- 30.09.2025, 11:30:32
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“Mutig Demokratie widerständig machen”: Erste Rück-, Ein- und Ausblicke bei den “Geschichte(n) Wiens”
Die vom Wissenschaftsreferat der Stadt Wien mit insgesamt 800.000 Euro geförderten Formate zur Erinnerungskultur nehmen Gestalt an: vom partizipativen Theater bis zur Ausstellung
“Geschichte(n) Wiens” hieß der Projekt-Call, den die Stadt Wien im Vorjahr startete, um den Herausforderungen für eine lebendige Erinnerungskultur in der Gegenwart zu begegnen. Ziel der Initiative – ein Resultat der Kulturstrategie 2030 – war es, auf diesem Weg zeitgemäße Formate der Erinnerungskultur anzustoßen und zu unterstützen. Anfang des Jahres konnten sich neun wissenschaftsbasierte Projekte, Dialog- und Vermittlungsformate zu einer lebendigen Erinnerungskultur dieser Stadt über Förderzusagen (Gesamthöhe 800.000 Euro) der Stadt Wien freuen und in die Realisierungsphase starten.
Mehr als ein halbes Jahr später ist Gelegenheit für erste Rück-, Ein- und Ausblicke. Denn bereits vor dem Sommer fanden Aufführungen des Stationentheaters “widerSTADT” vom Theater der Unterdrückten Wien (Kollektiv Phehnix) für Schüler*innen statt. Stimmiger Schauplatz für das partizipativ gestaltete Stück über die Zeit des Austrofaschismus waren zwei Gemeindebauten aus der Zeit des Roten Wien: der Matteottihof und der Herweghhof in Margareten. Der Matteottihof wurde als Zeichen der internationalen Solidarität nach Giacomo Matteotti, den 1924 von Faschisten ermordeten Generalsekretär der Sozialistischen Partei Italiens benannt und erhielt – 1934 umbenannt – erst nach Kriegsende seinen ursprünglichen Namen wieder. Der politisch-revolutionäre Dichter Georg Herwegh, Mitglied der ersten Internationalen, gab dem benachbarten Herweghhof seinen Namen.
Das Theaterkollektiv Phehnix arbeitete bei der Stückentwicklung mit historischen Quellen zum Austrofaschismus und Biografien der Widerstandsbewegung. Ihre szenischen Stadtteilerkundungen verweben sich mit aktuellen Fragen zu einem demokratischen Miteinander und wurden speziell für Schüler*innen um Diskussionen und Workshops zu Aspekten wie Zivilcourage ergänzt. Im Oktober wird “widerSTADT” im Karl-Seitz-Hof in Floridsdorf neu aufgenommen, in jenem Hof, der während der Februarunruhen 1934 als Widerstandszentrum des Republikanischen Schutzbunds eine besondere Rolle spielte.
Kaup-Hasler: Projekte, die Mut machen, solidarisch für unsere Demokratie einzustehen
Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler nach dem Besuch: “Die Gemeindebauten des Roten Wien bilden eine bestechende historische Kulisse für diese wichtige Auseinandersetzung mit den dunklen Kapiteln unserer Geschichte. Mit großem Engagement wird hier die beklemmende Situation der Menschen im Widerstand gegen den Austrofaschismus nachgestellt, werden aber auch– etwa im gemeinsamen Singen von “Die Arbeiter*innen von Wien” - die Ideale des politischen Widerstands veranschaulicht.” Und Kaup-Hasler weiter: “Überall auf der Welt gerät die Demokratie unter Druck. Das mahnt uns, die Erinnerung an die Zeit des Faschismus lebendig zu halten, wie es viele der im Rahmen des Calls “Geschichte(n) Wiens” geförderten Projekte tun. Denn so erwächst der Mut, solidarisch für die Kostbarkeit unserer Rechte und Freiheiten und ein friedliches Miteinander einzutreten.”
