- 30.09.2025, 18:51:02
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- OTS0167
Erwachsenenvertretung: Breite Mehrheit für neuerliche Gesetzesanpassungen
Justizausschuss beschließt außerdem EU-Anpassungen im Vergaberecht und debattiert über Handysicherstellung
Künftig soll im Erwachsenenschutz die betroffene Person selbst ein Antragsrecht sowie deren Betreuungsumfeld eine Anregungsmöglichkeit erhalten, die gerichtliche Erwachsenenvertretung zu erneuern. Damit soll sichergestellt werden, dass die betroffene Person, ihre Vertretung oder Betreuende ein "Clearing" anstoßen können, um die aktuelle Lebenssituation zu überprüfen. Für den entsprechenden Initiativantrag der Dreierkoalition mit dem "Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz 2025" sprachen sich im Justizausschuss heute ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne aus.
Ein Antrag der Dreierkoalition mit EU-Anpassungen bei Vergabeverfahren in grenzüberschreitenden Verkehrsnetzen passierte den Ausschuss einstimmig. Mit einer Ausschussfeststellung hielten die Abgeordneten mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und FPÖ fest, dass die gegenständliche "kleine Novelle" ausschließlich der dringlichen Umsetzung der betreffenden EU-Richtlinie auf Grund eines Vertragsverletzungsverfahrens diene. Davon unberührt bleibe eine bereits in Vorbereitung und Abstimmung befindliche Novelle des Bundesvergabegesetzes, im Rahmen derer bis zum Frühjahr 2026 die im Regierungsprogramm verankerten Vergabe-Schwellenwerte rechtzeitig vor dem Auslaufen der Schwellenwerte-Verordnung 2025 ins Dauerrecht übernommen werden sollen, so die Feststellung.
Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen passierte eine neuerlich als Initiativantrag von ÖVP, SPÖ und NEOS eingebrachte Vorlage zur EU-weiten Zusammenarbeit von Strafrechtsbehörden den Ausschuss. Die FPÖ pochte außerdem mit einem Gesetzesantrag zur Handysicherstellung auf eine Auswertung der betreffenden Daten durch das Gericht. Letzterer Antrag wurde allerdings mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt, ebenso wie ein Antrag der Freiheitlichen für eine Berufungsmöglichkeit bei Schöffen- und Geschworenenurteilen. "Bitte warten" hieß es im Ausschuss mit den Stimmen der Dreierkoalition auch für Forderungen der Grünen für Vergütungsansprüche für die Werknutzung durch KI-Dienste sowie für eine Verpflichtung zu nachhaltiger Beschaffung im öffentlichen Bereich.
Anpassungen im Erwachsenenschutzrecht nach Einwänden
Die künftige Antragsmöglichkeit zur Erneuerung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung soll zusätzlich zur Möglichkeit des Gerichts, im Verfahren einen Sozialbericht über die betroffene Person einzuholen, eingeführt werden (379/A). Dem war vorausgegangen, dass zu den letzten Änderungen im Erwachsenenschutz mit dem Budgetbegleitgesetz 2025 darauf hingewiesen worden war, dass ein etwaiges Rechtsschutzdefizit entstehen könne. Darüber hinaus soll mit der Vorlage die Verpflichtung von Rechtsanwält:innen und Notar:innen, gerichtliche Erwachsenenvertretungen zu übernehmen, nunmehr nur übergangsweise bis zur Bewältigung der derzeitigen Notlage gelten, so die Erläuterungen. Daher wird diesbezüglich die Wiederherstellung der bisher geltenden Rechtslage nach drei Jahren bzw. mit 1. Juli 2028 vorgesehen. Vor Juli 2028 werde es außerdem einer umfassenden Bewertung des Erwachsenenschutzrechts bedürfen, heißt es im Antrag. Eingebunden werden sollen dabei die betroffenen Stakeholder:innen sowie die zuständigen Ressorts, um zu vermeiden, dass es zukünftig zu ähnlich schwierigen Situationen komme, wie sie aktuell vorliegen würden.
