• 10.10.2025, 13:18:03
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Lösungsansätze gegen den Kassenärztemangel im ländlichen Raum

Aktuelle Umfrage zeigt: Gemeindevertreter sehen zunehmend Probleme bei der wohnortnahen Versorgung und fordern neue Lösungsansätze ein.

Wien (OTS) - 

Anfang Juli gab es in Österreich 311 offene Kassenstellen, 175 davon in der Allgemeinmedizin: „Damit wird der niederschwellige und wohnortnahe Zugang zur medizinischen Versorgung immer schwerer“, hielt Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien fest. Das habe zunehmend Auswirkungen auf die Gemeindevertreter, so Wutscher, der erst vergangene Woche den ÖÄK-Stand bei der Kommunalmesse in Klagenfurt leitete und mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern gesprochen hat: „Das Problem der zunehmend schwierigeren Besetzung von Kassenstellen ist allen schmerzlich bewusst.“

Auch eine aktuelle Umfrage des Kommunalverlages unter Bürgermeistern, Vize-Bürgermeistern, Amtsleitern, Gemeindemandataren und anderen Gemeindebediensteten belegt die Problematik: Fast 70 Prozent der Gemeindevertreter stimmen zu, dass sich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Kassenärzte positiv auf die Zukunft ihrer Gemeinde auswirken würde. 56 Prozent der 789 Teilnehmer meinen, dass Erleichterungen bei Gründung und Bewahrung von ärztlichen Hausapotheken eine positive Auswirkung auf die Zukunft ihrer Gemeinden haben würde. Bei der Möglichkeit für Ärzte, in ihrer Praxis Medikamente abzugeben, stimmen 58 Prozent zu. „Das zeigt klar, dass die Patientenversorgung am Land essentiell dafür ist, ob eine Region überlebt“, sagte Wutscher: „Wenn es keinen Arzt im Ort gibt, wird es schwierig sowohl mit dem Zuzug, als auch damit, die Bevölkerung im Ort zu halten.“ Daher fordert die Bundeskurie niedergelassene Ärzte neben flexibleren Kassenverträgen auch den Schutz der ärztlichen Hausapotheken und Recht auf Medikamentenabgabe für alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte.

Zeitgemäße und patientennahe Versorgung

Die medikamentöse Versorgung von Patienten durch ihre Hausärzte leidet unter immer größeren gesetzlichen Restriktionen. Die Folge: Die Zahl der hausapothekenführenden Niederlassungen nimmt stetig ab. Eine zeitgemäße, patientennahe Versorgung sieht anders aus, unterstrich Silvester Hutgrabner, Leiter des ÖÄK-Referates für Hausapotheken und Medikamentenabgaben. Größtes Hindernis sei das veraltete Apothekengesetz: „Dort heißt es, dass im Umkreis von vier Straßenkilometern einer öffentlichen Apotheke keine ärztliche Hausapotheke bewilligt werden darf, im Umkreis zwischen vier und sechs Kilometern nur in Form einer Nachfolgepraxis“, sagte der Allgemeinmediziner. Bis 1998 gab es österreichweit knapp 1.000 öffentliche Apotheken und 1.100 ärztliche Hausapotheken. Nach etlichen Gesetzesnovellen und höchstgerichtlichen Entscheidungen hat sich die Zahl der ärztlichen Hausapotheken auf aktuell rund 800 verringert, während die Zahl der öffentlichen Apotheken auf gut 1450 gestiegen ist: „Dabei sagen uns Studien, dass die Stärkung ärztlicher Hausapotheken dabei helfen würde, offene Kassenstellen zu besetzen. Von bis zu 400 neuen Kassenärzten gehen die Experten dabei aus“, betonte Hutgrabner. Das Einzugsgebiet der Ärztinnen und Ärzte mit den österreichweit 800 Hausapotheken umfasst rund drei Millionen Menschen: „Und in vielen dünner besiedelten Regionen sichert die Hausapotheke das Bestehen einer ärztlichen Ordination überhaupt erst ab“, unterstrich Hutgrabner.

Mehr Rücksicht auf älter werdende Bevölkerung

„Dass der Tierarzt im Gegensatz zum Humanmediziner beim Hausbesuch alle Medikamente mit dabeihat, legt den Schluss nahe, dass es der kranken Kuh besser geht als der kranken Bäuerin“, sagte Carmen Berti-Zambanini, Obfrau des Schutzverbandes hausapothekenführender Ärzte. Die Allgemeinmedizinerin aus dem Bregenzerwald forderte außerdem mehr Rücksichtnahme auf die älter werdende Bevölkerung: „Immer mehr Menschen sind darauf angewiesen, dass ihnen Verwandte oder Freunde die benötigten Medikamente aus der Apotheke mitbringen. Die anderen, die noch für genug für den Weg zur Apotheke sind, zwingen wir nachts in Autos oder Postbusse, damit sie die Therapie bekommen, die sie benötigen“, kritisierte sie. Ein weiteres Beispiel: „Geht ein Arzt, der in seiner Ordination eine Hausapotheke führt, auf Urlaub, darf der Arzt, der ihn in dieser Zeit in der Praxis vertritt, keine Medikamente aus der Hausapotheke abgeben. Auch das ist eine völlig aus der Zeit gefallene Regelung.“

Völlig unverständlich sei zudem, dass Primärversorgungseinrichtungen keine ärztlichen Hausapotheken führen dürfen, ergänzte sie. Dabei habe genau das die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Bericht aus 2019 empfohlen: „Die BWB empfiehlt, zusätzlich zu der bereits bestehenden Bestimmung über die Kooperation der PVE mit öffentlichen Apotheken, eine Möglichkeit vorzusehen, dass in PVE selbst auch Hausapotheken geführt werden dürfen. Dies würde vor allem im ländlichen Bereich einen Mehrwert der ganzheitlichen gesundheitlichen Versorgung bringen“, heißt es dort explizit. Auch die ersatzlose Streichung der Mindestentfernungen finde sich in diesem Bericht. Wutscher, Hutgrabner und Berti-Zambanini forderten daher, diese Empfehlungen endlich umzusetzen. Ein nächster, logischer Schritt sei das Dispensierrecht, also die Möglichkeit für alle niedergelassenen Ärzte, Medikamente abzugeben.

Rückfragen & Kontakt

Österreichische Ärztekammer/Öffentlichkeitsarbeit
Mag. Sophie Niedenzu, MSc
Telefon: 01/51406-3316
E-Mail: s.niedenzu@aerztekammer.at
Website: https://www.aerztekammer.at

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