• 01.10.2025, 19:35:02
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Hattmannsdorfer zu Zöllen und Handelspolitik: "Fahren auf Sicht", neue "Afrikastrategie"

Debatte über Zollpolitik, Abkommen und internationalen Handel im Wirtschaftsausschuss

Wien (PK) - 

Das aktuelle Thema Zollpolitik - vor allem jene der USA - und deren Auswirkungen auf den internationalen Handel griffen die Abgeordneten heute in einer aktuellen Aussprache mit Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats auf. Hattmannsdorfer sprach hinsichtlich der Situation mit den US-Zöllen derzeit von einem "Fahren auf Sicht". Für eine Diversifizierung der Absatzmärkte kündigte er unter anderem eine neue Afrikastrategie an, die heute im Ministerrat beschlossen worden sei. Neuerliches Thema in der Debatte war auch das Handelsabkommen Mercosur.

Mit den Stimmen der Dreierkoalition vertagt wurden Anträge der Grünen, die sich gegen die "Billigpaket-Flut" und für die Stärkung der Bundeswettbewerbsbehörde, aber auch für längere Öffnungszeiten von Dorfboxen und SB-Läden einsetzen.

Debatte über Zollpolitik und "EU-Deal"

Österreich sei weltweit unter den Top-Zehn-Ländern bei der Abhängigkeit von Exportleistungen, so Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer. Nach zwei Dritteln an Exporten in die EU sei die USA der zweitwichtigste Exportpartner. Die geopolitischen Herausforderungen hätten ein Minus von 3,1 % bei der Exportquote im ersten Halbjahr ergeben, so der Minister. Auswirken würden sich neben den USA-Zöllen auch Handelsumlenkungsmaßnahmen etwa durch China. Er sei zwar kein Freund vom Basiszollsatz von 15 %, trotzdem sei wichtig, dass der Zoll-Deal zwischen der EU und den USA ordentlich umgesetzt werde. Wichtige Verhandlungen, die weitergeführt würden, betreffen aus seiner Sicht zum einen Wein, Spirituosen und Olivenöl. Zum anderen brauche es für die Stahl- und Aluminiumindustrie eine Lösung oder anderenfalls einen etwaigen EU-Schutzschirm, so der Wirtschaftsminister, der auf zusätzliche Herausforderungen durch Dekarbonisierung oder das Auslaufen der Gratiszertifikate hinwies.

In den USA würden etwa noch höchstgerichtliche Entscheidungen ausstehen - daher brauche es für ihn hinsichtlich der Zollpolitik derzeit ein "Fahren auf Sicht". Darüber hinaus stelle sich die Frage der Diversifizierung und neuer Absatzmärkte. Der Minister wies dazu auf eine Afrikastrategie hin, die im heutigen Ministerrat beschlossen worden sei. Dass derzeit das Exportvolumen nach Afrika nur so groß sei wie jenes nach Kroatien, sage alles über das Potenzial. Zudem betreffe eine solche Strategie auch das Energiethema, aber auch die Frage der seltenen Erden und Rohstoffe. Darüber hinaus gelte es, den Binnenmarkt weiter zu stärken, etwa hinsichtlich einer Digitalmarktunion, Energiemarktunion und Kapitalmarktunion.

Jakob Schwarz (Grüne) äußerte sich kritisch zum EU-USA-Zoll-Deal und bezeichnete ihn als "Katastrophe", zumal er unter anderem gegen die Dekarbonisierungsziele gehe. Auch Axel Kassegger (FPÖ) erachtet den Deal als "katastrophal", da die EU beispielsweise nun 600 Mrd. Ꞓ in amerikanisches Gas und 700 Mrd. Ꞓ in amerikanische Rüstungsprodukte investieren müsse. Er fragte außerdem nach, ob es für den Deal einen Genehmigungsvorbehalt gebe.

Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer meinte dazu, eine "Rückspiegelanalyse" im Nachhinein sei immer einfach. Ob es "gescheiter" gewesen wäre, zu eskalieren, mögen ihm zufolge andere beurteilen. Wenn man sich die Zollandrohungen vor dem Deal ansehe, seien diese jedenfalls "meilenweit" von den 15 % und denn Null-Prozent-Ausnahmen entfernt gewesen. Jetzt sei die Frage, wie es etwa mit den Null-Prozent-Gruppen weitergehe. Was den Digital-Service- und den Digital-Market-Act der EU betreffe, gelte es, selbstbewusst aufzutreten. Es gehe auch um Grundsatzfragen der Souveränität, wenn es keine Kreditkarte mehr gebe, die nicht von einem US-Konzern komme und keine der großen Plattformen und Social Media unter Kontrolle der EU sei.