Es habe mehrere kritische Anregungen nach den Änderungen im Erwachsenenschutz mit dem Budgetbegleitgesetz gegeben, denen man jetzt nachkomme, so Selma Yildirim (SPÖ). Sie wies unter anderem auf die künftige Möglichkeit der Anregung einer Überprüfung durch Betroffene und die "Sunset Clause" bis Juli 2028 für die Verpflichtung von Rechtsanwält:innen und Notar:innen hin. Harald Stefan (FPÖ) sieht das neue Antragsrecht der Betroffenen zwar positiv, am Grundproblem wie etwa an der Frist zur Überprüfung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung würde sich aber nichts ändern, daher bleibe er bei der Ablehnung. Ähnlich sieht Alma Zadić (Grüne) zwar Verbesserungen, es ändere sich aber nichts an der Verschlechterung, die durch das Budgetbegleitgesetz herbeigeführt worden sei. Jakob Grüner (ÖVP) wies unter anderem darauf hin, dass es noch einiges an Arbeit gebe, um das Erwachsenenschutzrecht zu optimieren. Anwält:innen und Notar:innen hätten schon bisher einen Beitrag geleistet und würden das auch weiter tun. Es gehe neben der "Sunset Clause" aber etwa auch um die Frage der psychosozialen Kenntnisse für bestimmte Betreuungssituationen. Stephanie Krisper (NEOS) pflichtete dem insofern bei, als dass es mit Blick auf die Ressourcen und die Qualität an der Materie weiterzuarbeiten gelte.
Man sei nunmehr auf die Anregungen eingegangen, dass es ein Antragsrecht der Betroffenen geben soll, ein Clearing in Gang zu setzten, so Justizministerin Anna Sporrer. Dass die Erneuerungs-Clearings umgekehrt nicht mehr verpflichtend seien, wenn etwa keine Verbesserung der Situation des Betroffenen mehr erkennbar sei, entspreche den Rückmeldungen von Stimmen aus der Praxis. Mit der "Sunset Clause" sei man den Einwänden der Rechtsanwält:innen entgegen gekommen, was eine zu hohe Belastung betrifft. Man werde die Situation 2028 wieder beurteilen, auch, was die Entlastung beim Erneuerungs-Clearing betrifft.
EU-Anpassungen bei Vergabeverfahren in grenzüberschreitenden Verkehrsnetzen
Die Gesetzesinitiative mit Änderungen im Bundesvergabegesetz (408/A) dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes, zumal deren Umsetzungsfrist bereits abgelaufen und ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich anhängig sei. Nicht vorgegriffen werden soll damit einer im Regierungsprogramm geplanten Novelle, mit der dem Antrag zufolge auch eine Valorisierung von Schwellenwerten und ihre Überführung ins Dauerrecht umgesetzt werden soll. Die Anpassungen werden im Vergabeverfahren bei grenzüberschreitenden Vorhaben vorgenommen. Sie betreffen grenzüberschreitende Abschnitte eines Kernnetzes bzw. Kernnetzkorridors wie etwa eine Eisenbahnstrecke zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten. So soll es etwa künftig möglich sein, dass die beteiligten öffentlichen Auftraggeber bzw. Sektorenauftraggeber die Anwendbarkeit der nationalen Vergaberegelung oder einer Vergaberegelung der jeweils beteiligten Mitglied- bzw. EWR-Staaten vereinbaren. Ein Ziel der Regelungen ist laut den Erläuterungen, für die Durchführung derartiger Vergabeverfahren eine "Flucht" aus dem "unionalen" Vergaberecht insgesamt zu unterbinden.
Christian Ragger (FPÖ) erinnerte an diesbezüglich massive Probleme bei transeuropäischen Netzen, daher sei die Novelle zielführend. Aus seiner Sicht wäre die geplante Valorisierung der Schwellenwerte allerdings gleich mitumzusetzen. Elke Hanel-Torsch (SPÖ) betonte, es gehe jetzt um die rasche Umsetzung, da es bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gebe. Das Anliegen sei der schnellere Ausbau etwa von Bahnverbindungen oder Wasserstraßen zwischen europäischen Ländern, um ein leistungsfähigeres Netz zu haben. Die größere Novelle mit den Schwellenwerten sei für Frühjahr 2026 geplant, führte Jakob Grüner (ÖVP) gegenüber Ragger aus und wies auf die Ausschussfeststellung hin.
