- 24.09.2025, 17:33:32
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Neutralitätsdebatte im Nationalrat: Parteien tauschen bekannte Positionen aus
"Kein NATO-Beitritt" soll laut Volksbegehren in der Verfassung verankert werden
Mit einer Debatte über die Neutralität, die grundsätzliche Ausrichtung der österreichischen Sicherheitspolitik sowie über die Haltung der Parteien zum Nordatlantikpakt setzte der Nationalrat seine Beratungen über ein weiteres Volksbegehren fort. Das von 109.089 Personen unterstützte Bürgeranliegen enthält die zentrale Forderung, das bestehende Neutralitätsgesetz um eine Verfassungsbestimmung zu ergänzen, wodurch Österreich der Beitritt zur NATO explizit untersagt wird.
Nachdem im letzten Verfassungsausschuss bereits ein Hearing mit Expert:innen dazu stattgefunden hat, tauschten die Fraktionen heute erneut ihre Standpunkte zu diesem Thema aus. FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst übte vor allem an der Außenministerin Kritik, die nicht nur "gegen die Prinzipien der Neutralität verstoße", sondern auch über einen Beitritt zur NATO diskutieren wolle.
Angesichts der Bedrohung der Sicherheit in Europa, müsse das Bundesheer modernisiert und die Wehrhaftigkeit der EU gestärkt werden, meinte Wolfgang Gerstl (ÖVP). Die SPÖ habe die österreichische Neutralität immer verteidigt und werde das weiterhin auch tun, bekräftigte Abgeordnete Selma Yildirim. Dennoch könne sich Österreich etwa im Rahmen der Beistandspflicht in der EU an diplomatischen und wirtschaftlichen Sanktionen beteiligen.
NEOS-Mandatar Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) hob die Bedeutung von europäischer Zusammenarbeit wie im Fall von Sky Shield hervor. Die Grünen stehen für eine aktive Neutralitätspolitik, also eine enge und verlässliche Zusammenarbeit mit den Partnerländern, betonte Abgeordnete Alma Zadić.
Der von den Freiheitlichen im Laufe der Sitzung eingebrachte Entschließungsantrag betreffend "Rückbesinnung auf eine aktive Neutralitäts- und Friedenspolitik" fand bei der Abstimmung keine Mehrheit. Der Bericht zum Volksbegehren wurde hingegen einstimmig zur Kenntnis genommen.
FPÖ für "Rückbesinnung zu einer echten und wehrhaften Neutralität"
Susanne Fürst (FPÖ) dankte den Initiator:innen des Volksbegehrens zum Thema Neutralität, das mittlerweile sehr aktuell und brisant geworden sei. Zurückzuführen sei dies vor allem auf das Agieren der Bundesregierung und dabei insbesondere der Außenministerin, der offensichtlich nicht bekannt sei, dass die Neutralität eine verfassungs- und völkerrechtliche Verpflichtung darstelle. Seit ihrem Amtsantritt lasse Meinl-Reisinger "ihrem Geltungsdrang zum Schaden Österreichs freien Lauf", kritisierte Fürst nachdrücklich. So sei sie etwa in den letzten Monaten bereits drei Mal "zum Krieg schauen und zum Geld verteilen" in die Ukraine gereist. Die Außenministerin habe sich dort bedingungslos zu einer Kriegspartei bekannt, was aber der Gegenteil von Neutralität sei. Außerdem habe die Ministerin in einem Interview mit Bedauern festgestellt, dass es derzeit keine Mehrheit für einen Beitritt zur NATO gebe.
Generell werde Österreich über Umwege - Stichwort Sky Shield - in militärische Strukturen in Europa eingebunden, kritisierte Abgeordneter Michael Gmeindl. Von einem "gefährlichen Spiel" sprach auch Markus Tschank (FPÖ), der davor warnte, die Neutralität insgesamt in Frage zu stellen. Die Neutralität, die für ihn "ein Geschenk des Himmels sei", könne aber nur dann von Nutzen sein, wenn sie entsprechend gelebt und verteidigt werde. Die Freiheitlichen stehen für einen Ausbau hin zu einer "wehrhaften Neutralität als Schutzwall gegen jede Form der Aggression".
ÖVP für Modernisierung des Bundesheers und Stärkung der Wehrhaftigkeit Europas
ÖVP-Vertreter Friedrich Ofenauer wiederholte seine schon im Verfassungsausschuss geäußerte Position, wonach ein NATO-Beitritt Österreichs gar nicht zur Debatte stehe. Dies wäre allein schon aus rechtlicher Sicht gar nicht möglich, zumal das Neutralitätsgesetz seit dem Jahr 1955 in der Verfassung verankert sei. Es handle sich dabei aber nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, hielt Ofenauer der Abgeordneten Fürst entgegen. Somit stehe es Österreich frei, selbst zu entscheiden, wie es diese Neutralität interpretiere, ausübe oder lebe. Auf jeden Fall sei man aber verpflichtet, sich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen. Mit der Modernisierung des Bundesheeres werde daher der richtige Weg beschritten, zeigte sich Ofenauer überzeugt.
