- 01.10.2025, 11:03:06
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Prävention heute und morgen – „Eigenverantwortung ist essenziell“
Die auch 2025 wieder gut besuchten Tiroler Ärztetage haben ihren festen Platz im jährlichen Veranstaltungskalender der Tiroler Ärzteschaft, der Ärztekammer und der UMIT in Hall. Einen Höhepunkt bildete die von der Ärztekammer für Tirol organisierte Podiumsdiskussion, die sich in diesem Jahr dem Thema ‚Prävention heute und morgen‘ widmete.
Am illustren Podium diskutierten unter der Leitung von Dr. Edgar Wutscher, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, ao. Univ.-Prof. Dr. Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), Dr. Andreas Krauter, MBA, Leiter des Fachbereichs Medizinischer Dienst bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Peter Lehner, Obmann der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) und der langjährige Tiroler Ärztekammer-Präsident Dr. Artur Wechselberger, nunmehr Referent der Österreichischen Ärztekammer für Sozial- und Vorsorgemedizin.
Zunächst wurde der Abend mit einem Impulsvortrag von Herwig Ostermann eröffnet. Die Vision der im Eigentum der Republik stehenden Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) ist es, als nationales Public-Health-Institut das führende Kompetenzzentrum für Bevölkerungsgesundheit, Gesundheitsförderung, Prävention, Versorgungsplanung und Qualität im Gesundheitswesen zu sein. Es gehe darum, Nutzen für die Bevölkerung zu schaffen, indem die GÖG evidenzbasierte Grundlagen für ein gutes, effizientes und gerechtes Gesundheitssystem bereitstellt und dazu beiträgt, dass alle in Österreich lebenden Menschen bei guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen.
In seinem Vortrag skizzierte Prof. Ostermann unter anderem die Aufgaben eines öffentlichen Gesundheitswesens, Herausforderungen oder auch populäre Mythen, zum Beispiel die Überschätzung der „Burden of Disease“ (Krankheitslast, Auswirkungen einer bestimmten gesundheitlichen Belastung auf die Gesellschaft) einzelner Krankheiten, dass Prävention immer billiger als Behandlung sei oder man bei einem Screening alles mit Sicherheit erkennen könne. Ostermann konstatierte, dass die hiesige Lebenserwartung – Covid-bedingt – erstmals seit 1945 zurückgegangen ist. Österreich stehe im europäischen Vergleich trotz eines sehr guten Gesundheitssystems weit weg von den Spitzenplätzen. Er zeigte auf, was die Morbidität und Mortalität einer Bevölkerung beeinflusst: genetische Faktoren (30 %), soziale Faktoren (15 %), Umweltbedingungen (5 %), medizinische Versorgung (10 %), aber zum überwiegenden Teil das Verhalten der Menschen (40 %). Er ging damit auch auf die negativen Auswirkungen von Rauchen, Alkoholkonsum und Übergewicht auf die öffentliche Gesundheit in Österreich ein. Gerade in puncto Rauchen und Alkohol stehe Österreich im europaweiten Vergleich nicht gerade gut da. Der bildungsbedingte Unterschied bei der Lebenserwartung beträgt fast sechs Jahre bei Männern und vier Jahre bei Frauen.
Anreiz- und Bonussysteme als Faktor
Im Anschluss wurde gemeinsam mit den Teilnehmer:innen erörtert, wie die Prävention in der Republik gestärkt werden kann, um die Anzahl gesunder, qualitativ hochwertiger Lebensjahre in der Bevölkerung zu erhöhen. Dabei standen etwa effektive Programme zur Gesundheitsförderung und die Finanzierung von präventiven Maßnahmen im Fokus der Gespräche. „Durch entsprechende Präventionsmaßnahmen müssen wir es schaffen, das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger so zu beeinflussen, dass sie dadurch gesünder werden. Die Ärzteschaft spielt hierbei natürlich auch eine große Rolle. Sie muss von den Patient:innen einfordern, gesünder zu leben, und diese dabei unterstützen. Da ist ärztliches Know-how und Engagement gefragt“, sagte Dr. Artur Wechselberger.
