• 30.09.2025, 11:25:33
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Hilfswerk und Market Institut präsentieren neue Daten: Die Politik arbeitet in der Pflege an den Menschen vorbei

Pflege und Gesundheit sind neben der Teuerung die wichtigsten Themen für die Bevölkerung. In der Pflege herrscht dringender Handlungsbedarf.

Wien (OTS) - 

Download Präsentationsfolien mit Umfragedetails: https://bit.ly/hilfswerk-pflegestudie

Neben der Teuerung sind Gesundheit und Pflege die wichtigsten Themen, die der österreichischen Bevölkerung aktuell unter den Nägeln brennen“, sagt Werner Beutelmeyer, Vorstand und Geschäftsführer des Market Instituts, anlässlich einer Pressekonferenz des Hilfswerks am Dienstag, den 30. September, in Wien. Das Institut hat im Auftrag des Hilfswerks über 1.000 Personen nach ihren Einschätzungen zur Pflege in Österreich befragt. Beutelmeyer zu den Ergebnissen der empirischen Studie: „Es herrscht dringender Handlungsbedarf in der Pflege. Das kann man völlig eindeutig sagen.“ Othmar Karas, Präsident des Hilfswerk Österreich meint dazu: „Wir leben in Zeiten knapper Budgets und ambitionierter Sparziele. Das sind keine guten Voraussetzungen für wachsende Aufgaben wie wir sie in der Pflege vor uns haben. Umso wichtiger ist es, jetzt das Richtige zu tun. Wir dürfen unsere Rechnung aber nicht ohne die Menschen machen.“ Deshalb sei es dem Hilfswerk wichtig, sich nicht nur auf das Wissen aus dem eigenen Praxisalltag als Pflegeorganisation und wissenschaftliche Analysen zu verlassen, sondern mit einer repräsentativen Umfrage die konkreten Erfahrungen und Vorstellungen der österreichischen Bevölkerung zum Thema in Erfahrung zu bringen.

Nicht einmal die Hälfte der Betroffenen lebt nach den eigenen Vorstellungen

Für 97% der Österreicherinnen und Österreicher ist die Selbstbestimmung über die Form der Pflege und Betreuung laut Umfrage sehr wichtig oder wichtig, um in Würde altern zu können. Aber mehr als die Hälfte (58%) der befragten Pflegegeldbezieher und -bezieherinnen hat die Entscheidung für die aktuelle Form der Unterstützung NICHT im Wesentlichen nach den eigenen Vorstellungen getroffen. Äußere und familiäre Umstände sowie die Leistbarkeit sind dabei entscheidende Faktoren. Befragt man die Gesamtbevölkerung nach ihren Wunschvorstellungen bewerten 69% die Kombination aus Pflege durch Angehörige und mobile Dienste mit den Schulnoten 1 und 2, je 48% bewerten die aus­schließliche Betreuung durch Angehörige oder mobile Dienste oder eine 24-Stunden-Betreuung mit 1 oder 2, 46% Betreutes Wohnen, nur 18% bewerten das Pflegeheim mit sehr gut oder gut. 87% wünschen sich mehr bedarfsgerechte mobile Dienste, 85% wünschen sich, dass mobile Dienste günstiger angeboten werden.

Für Pflegeheime, mobile Dienste und Tariftabellen (Selbstbehalte) sind die Bundesländer zuständig. „Pflegorganisationen wie wir können uns nur im vorgegebenen Rahmen bewegen“, sagt Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich. „Wir würden uns oft mehr Spielraum wünschen, um individuellere und damit hilfreichere Unterstützungsarrangements schnüren zu können“, meint Anselm. Wichtig sind den Befragten auch bessere Angebote für Angehörige (80%) und eine Erhöhung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung (78%). Letztere sei laut Hilfswerk auch längst überfällig, da sie seit ihrer Einführung erst einmal erhöht worden ist.

Unmissverständlicher Aufforderung an Politik für Stärkung der Pflege zu Hause

Mit 81% äußert die Bevölkerung den klaren Wunsch, im Falle der Pflegebedürftigkeit zu Hause betreut zu werden, lediglich 19% wollen in ein Pflegeheim. 95% der Österreicherinnen und Österreicher finden, dass der Staat mehr für pflegebedürftige Menschen tun soll, die zu Hause leben und dort von Angehörigen und mobilen Diensten unterstützt werden. 87% fordern bei gleicher Pflegebedürftigkeit eine finanzielle Gleichbehandlung von pflegebedürftigen Menschen zu Hause mit jenen in Pflegeheimen. „Der völlig unmissverständliche Auftrag der Bevölkerung nach einer Stärkung der Pflege und Betreuung zu Hause findet sich grundsätzlich auch im Regierungsprogramm und in den Vorhaben der Länder wieder“, erläutert Hilfswerk-Präsident Karas. „Aber in der Realität steuern wir in die andere Richtung. Seit der Abschaffung des Pflegeregresses in den Heimen stellen wir einen statistisch nachweisbaren Zulauf zu stationären Einrichtungen fest. Man hat es verabsäumt, die Pflege zu Hause im selben Maß zu attraktivieren, etwa durch bedarfsgerechtere Unterstützungsangebote, eine bessere Leistbarkeit und weniger Bürokratie“, bedauert Karas. Es brauche zwar Pflegeheime, diese seien aber naturgemäß ressourcenintensiv. So hätten die gesamten Investitionen in mobile Dienste in einem Jahr zwei Mal Platz allein im Zuwachs an Investitionen in die stationäre Pflege seit dem Ende des Pflegeregresses.