Der Angriffskrieg Russlands habe bereits mehr als eine Million Tote und Verwundete verursacht, erinnerte sein Fraktionskollege Wolfgang Gerstl. Dass die Bedrohung nicht nur auf die Ukraine begrenzt sei, würden die Verletzungen des europäischen Luftraums durch russische Drohnen und Flugzeuge in den letzten Wochen sowie die zunehmenden hybriden Angriffe in ganz Europa belegen. Da die Sicherheit in Europa eindeutig bedroht sei, müssten entsprechende Vorkehrungen getroffen und die Wehrhaftigkeit der Länder gestärkt werden, forderte Gerstl. Deshalb sei es so wichtig, die Beschaffung von Drohnen und weiterer moderner Ausrüstung sowie das Projekt Sky Shield zu unterstützen.
SPÖ lehnt NATO-Beitritt Österreichs klar ab
Die SPÖ habe die österreichische Neutralität immer verteidigt und werde das weiterhin auch tun, bekräftigte Abgeordnete Selma Yildirim. Ein Beitritt zur NATO werde von ihrer Fraktion strikt abgelehnt. Was die Begriffsdefinition angeht, so sei immer die militärische Neutralität und niemals die politische Neutralität gemeint gewesen. Vertreter:innen von neutralen Staaten hätten daher das Recht, "Aggressoren zu benennen und zu verurteilen". Auch sei klar, dass sich Österreich im Rahmen der Beistandspflicht in der EU an diplomatischen und wirtschaftlichen Sanktionen beteiligen könne. Zudem habe Österreich die Möglichkeit, im Rahmen der NATO-Partnerschaft für den Frieden zum Schutz der Zivilbevölkerung in Krisenregionen beizutragen. All dies müsse aber immer im Einklang mit der immerwährenden Neutralität stehen, betonte Yildirim.
Laut Neutralitätsgesetz könne die Republik Österreich keinem Militärbündnis beitreten, stellte Bernhard Herzog (SPÖ) "noch einmal eindeutig" klar. Auch wenn es einige nun vergessen wollen, so sei es aber zu belegen, dass die Freiheitlichen in den 1990er-Jahren zu den vehementesten Unterstützern eines NATO-Beitritts gehört haben. Vielleicht habe damals sogar Herbert Kickl Reden für den damaligen Parteichef Haider geschrieben, mutmaßte Herzog.
NEOS weist Aussagen der FPÖ zurück
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) ging zunächst auf die Aussagen der FPÖ-Abgeordneten Fürst ein, die aus seiner Sicht einige "Ungeheuerlichkeiten" enthalten hätten. So habe niemand einen NATO-Beitritt Österreichs gefordert, auch nicht die aktuelle Außenministerin. Zudem sei die Ukraine keine "Kriegspartei", sondern Opfer in dem Konflikt mit Russland, unterstrich er. Außerdem sei kein einziger FPÖ-Mandatar jemals bei einer parlamentarischen Reise in die Ukraine mitgefahren. Im Gegensatz zu "Behauptungen" von Seiten der Freiheitlichen gab Hoyos-Trauttmannsdorff auch zu bedenken, dass Sky Shield eine europäische Initiative sei. Und die Sicherheit in Europa sei die Sicherheit für Österreich.
Grüne wünschen sich aktivere Rolle Österreichs im Bereich der internationalen Diplomatie
Alma Zadić (Grüne) erinnerte an die Diskussion im Verfassungsausschuss, wo die beiden Experten des Außen- und Verteidigungsministeriums betont hätten, dass ein Beitritt zur NATO nicht angestrebt werde und aufgrund des Neutralitätsgesetzes auch ausgeschlossen sei. Dies sei auch die Linie der Grünen, erklärte sie. Um die Sicherheit in Europa und Österreich zu gewährleisten, brauche es im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik vor allem eine enge und verlässliche Kooperation mit den Partnerländern. Schon seit 1995 arbeite Österreich eng mit den NATO-Staaten zusammen, merkte Zadić an, und dies sei angesichts des Krieges in der Ukraine wichtiger denn je. Sie wünschte sich, dass Österreich wieder eine relevante Rolle in der internationalen Staatengemeinschaft und der Diplomatie spiele, wie es schon früher einmal der Fall gewesen sei. (Fortsetzung Nationalrat) sue
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