Auch Justizministerin Sporrer wies auf die Dringlichkeit durch das Vertragsverletzungsverfahren hin. Mit der Materie sollen die Vergabeverfahren in transeuropäischen Verkehrsnetzen beschleunigt werden. Es werde jetzt nur das Notwendigste umgesetzt, die größere Novelle für die Schwellenwerte befinde sich bereits in Abstimmung in der Dreierkoalition.
EU-weite Zusammenarbeit von Strafrechtsbehörden
Aufgrund eines formalen Fehlers bei der Beschlussfassung des "Strafrechtlichen EU-Anpassungsgesetzes 2025" vor dem Sommer haben ÖVP, SPÖ und NEOS den Gesetzentwurf neuerlich als Initiativantrag (416/A) eingebracht. Mit den Regelungen soll unter anderem den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht werden, schneller und effizienter Informationen über Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen zu erlangen. Hauptziel ist laut Erläuterungen die Durchführung einer EU-Verordnung zur Einrichtung eines zentralisierten Systems namens "ECRIS-TCN" (Europäisches Strafregisterinformationssystem - Drittstaatsangehörige). Weil gerade bei Drittstaatsangehörigen oft keine verlässlichen Identitätsdokumente vorliegen würden, soll eine eindeutige Identifizierungsmöglichkeit sichergestellt werden. Die EU-Verordnung sieht zu diesem Zweck etwa die verpflichtende Speicherung von Fingerabdrücken im Zentralsystem vor. Auf nationaler Ebene seien dafür datenschutzrechtliche Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung bzw. den Zugriff auf Fingerabdruckdaten erforderlich. Darüber hinaus brauche es Anpassungen etwa in personeller Hinsicht, um eine reibungslose Abwicklung von Anfragen und Beauskunftungen durch das Strafregisteramt bei der Landespolizeidirektion Wien sicherstellen zu können.
FPÖ mit neuerlichem Gesetzesantrag zur Handysicherstellung
Im vergangenen Dezember hat der Nationalrat mit einer breiten Mehrheit von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen die Neuregelung der Handysicherstellung beschlossen. Ein damals ebenfalls vorliegender Antrag der FPÖ zur Neuregelung wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt. Zwischenzeitlich hat die FPÖ ihren Antrag für ein Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 neuerlich vorgelegt (78/A) und zielt damit unter anderem auf eine Auswertung von sichergestellten Daten durch das Gericht ab. Die Freiheitlichen verweisen außerdem etwa auf eine Entscheidung des EuGH, wonach der Eingriff auf das Privatleben auf ein Minimum zu beschränken sei, weiters Art und Kategorie der Straftaten zu definieren seien und ein bloßer Anfangsverdacht nicht ausreiche. Der Grundrechtsschutz bei der Abnahme von Datenträgern sei das Anliegen, unterstrich Harald Stefan (FPÖ). Wenn etwa im Zuge einer möglichen Bundesstaatsanwaltschaft neuerlich über die Strafprozessordnung (StPO) diskutiert werde, solle man auch dieses Thema wieder aufgreifen.
Auf Stefans Frage nach bisherigen Erfahrungen mit den neuen Regelungen zur Handysicherstellung sagte Justizministerin Sporrer, dass es bisher noch keine repräsentative Judikatur gebe, aus der man Schlüsse ableiten könne. Man werde das Thema unter Beobachtung halten.
Muna Duzdar (SPÖ) wies auf die umgesetzte Neuregelung hin, der FPÖ-Antrag beziehe sich auf eine Rechtslage davor. Über offene Punkte könne man in einer künftigen StPO-Reform aber weiter diskutieren. Jetzt gelte es einmal, nach der großen Reform die Zeit arbeiten zu lassen und zu schauen, wie sich das Gesetz in der Praxis niederschlage, so Johanna Jachs (ÖVP). Aus Sicht von Alma Zadić (Grüne) wäre der Antrag der FPÖ nicht praxistauglich und etwa Delikte wie Stalking oder Upskirting wären so nicht mehr verfolgbar.
