• 25.09.2025, 17:04:32
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Kinderschutz in sozialpädagogischen Einrichtungen

Kinder- und Jugendanwält*innen fordern gesetzliche Verankerung von externen Vertrauenspersonen und Ombudsstellen für kindgerechten Schutz.

Wien (OTS) - 

„Kinder und Jugendliche, die nicht bei ihren Familien aufwachsen können, haben das Recht auf besonderen Schutz und Beistand des Staates“, so steht es in Artikel 20 UN-Kinderrechtskonvention und im Artikel 2 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz über die Rechte von Kindern.

Kinder sind die vulnerabelsten Mitglieder unserer Gesellschaft. In allen Einrichtungen und Institutionen, in denen Kinder kurzfristig oder auf Dauer untergebracht, besteht die Möglichkeit, dass sie von Gewalt oder Übergriffen betroffen sind. Wenn Kinder und Jugendliche nicht in ihren Familien aufwachsen können, haben sie in der Vergangenheit zudem meist bereits viele belastende und oft traumatisierende Erfahrungen gemacht, wie etwa Konflikte in der Familie, Gewalterfahrungen oder Beziehungsabbrüche.

„Umso wichtiger ist es, sie umfassend vor jeglicher Form von Gewalt zu schützen und ihre Rechte auf Mitsprache und Privatsphäre abzusichern. Unabhängige externe Vertrauenspersonen, an die sie sich bei Problemen oder auch Übergriffen wenden können, leisten einen wesentlichen Beitrag dazu“, sind die Kinder- und Jugendanwält*innen Österreichs überzeugt.

In den meisten österreichischen Bundesländern nehmen diese Funktion der externen „Kinderanwaltlichen Vertrauensperson“ die Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendanwaltschaften (kijas) wahr. Dies mit unterschiedlicher Ausgestaltung und Intensität, da nach wie vor die gesetzlichen Grundlagen für diese wichtige Aufgabe und in den meisten Bundesländern sowie auch die erforderlichen personellen Ressourcen dafür fehlen. Bereits seit vielen Jahren weisen die kijas auf die Notwendigkeit der rechtlichen und personellen Absicherung dieser Tätigkeit hin.

Kinder und Jugendliche, die auch mit Unterstützungsmaßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe nicht in ihren Familien aufwachsen können, werden im Rahmen der „Vollen Erziehung“ in einer sozialpädagogischen Wohngruppe oder bei Pflegeeltern untergebracht. Im Jahr 2024 wurden österreichweit insgesamt 13.050 Kinder und Jugendliche im Rahmen der Vollen Erziehung betreut. 8.133 von ihnen in sozialpädagogischen Einrichtungen, 5.051 bei Pflegeeltern. (Quelle: Kinder- und Jugendhilfestatistik 2024)

Um Kinder und Jugendliche in Einrichtungen zu schützen, sehen die Österreichischen Kinder- und Jugendanwält*innen folgenden Reformbedarf:

  • Es braucht eine gesetzliche Grundlage für Vertrauenspersonen;

  • Es braucht Ressourcen, damit diese Aufgabe einheitlich in Österreich erfüllt werden kann;

  • Es braucht Kinderschutzkonzepte in allen Einrichtungen.

Aus den Erfahrungen ehemaliger Heim- und Pflegekinder nichts gelernt?

In der Vergangenheit – beginnend um das Jahr 2010 – lösten Berichte ehemaliger Heim- und Pflegekinder über Demütigungen und Gewalt in Einrichtungen der Kirche, der Länder und des Bundes in ganz Österreich Aufarbeitungsprozesse aus, in den in vielen Bundesländern auch die Kinder- und Jugendanwaltschaften aktiv, als Opferschutzstellen involviert sind/waren.

Diese intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit brachte auch die Mechanismen und Strukturen zutage, die ein „geschlossenes System“ ermöglicht. Viele der ehemaligen Heim- und Pflegekinder berichteten, dass sie sich in ihrer damaligen Situation hilflos und ausgeliefert gefühlt hatten. Die Betroffenen gaben an, dass ihnen vor allem eine externe Vertrauensperson gefehlt hatte, an die sie sich hätten wenden können. Für die Akzeptanz einer solchen Person sind Unabhängigkeit, leichte Erreichbarkeit und Vertraulichkeit wesentlich, sie dürfe daher nicht bei den Trägern der Kinder- und Jugendheime oder bei der behördlichen Kinder- und Jugendhilfe angesiedelt sein. Diese Erkenntnisse waren der Anstoß für das Pilotprojekt der „Kinderanwaltlichen Vertrauensperson“.

Kinder in sozialpädagogischen Einrichtungen heute und morgen

In den letzten Jahren haben im Bereich der Unterbringung von Kindern durch die Kinder- und Jugendhilfe, viele positive Entwicklungen stattgefunden, die zur Qualitätssicherung in den Einrichtungen und damit zu einem gewaltfreien Lebensumfeld junger Menschen beitragen sollen. Dennoch zeigen die Vorfälle aus der jüngsten Vergangenheit, dass Kinderschutz ein Bündel an Maßnahmen braucht.