Handelsabkommen Mercosur neuerlich Thema

Die aktuell "nicht kalkulierbare Zollpolitik" müsse dazu führen, dass sich Europa breiter aufstelle, meinte auch Andreas Ottenschläger (ÖVP). Ein wesentliches Thema seien aus seiner Sicht Freihandelsabkommen. Was das Mercosur-Handelsabkommen betrifft, gehe es derzeit unter anderem um einen Ausgleich im Bereich der Landwirtschaft. Er wies außerdem auf das damals umstrittene CETA-Abkommen mit Kanada hin, das mittlerweile als Erfolgsmodell gelte. Markus Hofer (NEOS) sieht Mercosur als "unglaubliche Chance", aus der man sich nicht zurückziehen dürfe. Karin Doppelbauer (NEOS) zufolge würde es sich mit Mercosur etwa beim Rindfleisch um eine vergleichsweise geringe Menge an begünstigten Importen handeln.

Axel Kassegger (FPÖ) sprach eine "demokratiepolitische Komponente" an. So sei Mercosur nunmehr ein "EU-only-deal", gab er eine "Beschneidung der Mitspracherechte der Mitgliedstaaten" zu bedenken. Barbara Kolm (FPÖ) wiederum meinte, dass im Fall von Mercosur die europäischen Unternehmen bei den Energiepreisen nicht mithalten können würden, die Landwirtschaft plötzlich mehr Wettbewerb ausgesetzt wäre und zudem mehr Zentralismus und Bürokratie zu befürchten sei. Auch Elisabeth Götze (Grüne) sieht "viele Gründe", warum man gegen Mercosur sein könne, etwa was die fragliche Einhaltung des Pariser Klimaabkommens oder der Qualitätsstandards der landwirtschaftlichen Produkte betrifft. Ebenso wie Werner Kogler (Grüne) thematisierte sie den bestehenden Nationalratsbeschluss, der den Minister zur Ablehnung des Abkommens verpflichte. Barbara Teiber (SPÖ) meinte, ein Abkommen sei allgemein per se weder gut noch schlecht, sondern hänge von den Rahmenbedingungen ab, wie die Produkte etwa hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zustande kommen.

Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer erörterte, dass die EU-Kommission Mercosur in zwei Abkommen aufgesplittet vorgelegt habe. Er sehe in Mercosur eine Chance insbesondere in den Bereichen, wo man stark aufgestellt sei, etwa im Bereich PKW und deren Zulieferern bis hin zu Arzneimitteln. Zudem erhoffe er sich aus dem Abkommen einen besseren Zugang zu Rohstoffen. Die Bedenken der klein strukturierten Landwirtschaft nehme er aber sehr ernst. Entscheidend sei, dass eine bilaterale Schutzklausel eingeführt werden soll, damit Zölle wiedereingeführt werden könnten, wenn es zu ernsthaften Schädigungen komme, so der Minister. Diese Schutzmechanismen gelte es, sich dann genau anzuschauen.

Grüne: Schluss mit Zollbetrug und "Billigpaket-Flut"

Die Zahl der Pakete aus Fernost von Plattformen wie Temu, Shein oder AliExpress nehme drastisch zu, thematisieren die Grünen mit einem Antrag (475/A(E)). Seit die USA im April 2025 ihre Zollfreigrenze abgeschafft haben, sei eine Verschiebung der Geschäftstätigkeit und ein massives Wachstum der Importe in die EU zu beobachten. Denn für Sendungen unter 150 Ꞓ fallen in der EU noch immer keine Zölle an. Weitere Probleme seien zu niedrig deklarierte Pakete oder eine Aufteilung auf mehrere Teilsendungen, so die Grünen. Auch die Produktsicherheit im Hinblick auf gesundheitsschädliche oder mangelhafte Produkte oder ein mangelndes Widerrufsrecht kritisierte Elisabeth Götze (Grüne). Sie fordern daher von der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für ein Ende der 150-Ꞓ-Zollfreigrenze bis 2026, für die EU-weite Einführung einheitlicher und technologisch moderner Standards bei Zollkontrollen sowie für die Einführung einer Bearbeitungsgebühr für jedes Paket aus Drittstaaten einzusetzen. Darüber hinaus brauche es eine gesetzliche Regelung, die Betreiber elektronischer Marktplätze verpflichtet, in ihren Verträgen mit Händler:innen sicherzustellen, dass diese ihre Lieferungen in die EU nach den Zollbestimmungen deklarieren, um eine korrekte Erhebung der Einfuhrabgaben zu ermöglichen. Für einen Verstoß gegen diese Verpflichtung seien hinreichend abschreckende Verwaltungsstrafen vorzusehen, so Götze.

