sowohl in Brüssel als auch in Straßburg nutzen. Die Kontaktpflege zählt zu ihren Haupttätigkeitsbereichen, erzählt sie. Die nationalen Parlamente seien stets im informellen Austausch darüber, wie mit verschiedensten Themen umgegangen wird.

Ihren Arbeitsalltag beschreibt sie als "Schatzsuche". Immerhin gehe es darum, die gesammelten Informationen rasch aufzubereiten und "nach Hause zu liefern", um die relevanten Stellen darauf aufmerksam zu machen. Es gebe verschiedenste Informationsformate, vor allem aber werden Berichte verfasst oder das regelmäßig erscheinende Dossier "Neues aus Brüssel". Außerdem betreut Velberg Termine und Abgeordnete vor Ort. Etwa alle sechs Wochen kommt die Verbindungsbeamtin nach Wien, zum Beispiel wenn EU-Ausschusssitzungen stattfinden. Sofern bei den Debatten Stellungnahmen oder Mitteilungen an die Kommission beschlossen werden, kommuniziert sie diese über das Netzwerk der nationalen Parlamente "IPEX". Umgekehrt lassen sich so auch die Standpunkte anderer Parlamente zu EU-Agenden in Erfahrung bringen. Die interparlamentarische Zusammenarbeit in der Europäischen Union wird dadurch gestärkt. (Schluss) fan

HINWEIS: Das Parlament beleuchtet 2025 drei Meilensteine der Demokratiegeschichte. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, vor 70 Jahren wurde der Staatsvertrag unterzeichnet und vor 30 Jahren trat Österreich der EU bei. Mehr Informationen zum Jahresschwerpunkt 2025 finden Sie unter www.parlament.gv.at/kriegsende-staatsvertrag-eu-beitritt .


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