Da den Kinderanwaltlichen Vertrauenspersonen für unangekündigte oder von den Einrichtungen nicht unterstützte Besuche in manchen Bundesländern die Grundlage fehlt, sind dort Besuche der kija Mitarbeiter*innen letztlich nur möglich, wenn die Leitung der jeweiligen sozialpädagogischen Einrichtung diesen ausdrücklich zustimmt oder ermöglicht. Nach anfänglicher Skepsis zu Beginn dieser Tätigkeit vor einigen Jahren stehen heute die meisten Einrichtungen der Kinderanwaltlichen Vertrauensperson sehr offen und wohlwollend gegenüber. Dennoch ist insbesondere in den Bundesländern ohne Grundlage zu befürchten, dass gerade jene sozialpädagogischen Einrichtungen, in denen Missstände bestehen könnten, einem Besuch nicht zustimmen würden.

Durch die Tätigkeit der Kinderanwaltlichen Vertrauensperson werden die Zuständigkeiten der sozialpädagogischen Einrichtungen und der Fachaufsicht des jeweiligen Landes (Kontrolle der Einrichtungen) sowie der Menschenrechtskommissionen der Volksanwaltschaft kindgerecht und sehr niedrigschwellig ergänzt. Um den Zugang zu allen in öffentlichen Einrichtungen untergebrachten Kindern und Jugendlichen – unabhängig von der Zustimmung der Einrichtungsleitung – sicherzustellen, wird für die Zukunft eine gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit als „Kinderanwaltliche Vertrauensperson“ erforderlich sein. Diese sollte in ganz Österreich gleich ausgestaltet sein, um Kindern und Jugendlichen einen ausreichenden Schutz zu ermöglichen.

Auch von internationaler Seite wird dieser kinderrechtlichen Aufgabe besondere Bedeutung zugemessen. So sprach der UN-Kinderrechtsausschuss nach dem abgeschlossenen Staatenprüfungsverfahren (2019/20) gegenüber Österreich die Empfehlung aus, neben dem bisherigen Einsatzbereich „...die ‚Kinderanwaltliche Vertrauensperson‘ auf alle Kinder in öffentlichen Einrichtungen auszuweiten, einschließlich Einrichtungen für Kinder mit Behinderungen, für unbegleitete Minderjährige Fremde, der Jugendpsychiatrie oder auch in Jugendgefängnissen.“

Kinderschutzkonzepte gegen Gewalt in Institutionen unerlässlich

Wenn Kinder und Jugendliche Opfer von Übergriffen in Institutionen werden, die eigentlich für ihren Schutz verantwortlich wären, liegen die häufig strukturellen Defizite zugrunde – etwa die Überforderung der Betreuungspersonen oder auch zu wenige Ressourcen.

Seit dem Schuljahr 2024/25 sind alle Schulen verpflichtet, ein Kinderschutzkonzept zu erstellen. Auch viele sozialpädagogische Einrichtungen haben ein solches erarbeitet oder befinden sich im Erstellungsprozess, auch wenn das noch nicht für alle Kinderbetreuungseinrichtungen verpflichtend ist.

Kinderschutzkonzepte sollen das Risiko für Übergriffe oder Grenzverletzungen so weit wie möglich minimieren. Dazu werden alle denkbaren Risikosituationen analysiert und Richtlinien für die Erwachsenen erstellt, wie sie sich in potenziell riskanten Situationen verhalten sollen. Diese Richtlinien werden in einem Verhaltenskodex zusammengefasst, zu dem sich alle Mitarbeitenden der Organisation verpflichten müssen.

Gleichzeitig wird auch ein Beschwerdemanagement festgelegt, um richtig reagieren zu können, wenn es trotz aller vorhandenen Vorsichtsmaßnahmen doch zu einer Gefährdung eines Kindes oder zu einem Übergriff kommt. Als Ansprechpersonen werden Kinderschutzbeauftragte, aber auch externe Beschwerdestellen benannt wie die Kinder- und Jugendanwaltschaften. Ebenso enthält das Kinderschutzkonzept einen genauen Interventionsplan, wie im Falle eines Übergriffs bzw. eines Verdachts vorzugehen ist, um das betroffene Kind bestmöglich zu schützen und zu unterstützen.

Letztendlich müssen Kinderschutzkonzepte aber auch gelebt und umgesetzt werden – externe Beschwerde- und Anlaufstellen sowie externe Begleitung bei der Aufarbeitung von Beschwerdefällen sind daher unerlässlich, um Kinder wirksam zu schützen.

Rückfragen & Kontakt

Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien
Mag.a Sonja Benyes
Telefon: +43/1/70 77 000
E-Mail: sonja.benyes@wien.gv.at
Website: https://kija-wien.at

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