• 25.09.2025, 09:00:39
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EU bleibt wirtschaftliche Führungsmacht in ihrer Nachbarschaft – Rivalen holen jedoch auf

Neuer Geoeconomic Interconnectivity Index (GEOII) zeigt: EU sollte Wirtschaftsbeziehungen zu Nachbarn strategisch nutzen, um im Wettbewerb mit China, Russland und USA zu bestehen

Wien (OTS) - 

Die EU bleibt in ihrer Nachbarschaft die stärkste wirtschaftliche Macht – deutlich vor China, Russland und den USA. Doch in wichtigen Regionen holen Rivalen auf. Der Index misst die Verflechtungen zwischen 2010 und 2023 – im Vergleich zu den drei Großmächten China, Russland und den USA. Er verdeutlicht, wo die Europäische Union Potenziale hat, ihre geoökonomische Rolle zu stärken, und wo Wachsamkeit geboten ist, um nicht an Boden zu verlieren. Die Ergebnisse des Index sollen dazu beitragen, die EU-Nachbarschaftsstrategien zu schärfen.

Angesichts der Rückkehr der klassischen Großmachtpolitik wird deutlich: Wirtschaftliche Verflechtung ist für Europa kein Selbstläufer, sondern ein strategisches Instrument, das Stabilität und Einfluss sichern kann. „Europa bleibt der wichtigste Partner in seiner Nachbarschaft. Seit 2021 hat die EU jedoch an relativem Gewicht verloren, während China systematisch aufholt. Gleichzeitig ziehen sich die USA – mit Ausnahme Israels – wirtschaftlich aus der Region zurück. In der Ukraine und der Republik Moldau zeigt sich zudem, dass selbst enge wirtschaftliche Verflechtungen mit der EU Russland nicht davon abhalten, kriegerische Gewalt bzw. Mittel hybrider Destabilisierung einzusetzen. Dafür schien Moskau auch der Preis der eigenen Entkopplung von der EU nicht zu hoch. Das verdeutlicht: Europas wirtschaftliche Verflechtung sichert nicht automatisch Frieden. Dennoch sollte sie strategisch eingesetzt werden – gezielter und entschlossener als bisher,“ sagt Daniela Schwarzer, Vorständin der Bertelsmann Stiftung.

Osteuropa: EU stärkt Partnerschaften, Russland setzt auf Gewalt

Seit 2014 hat die EU ihre wirtschaftlichen Beziehungen in der östlichen Nachbarschaft – insbesondere mit der Ukraine und der Republik Moldau – deutlich vertieft. Der Geoökonomie-Index zeigt, wie heterogen die Region geworden ist: Während einige Länder entschlossen den Weg in Richtung EU-Mitgliedschaft verfolgen – ein Kurs, den Russland mit Einschüchterung und Aggression zu bestrafen sucht –, orientieren sich andere Staaten nur teilweise an Brüssel oder bleiben eng mit Moskau verflochten. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine macht deutlich, dass die von der EU erreichten Fortschritte bei wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Verflechtung nicht auf die Sicherheit und Stabilität dieser Länder einzahlen.

„Das zentrale Ergebnis ist, dass die EU ihre wirtschaftliche Anziehungskraft in der Region zwar deutlich steigern konnte, ihr geopolitischer Einfluss jedoch begrenzt bleibt“, sagt Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und Co-Autor der Studie. „Russland setzt auf Gewalt, nicht auf wirtschaftliche Integration – und dem hat die EU bislang wenig entgegenzusetzen.“

Nordafrika und Naher Osten: China holt auf

Auch im Süden – von Algerien bis Tunesien – bleibt die EU der wichtigste Handels- und Investitionspartner. Doch China gewinnt rasant an Gewicht, vor allem durch Infrastrukturprojekte und Hightech-Exporte, etwa nach Ägypten und Marokko.

„Die EU ist in Nordafrika und im Nahen Osten zwar noch führender Partner, aber China holt rasant auf. Der bisher oft beschworene ‚Brussels Effect‘ – also die weltweite Übernahme europäischer Standards – zeigt sich angesichts chinesischer Infrastrukturprojekte und Hightech-Exporte zunehmend als ineffektiv. Um attraktiv zu bleiben, muss die EU ihre Handelspolitik erneuern und bei Normen und Standards so vorgehen, dass diese für Partnerländer keine zusätzlichen Kostenbelastungen bedeuten, sondern echten Mehrwert schaffen“, betont Philipp Lamprecht, Direktor am European Centre for International Political Economy (ECIPE).

Westbalkan und Türkei: Führungsrolle der EU unter Druck

Der GEOII macht deutlich: Im Westbalkan und in der Türkei ist die EU weiterhin mit großem Abstand der wichtigste Partner. In allen untersuchten Dimensionen – Handel, Finanzen und Politik – liegt sie vorn. Gleichzeitig wächst jedoch der Druck von außen: China baut im Westbalkan seinen Einfluss durch Infrastrukturprojekte und Investitionen aus, während in der Türkei Russland den Energiesektor dominiert und China bei Hightech- und grünen Technologien an Boden gewinnt.

„Wirtschaftlich liegt die EU im Westbalkan nach wie vor klar vorn – doch wenn sich die Umsetzung des Beitrittsversprechens weiter verzögert, ist dieser Vorsprung nicht garantiert. Die Türkei zeigt, wohin das führen kann: Ein Beitritt ist dort längst außer Reichweite, und selbst eine Modernisierung der Zollunion, die Bindung schaffen könnte, kommt seit Jahren nicht voran“, so Etienne Höra, Handelsexperte der Bertelsmann Stiftung und Co-Autor der Studie.

Ausblick und Handlungsempfehlungen

Der GEOII zeigt: Marktmacht allein schafft keine Gestaltungsmacht oder partnerschaftliche Beziehungen. Die EU muss die Kraft ihres Binnenmarktes und ihre wirtschaftlichen Verflechtungen strategisch einsetzen, um Stabilität und Partnerschaften in der Nachbarschaft zu fördern, zum Beispiel durch:

  • Erneuerung der Beitrittspolitik: Einführung eines stufenweisen Integrationsprozesses für den Westbalkan

  • Modernisierung und Vertiefung der Zollunion mit der Türkei.

  • Ausbau des Global Gateway als EU-eigene strategische Infrastrukturinitiative

  • Gezielte Nutzung von Märkten, Kapital und Regulierung als strategische Hebel, um Stabilität und partnerschaftliche Beziehungen zu fördern

Die detaillierte Langfassung der Pressemitteilung steht hier zur Verfügung.

Die gesamte Studie kann hier heruntergeladen werden.

Online-Präsentation des GEOII-Index am 1. Oktober um 14:00 Uhr

Rückfragen & Kontakt

Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw)
Mag. Andreas Knapp
Telefon: +43 680 1342 785
E-Mail: knapp@wiiw.ac.at

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