“WiderSTADT”, ein immersives Stationentheater über den Widerstand gegen den Austrofaschismus im Wien der 1930er Jahre, Kollektiv Phehnix (Theater der Unterdrückten Wien), Neuaufnahme im Karl-Seitz-Hof, Spieltermine: 4., 5., 11. und 12. Oktober, jeweils 17 Uhr, am 5. 10. Zusätzlich um 14 Uhr; Podiumsdiskussion “mutig Demokratie widerständig machen” im “Wien Zimmer Gartenstadt”, 11. 10., 19 Uhr, widerSTADT 2025 - tdu-wien.at
Status Quo und Ausblick auf andere Projekte von “Geschichte(n) Wiens”
Ebenfalls dem Widerstand in der NS-Zeit gewidmet ist das Projekt „Resonanz & Widerstand: Dem Klang der Wiener Gegenkultur auf der Spur“ von a_maze - Verein zur Förderung audio-visueller Kunst. Es macht die Geschichte der sogenannten „Schlurfs“ zum Thema und entwickelt dazu transmediale Erinnerungsradtouren. Der Verein hat seine konzeptionellen Vorbereitungen zum künstlerisch und wissenschaftlichen Zugang und zur technischen Umsetzung vor dem Sommer abgeschlossen. In der derzeitigen intensiven historischen Recherchephase zu den Schlurfs wird das um den Historiker Marius Burnautzki erweiterte Team auch vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) unterstützt. – radperformance.at/about/
Zwei Überlebende der nationalsozialisischen Verfolgung stehen im Fokus des Projekts „Ruth Klüger und Ceija Stojka – Auf dem Galgenplatz blüht jetzt der Flieder. Dichten als Kapsel der Erinnerung“. Beide Künstler*innen haben ihre traumatischen Erfahrungen von Gewalt und Terror in ihrer Lyrik verarbeitet. Die Recherchen von Jolifanta bambla – Verein zur Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft zu den künstlerischen Gemeinsamkeiten münden nun in die Ausstellung “Ruth Klüger – Ceija Stojka. Dichten ins Leben“, die am 9. Oktober in der Galerie Mana (Stuckgasse 4, 1070 Wien) eröffnet. Vernissage (9. Oktober, 18 Uhr) mit Lesung von Tamara Stern & Nuna Stojka und Musik von Hojda Stojka. Teil des Rahmenprogramms ist u.a. die Aufführung des Films “Ceija Stojka & Unter den Brettern hellgrünes Gras“ von Karin Berger mit anschließendem Publikumsgespräch, am 23. Oktober, 18 Uhr im Filmhaus am Spittelberg. – galeriemana.at/Galerie
Die Aufarbeitung bisher unerschlossener Patient*innenakten der Psychiatrischen Klinik des Wiener AKH aus dem Jahr 1945 bildet das Fundament von „Wien. Krankensaal 1945”. Die Projektgruppe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nahm den Umstand, dass damals in der Psychiatrie u.a. sowohl verfolgte Jüd*innen, Widerstandskämpfer*innen, aber auch Wehrmachtssoldaten behandelt wurden, zum Ausgangspunkt ihrer Forschung und will die kollektive Zerrissenheit zwischen Opfer- und Täterrolle veranschaulichen.
Das Team hatte inzwischen mehrfach die Gelegenheit, das Projekt vorzustellen: Am 10. April erschien der Blogbeitrag “Verwundete Seelen: Die psychischen Folgen des Zweiten Weltkriegs“ im Standard (derstandard.at/story/3000000264956), im Mai fand eine Präsentation im Rahmen der 51. Tagung der Österr. Gesellschaft für Urologie und der Bayrischen Urologenvereinigung statt. Vertiefend diskutiert wird es bei der Tagung „Trauma, Institutional Knowledge, and Social Order“, die von 3. bis 5. Dezember an der Universität Graz stattfindet. Für die in Folge zu entwickelnden Bühnenformate über die individuellen Erfahrungen von Krieg und Verfolgung konnten die in Wien lebenden Autorinnen Julia Jost und Eva Schörkhuber gewonnen werden. Die szenische Lesung der Texte wird voraussichtlich im April 2026 stattfinden. – oeaw.ac.at/ikw/forschung/wissensproduktion-knowledge-production/projekte/wien-krankensaal-1945
Ein anderer wichtiger Gemeindebau des Roten Wien steht im Zentrum des Projekts „ARCHIV DES ZUHÖRENS: Ein audiographisches Denkmal für Wien Ottakring“: Der 1924-1928 errichtete Sandleitenhof ist mit seinen 1.587 Wohnungen die größte kommunale Wohnanlage Wiens. Der Verein Citizen Carol, Verein für kritische Zusammenhänge in den darstellenden Künsten, macht den Gemeindebau zum lebendigen Wissensspeicher, der einerseits dessen Historie vermittelt (etwa als Schauplatz bei den Februarkämpfen 1934 oder Wohnort vertriebener und später ermordeter Jüdinnen und Juden), andererseits die Lebensgeschichten seine gegenwärtigen Bewohner einholt. Regen Anklang fanden die Zuhör-Sessions im August und September, berichtet das Projektteam. Die Aufzeichnungen der lebensgeschichtlichen Erzählung – mit dem Fokus auf mehrsprachige Personen – dauern an. Erfahrungen und Ergebnisse münden in ein Buch, das zum Projektende im Herbst 2026 präsentiert werden soll. – sohostudios.at/events/archiv-des-zuhorens/
Mehr zur Genese des Projekts:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250226_OTS0055
Bildmaterial:
Zum Download unter presse.wien.gv.at/bilder
Credit: Stadt Wien /Markus Wache
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Mediensprecher StRin Mag.a Veronica Kaup-Hasler
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