• 03.10.2025, 12:32:32
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Hilfswerk zum Aktionstag der Tageseltern: Politische Kurskorrektur längst überfällig und dringend notwendig!

Berufstätige Eltern, Arbeitgeber und Kommunen profitieren von Tageseltern. Bund und Länder vernachlässigen das leistungsfähige Betreuungsmodell jedoch sträflich.

Wien (OTS) - 

Info und Bildmaterial zum Download: https://bit.ly/aktionstag-tageseltern

Marina T., Mutter zweier Kleinkinder, hat Glück. Sie pendelt täglich von einer kleinen Weinviertler Gemeinde nach Wien, wo sie als diplomierte Krankenpflegerin in der Intensivstation eines großen Spitals arbeitet. Der Kindergarten in ihrer Gemeinde ist nur von 7:00 bis 13:00 Uhr geöffnet, weshalb sie ihre Tochter einer Tagesmutter im Ort anvertraut. Diese kümmert sich um die Dreijährige, je nachdem, ob Marina Früh- oder Spätdienst hat. Weniger Glück hat Johanna N. Die Alleinerzieherin kommt aus der gleichen Gemeinde, ist gelernte Einzelhandelskauffrau und hat bis zur Geburt ihres Sohnes in einem Wiener Supermarkt gearbeitet. Ihr Sohn ist jetzt gut ein Jahr alt, Johanna hätte ihre Arbeit gerne wieder aufgenommen. Die Öffnungszeiten der Kinderkrippe lassen das aber nicht zu. Und die Kosten für die Tagesmutter übersteigen Johannas finanzielle Möglichkeiten. Sie hat daher einen schlechter bezahlten Teilzeitjob als Verkäuferin im Nachbarort angetreten.

Willkommen in der österreichischen Realität! Wo Österreichs Wirtschaft die hohe Teilzeitquote – besonders unter Frauen beklagt. Wo Kommunen über Löcher jammern, die Kindergärten und -krippen ins Gemeindebudget reißen. Wo flexible und erschwingliche Betreuungsangebote für den Nachwuchs fehlen, weshalb Mütter – und nur selten: Väter – in ihren Berufen kürzer treten müssen. Besonders in ländlichen Gebieten bedeutet das für die Frauen: weniger Einkommen, höhere Abhängigkeit vom Lebenspartner, geringere Pensionen und höheres Risiko von Altersarmut. Abhilfe würde ein breiteres Angebot an Tageselten schaffen. Diese kümmern sich in familiennahen Strukturen um maximal sechs (meist kleine) Kinder und gehen auf die Bedürfnisse und die Entwicklung jedes einzelnen ein. Zusätzlich können Tagesmütter und -väter ihre Betreuungszeiten an die Arbeitszeiten der Eltern anpassen und so eine maßgeschneiderte Betreuung gewährleisten. Oft ergänzen sie damit institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen zu den Tagesrandzeiten, in der Früh, am Abend sowie in den Ferien.

Poltische Kurskorrektur längst überfällig und dringend notwendig

Zum Aktionstag der Tageseltern, am 7. Oktober, weist das Hilfswerk auf die schwierigen Rahmenbedingungen für Tagesmütter und -väter in Österreich hin und fordert eine politische Kurskorrektur. „In der bis 2027 laufenden 15a-Vereinbarung für Elementarpädagogik erwähnen Bund und Länder die Tageseltern zwar. Es fehlt aber die explizite Integration bei den Themen Besuchspflicht, Beitragsfreiheit, Sprachförderung, Ausbauziele, Qualifikationen und Weiterbildung sowie bei Förder- und Finanzierungsmaßnahmen, erklärt Isabella Ecker, Leiterin des Fachreferats Kinder, Jugend, Familie und Psychosoziale Dienste im Hilfswerk Österreich. „Viele Familien würden die flexiblen Rahmenbedingungen von Tageseltern gerne nutzen, können dies aber aus finanziellen Gründen nicht. Damit fehlt echte Wahlfreiheit zwischen den Betreuungsformen“, so Ecker. Das Hilfswerk fordert daher eine rasche Gleichstellung, u. a. in folgenden Punkten:

  • Tageseltern-Betreuung muss so wie der Kindergarten beitragsfrei sein!

  • Betreuung durch Tageseltern auch bei Sprachförderbedarf, wenn diese über entsprechende Kompetenzen verfügen!

  • Explizite Einbeziehung von Tagesmüttern und -vätern in den Ausbau elementarpädagogischer Betreuung!