Für die ÖVP bestätigte Johann Höfinger die gewaltige Flut der Geschäftstätigkeit. Die dänische Ratspräsidentschaft habe sich dem Thema angenommen, informierte er. Es brauche eine gemeinsame Zollplattform, argumentierte er und wollte den Vorschlag auf EU-Ebene abwarten.

Grüne: Bundeswettbewerbsbehörde stärken

Mit einem weiteren Antrag setzen sich die Grünen dafür ein, Wettbewerbsverzerrungen und den "Österreich-Preisaufschlag" zu beenden sowie die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zu stärken (479/A(E)). So seien durch den "Österreich-Aufschlag" bzw. territoriale Lieferbeschränkungen in Österreich Lebensmittel um bis zu 25 % teurer als in Deutschland. Die Bundesregierung möge sich daher proaktiv auf EU-Ebene für ein gesetzliches Verbot von wettbewerbsverzerrenden territorialen Lieferbeschränkungen einsetzen sowie der BWB die erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen zur Erstellung einer Preisvergleichsplattform zuweisen. Neben dem Österreich-Aufschlag hielten die Grünen es aber auch für wichtig, andere Maßnahmen umzusetzen. Es brauche eine Novellierung des Wettbewerbsgesetzes, mit der die BWB mit zusätzlichen Kompetenzen bei Branchenuntersuchungen ausgestattet wird, argumentierte Elisabeth Götze (Grüne).

Es habe sich eine Allianz auf EU-Ebene gebildet, betonte Johann Höfinger (ÖVP) und begründete damit den Vertagungsantrag seiner Fraktion. Für die NEOS ist der Österreich-Aufschlag nicht der einzige Grund für höhere Preise. Österreich habe zudem mehr Verkaufsflächen, hohe Lohnkosten, hohe Steuern und hohe Energiekosten, machte Christoph Pramhofer (NEOS) aufmerksam.

Grüne für längere Öffnungszeiten von Dorfboxen und SB-Läden

Gerade in ländlichen Gebieten gebe es nur wenige Lebensmittelvollsortimenter, so die Grünen in einem weiteren Antrag. Damit aber die Bevölkerung auch am Wochenende mit Lebensmitteln versorgt werden kann, sollten aus ihrer Sicht Dorfboxen und SB-Läden auch außerhalb des Öffnungszeitengesetzes für Kund:innen zugänglich sein. Voraussetzung dafür sollte sein, dass sie ohne Personal und nur digital vor Ort betrieben werden. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass großen Konzernen wie etwa Amazon damit keine wettbewerbsverzerrenden Vermarktungsmöglichkeiten eröffnet und dass keine Umgehungsmöglichkeiten für Lebensmittelhandelskonzerne geschaffen werden, so die Grünen. Sie sprechen sich mit ihrem Antrag (377/A(E)) konkret für eine Gesetzesänderung aus, mit der die bestehende "Automaten-Ausnahme" im Öffnungszeitengesetz entsprechend ausgeweitet werden soll.

In der Diskussion setzten die Abgeordneten bei dem diese Woche bekannt gewordenen, geplanten Filialverkauf der Supermarktkette Unimarkt an. Die Nahversorgung in Österreich weise massive Beeinträchtigungen auf, unterstrich Elisabeth Götze (Grüne). Sie trat dafür ein, die Automatenregelung bzw. eine Selbstbedienungsvariante auszuweiten und dies mit einer bestimmten Ladenfläche zu verknüpfen.

Seitens der NEOS wurde das Anliegen unterstützt, sie traten jedoch für eine Erweiterung ein, die über den Antrag der Grünen hinausgeht. Es werde daran gearbeitet, so Karin Doppelbauer (NEOS), die auf das Regierungsprogramm verwies. Eine Einschränkung auf einen bestimmten Radius oder eine Größe von 50 m2 empfand Christoph Stark (ÖVP) für schwierig. Er zeigte sich zuversichtlich für eine Einigung, aber es bedürfe weiterer Verhandlungen. Der Antrag wurde vertagt. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) mbu/gla


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