FPÖ für Berufungsmöglichkeit bei Schöffen- und Geschworenenurteilen
Mit einem weiteren Antrag fordert die FPÖ, bei Schöffen- und Geschworenenurteilen die Möglichkeit der vollen Berufung sowie eine schriftliche Begründungspflicht einzuführen (334/A(E)). Eine solche Begründung würde dem Antrag zufolge ermöglichen, dass Entscheidungen auch für die Öffentlichkeit und nächsthöhere Instanzen nachvollziehbar werden. Bisher bestehe gegen Urteile, die von Schöffen- oder Geschworenenkollegien erlassen werden, keine Möglichkeit der vollumfänglichen Anfechtung der Schuldfrage. Nach geltender Rechtslage müssten diese Urteile auch nicht begründet werden, so der Antrag. Diese Defizite würden fundamentale Prinzipien rechtsstaatlicher Verfahren und den Rechtsweg, selbst bei einem inhaltlichen Fehlurteil, gefährden. Dieser Mangel im Rechtssystem müsse behoben werden, so Markus Tschank (FPÖ).
Johanna Jachs (ÖVP) wies ähnlich wie Muna Duzdar (SPÖ) darauf hin, dass laut Regierungsprogramm eine Überarbeitung des Themas geprüft werden soll.
Grüne für Vergütungsansprüche für die Werknutzung durch KI-Dienste
Die Algorithmen von KI-Systemen wie etwa ChatGPT würden mittels Trainingsdatensätzen trainiert, die sehr oft die Werke von Künstler:innen enthalten würden. Diese Werke würden ohne Zustimmung der Künstler:innen und ohne Vergütung aus legalen und illegalen Quellen aus dem Internet abgesaugt, beanstanden die Grünen. So soll etwa der Internetkonzern Meta riesige Raubkopien-Datenbanken von urheberrechtlich geschützten Büchern zu Trainingszwecken genutzt haben, gab Alma Zadić zu bedenken. Der Zustand sei untragbar, dass Künstler:innen trotz weltweiter massenhafter Nutzungen ihrer Werke und Leistungen durch generative KI-Systeme aktuell keinerlei Vergütungen dafür erhalten, während milliardenschwere Tech-Konzerne damit ihre Services verbessern würden. Unter anderem habe die "Initiative Urheberrecht Österreich" bereits im Herbst einen Vorschlag für eine Regelung generativer KI-Systeme im österreichischen Urheberrecht im Rahmen einer Konferenz vorgestellt. Die Grünen fordern daher mit ihrem Entschließungsantrag eine Gesetzesvorlage, mit der gesetzliche Direktvergütungsansprüche für die Nutzung von Werken und Leistungen durch generative KI-Dienste sichergestellt werden (203/A(E)).
Christian Ragger (FPÖ) schloss sich dem an, dass es hier eine Klarstellung im Sinn des geistigen Eigentums brauche. Sophie Marie Wotschke (NEOS) wies ähnlich wie Friedrich Ofenauer (ÖVP) darauf hin, dass es für dieses Thema allerdings eine Lösung auf EU-Ebene brauche. Justizministerin Sporrer kündigte an, dass sie diese Fragen zum kommenden Rat der Justizminister:innen prioritär mitnehmen und sich dafür einsetzen werde, auf europäischer Ebene eine Lösung voranzutreiben.
Grüne: Verpflichtung zu nachhaltiger Beschaffung
Außerdem fordern die Grünen eine Novellierung des Bundesvergabegesetzes (478/A(E)) für eine rechtlich bindende Verpflichtung aller Einrichtungen des Bundes zur Einhaltung der Kriterien des Aktionsplans nachhaltige Beschaffung ("naBe"). Eine solche Verpflichtung sollte darüber hinaus für alle öffentlichen Einrichtungen eingeführt und auch mit den Bundesländern diesbezüglich Verhandlungen geführt werden, meinte Alma Zadić. Eine solche gesetzliche Verpflichtung des Bundes oder des gesamten öffentlichen Bereichs sei eine wichtige Maßnahme, um die vollständige Umsetzung des Aktionsplans nachhaltige Beschaffung zu erreichen, zeigen sich die Grünen überzeugt. Das könne eine stabile und vorhersehbare Nachfrage nach ökologischer erzeugten Gütern und Dienstleistungen schaffen und die entsprechenden zukunftsträchtigen Unternehmen damit stärken. Bisher seien die "naBe-Kriterien" nur eine freiwillige Selbstverpflichtung.
Die Bundesregierung bekenne sich zum Aktionsplan, so Stephanie Krisper (NEOS). Im Zuge von künftigen Anpassungen im Bundesvergabegesetz könne man weiter auch über diesen Antrag sprechen. (Schluss Justizausschuss) mbu
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