  • Auch Tageseltern brauchen Vorbereitungszeiten, damit sie ihre pädagogische Arbeit vollumfänglich leisten können!

  • Finanzierung von Sprachfördermaßnahmen und Sprachstandserhebungen durch Tageselternorganisationen, analog zu den Kindergärten!

  • Förderungen von Personalkosten an jene in elementarpädagogischen Einrichtungen anheben!

Barcelona-Ziele ohne Tageseltern unerreichbar

Mit der Ratifizierung der so genannten Barcelona-Ziele hat sich Österreich 2002 zum Ausbau der elementarpädagogischen Betreuung verpflichtet. Die 2022 in Kraft getretene Neufassung der Barcelona-Ziele verpflichtet EU-Staaten, folgende Mindestbetreuungsquoten einzuhalten: 45 Prozent der bis zu dreijährigen und 90 Prozent der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren sollen bis 2030 elementarpädagogisch betreut werden. Österreich erfüllt gerade einmal die veraltete Quote von 33% der Kinder unter 3 Jahren. Und das nur, weil im Monitoring-Bericht zur elementaren Bildung (Statistiken zur elementaren Bildung 2024/25) seit 2022 auch Tageselternplätze mitzählen. Ohne Tageseltern läge die Betreuungsquote deutlich niedriger.

„Bund und Länder nutzen die Arbeit der Tagesmütter und -väter, um den bildungspolitischen Stillstand zu behübschen. Wenn es aber darum geht, Tageselternbetreuung der Betreuung in Kindergärten und -krippen gleichzustellen und sie in die elementarpädagogischen Ausbaupläne sowie in die Förderpraxis zu integrieren, duckt sich die Politik weg“, ärgert sich Isabella Ecker. „Auch Kinder mit Behinderungen oder spezifischen Bedürfnissen sowie deren Eltern leiden unter dieser Situation. Dank kleiner Gruppengrößen und zeitlicher Flexibilität bietet die Tageselternbetreuung nämlich sehr gute Einstiegsmöglichkeiten in die familienergänzende Betreuung“, argumentiert Ecker.

Leistungsfähige und kostengünstige Lösung für Gemeinden und Betriebe

Tageseltern sind in Zeiten knapper Budgets und hohem Fachkräftemangel eine kostengünstige Alternative, um Mütter (und Väter) von Kleinkindern den beruflichen Wiedereinstieg nach der Karenz zu erleichtern. Einige Bundesländer haben das Potenzial dieser Betreuungsform erkannt und erweitert. Damit ist es möglich, dass Tagesmütter und -väter nicht mehr nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch in Räumlichkeiten von Gemeinden und Betrieben tätig werden können. Ihre Flexibilität und die individuelle Betreuung bieten in diesem Kontext einen wertvollen Beitrag zur regionalen Betreuungsinfrastruktur. Und sie helfen mit, die Landflucht insbesondere junger Frauen und Familien einzudämmen. In Unternehmen erweisen sich Tageseltern als interessante Option, um durch ein flexibles Plus an Familienfreundlichkeit Fachkräfte zu gewinnen bzw. zu halten. In Salzburg und der Steiermark wird dieses Modell der „Betriebstageseltern“ bereits erfolgreich umgesetzt. Es bietet sich besonders für Klein- und Mittelbetriebe an, weil es bereits ab einer Belegung mit zwei Kindern funktioniert.

Ob in Familien, Kommunen oder Betrieben: Der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen steigt. Deshalb spricht sich das Hilfswerk nachdrücklich für einen Ausbau von Tageseltern-Angeboten in ganz Österreich aus. „Es ist höchste Zeit, die gesetzlichen Regelungen in den Bundesländern und das Finanzierungsmodell für Tagesmütter und -väter an die Bedürfnisse anzupassen. Mit den richtigen Rahmenbedingungen könnten wir das Potenzial von Tageseltern noch besser nutzen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessern“, meint Isabella Ecker abschließend.

Über das Hilfswerk

Das Hilfswerk Österreich ist mit seinen Landes- und Teilverbänden einer der größten gemeinnützigen Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste in Österreich. Im elementarpädagogischen und außerschulischen Bereich betreuen rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ca. 20.500 Kinder und Jugendliche in mehr als 500 Einrichtungen. Unter ihnen rund 350 Tagemütter und -väter.

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Rückfragen & Kontakt

Hilfswerk Österreich
Mag. Monika Jonasch-Lykourinos
Telefon: T: +43 1 4057500220 | M: +43 676 878760206
E-Mail: monika.jonasch-lykourinos@hilfswerk.at
Website: https://www.hilfswerk.at/oesterreich

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