Aufgezeigt wurde in der Runde beispielsweise, welchen großen Nutzen staatliche Gesundheitsvorsorgeprogramme haben, wie der in den 1970ern eingeführte Mutter-Kind-Pass, der inzwischen zum Eltern-Kind-Pass weiterentwickelt wurde. Und wie weitere Anreiz- oder Bonussysteme für die Bevölkerung aussehen könnten, etwa eine Art Präventionspass für Erwachsene, um eine frühzeitige Diagnose und etwaige Therapie zu ermöglichen. SVS-Obmann Peter Lehner: „In der SVS gewähren wir etwa einen 100-Euro-Bonus für die Vorsorgeuntersuchung. Die Zahlen derer, die das auch wahrnehmen, sind zuletzt gestiegen. Ein gesunder Lebensstil und Selbstverantwortung werden bei uns insofern honoriert, da durch die Teilnahme an den Programmen ‚Selbständig Gesund‘ und ‚Nachhaltig Gesund‘, bei denen individuelle Gesundheitsziele erreicht werden müssen, der Selbstbehalt deutlich reduziert werden kann.“
Weitere Aspekte in der Diskussion: Gerade Vorsorgeuntersuchungen, Screenings zur Früherkennung (Beispiel Krebs) oder auch Impfungen seinen essenziell, werden aber von vielen Teilen der Bevölkerung nicht wahrgenommen. Vor allem Männer seien weniger dazu bereit als Frauen. Dr. Andreas Krauter von der ÖGK: „Die Screening-Angebote im Land werden insgesamt zu wenig genutzt. Früherkennung und Prävention sind ausbaufähig. Geplant ist daher ein Einladungssystem zur Vorsorge, wobei dabei individuell selektiert werden soll – es wird voraussichtlich eine Unterteilung in Gruppen geben, etwa Menschen, die länger nicht mehr bei einem Allgemeinmediziner waren etc.“
Leben retten, Leiden verhindern
Die demografische Entwicklung treibe die Ausgaben des staatlichen Systems in die Höhe, hörte man aus der Expertenrunde. Eigenverantwortung in Form eines gesunden Lebensstils und der Solidaritätsgedanke – Leistungen nur in Anspruch zu nehmen, wenn man sie auch wirklich brauche – seien jedenfalls maßgeblich, so der Tenor. Das Anspruchsdenken sei zu hoch: Der Staat könne bei einer immer älter werdenden Bevölkerung nicht für alles verantwortlich sein, allein schon aus budgetären Gründen. Jeder Mensch sei gefordert, durch die Mischung aus entsprechender Lebensweise und notwendigen Vorsorgeuntersuchungen seinen Teil zum Erhalt des medizinischen Systems und dessen Finanzierbarkeit beizutragen. Denn es gebe klare Grenzen im System.
Tirols Ärztekammerpräsident Dr. Stefan Kastner zeigte sich von den Inhalten und Botschaften der Diskussionsrunde angetan, stellte aber auch klar, dass hierzulande noch einiges zu tun wäre: „Prävention kann Leben retten und Leiden verhindern. Wir als Ärztekammer fordern die Politik auf, geeignete Maßnahmen zu setzen – insbesondere gegen gezuckerte Getränke in Schulen sowie Nikotin; so sollte es etwa nach dem Vorbild Frankeichs keine öffentlich zugänglichen Zigarettenautomaten mehr geben. Und die Politik muss stärker auf die Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum hinweisen. Der Ausbau der Präventivmedizin und eine entsprechende zielgruppengerechte Werbekampagne sind zudem dringend erforderlich, um mehr gesunde Lebensjahre zu ermöglichen.“
Rückfragen & Kontakt
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KAD Dr. Günter Atzl
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