Finanzielle Sorgen und mangelnde Akzeptanz für Pflegegeldeinstufung

Betrachtet man die finanzielle Gesamtsituation von Pflegegeldbezieherinnen und -beziehern, so sagen 34% der Betroffenen, dass sie sehr gut zurechtkämen, aber nur 25% der Angehörigen sehen das so. Jene, die angeben, sie kämen gar nicht oder nur einigermaßen zurecht, müsse man laut Market-Chef Beutelmeyer addieren: „Wir wissen, dass die Menschen eher schamhaft sind bei solchen Angaben. Das Ergebnis von 66% bei den Betroffenen und 75% bei den Angehörigen, die gar nicht oder nur einigermaßen zurechtkommen, zeigt, dass wir hier ein Problem haben.“ Betreffend die Zukunft machen sich satte 92% der Gesamtbevölkerung Sorgen, ob sie oder ihre Familien sich die gewünschte Betreuung und Pflege in Zukunft leisten können, 55% sogar sehr große oder große Sorgen. Ein Problem ist auch die Pflegegeldeinstufung. Sie hat erhebliche Akzeptanzprobleme. Fast die Hälfte (49%) der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher fühlen sich falsch eingestuft, bei den Angehörigen sehen das 56% so. „Die Pflegegeldbegutachtung ist uns schon länger ein Dorn im Auge, sie gehört dringend überarbeitet“, fordert Hilfswerk-Geschäftsführerin Anselm. „Immerhin mündet die Hälfte der Beeinspruchungen in eine Stattgebung oder in einen Vergleich“, so Anselm.

Quälende Bürokratie legt die Kräfte von Betroffenen und Angehörigen lahm

Ein klarer Handlungsauftrag ergeht an die Politik auch in Sachen Bürokratie. 82% der Befragten gibt an, dass es einen Abbau von Bürokratie und bessere Beratung brauche. Damit liegt dieser Wunsch unter den Top Drei der geforderten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation für die Pflege und Betreuung zu Hause. „Es hat uns überrascht, dass das Thema Bürokratie so weit vorne liegt. Dass es die Betroffenen und Angehörigen belastet, war uns aber klar. Das sehen wir jeden Tag“, erzählt Hilfswerk-Geschäftsführerin Anselm. Im Durchschnitt hätten pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige laut Hilfswerk (laufend) mit etwa 8 bis 10 unterschiedlichen Behörden und Dienstleistern zu tun, von den Pensions- und Gesundheitskassen über Stellen der Länder und des Bundes bis hin zu Ärzten und Bandagisten. „Es wird nicht konsequent gebündelt, es wird oft nicht ausreichend kooperiert, es wird zu wenig operativ abgenommen“, kritisiert Anselm. Die Angebote zur Beratung seien in den Regionen höchst unterschiedlich. „Kein Wunder, dass manche Angehörige irgendwann zermürbt das Handtuch werfen“, meint Anselm. Pflegeorganisationen übernehmen so viel organisatorische Unterstützung wie möglich, diese Leistungen seien aber oft nicht hinreichend in den Leistungs- und Finanzierungskatalogen der Länder abgebildet.

Nach der Pflegereform ist vor der Pflegereform

„Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist es derzeit politisch viel zu ruhig um die Pflege“, bedauert Hilfswerk-Präsident Karas. „Nach der Pflegereform der letzten Legislaturperiode, deren Herzstück eine Ausbildungsoffensive war, geht es nun um eine effektive, bedarfsgerechte und zukunftsfähige Versorgungslandschaft“, sagt Karas. „Würdiges Altern in Österreich darf weder am Geld noch an überbordender Bürokratie noch an mangelnder Selbstbestimmung scheitern. Bund, Länder und Gemeinden müssen sich endlich auf einen verbindlichen Prozess einlassen, um abgestimmte und nachhaltige Versorgungsstrategien zu entwickeln. Wann tagt beispielsweise die Pflegeentwicklungskommission wieder? Wann gibt es beispielsweise eine parlamentarische Enquete zum Thema Pflege und Betreuung zu Hause?“, fragt der Hilfswerk-Präsident und schließt mit einer Aufforderung: „Lassen Sie uns endlich anfangen! Und zwar so rasch als möglich! Und lassen Sie uns mehr auf die Menschen hören. Sie geben klare Antworten. Wenn wir sie fragen ...“

Über das Hilfswerk Österreich

Das Hilfswerk Österreich ist mit seinen Landes- und Teilverbänden einer der größten gemeinnützigen Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste in Österreich. Als Arbeitgeber von rund 7.000 Pflegefachkräften und Betreuungskräften pflegt und betreut das Hilfswerk laufend mehr als 31.000 ältere und chronisch kranke Menschen. Damit ist das Hilfswerk in Österreich die Nr. 1 in der Pflege zu Hause. Zudem ist das Hilfswerk als Träger stationärer Einrichtungen für zwanzig Seniorenpensionen/-heime, 21 geriatrische Tages(struktur)zentren sowie 82 Einrichtungen des Betreuten Wohnens zuständig.

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Rückfragen & Kontakt

Hilfswerk Österreich
Mag. Monika Jonasch-Lykourinos
Telefon: T: +43 1 4057500220 | M: +43 676 878760206
E-Mail: monika.jonasch-lykourinos@hilfswerk.at
Website: https://www.hilfswerk.at/oesterreich

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