- 20.09.2025, 08:00:33
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ÖGfE-Schmidt: Weltlage und Wirtschaftsschwäche drücken die heimische EU-Stimmung
61 Prozent pro EU-Mitgliedschaft, 29 Prozent contra | 54 Prozent sehen EU-US-Zolldeal skeptisch | Umfrage
„Die angespannte geopolitische Lage, eine schwächelnde Wirtschaft, hartnäckig hohe Inflationsraten sowie die starke Präsenz europakritischer Stimmen hinterlassen im heimischen EU-Meinungsbild ihre Spuren. Während die Europäische Union darum kämpft, sich zu behaupten und im Konzert der Mächtigen mitzuspielen, ist die Verunsicherung hierzulande groß und die Zuversicht begrenzt“, sagt Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), in Bezug auf die aktuellsten ÖGfE-Umfrageergebnisse.
Im ÖGfE-Stimmungsbarometer von September sind 6 von 10 Befragten (61 Prozent) der Meinung, dass Österreich Mitglied der EU bleiben sollte, 29 Prozent sprechen sich für einen EU-Austritt aus, 11 Prozent sind sich in ihrem Urteil unsicher oder geben keine Antwort. Damit verfestigt sich eine Tendenz steigender EU-Skepsis, die lediglich rund um die Europawahlen im letzten Jahr unterbrochen wurde: In einer Blitzumfrage am Tag nach der Wahl, bei der die FPÖ erstmals stärkste Kraft wurde, war die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft - kurzfristig - auf 76 Prozent gestiegen.
„Im langfristigen Trend - 74 Umfragen seit 1995 - liegt die Zahl der Befürworter:innen der heimischen EU-Mitgliedschaft bei durchschnittlich 70 Prozent; die Zahl jener, die einen EU-Ausstieg präferieren, bei 22 Prozent. Die höchste Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft fand sich im Herbst 1999 - mit 82 Prozent - in einer Periode positiver wirtschaftlicher Entwicklung sowie im Sommer 2002, dem Jahr der physischen Einführung des Euro. Der stärkste Wunsch nach einem Austritt im Sommer 2008 - mit 33 Prozent - infolge des irischen Nein zum Vertrag von Lissabon und der darauffolgenden innenpolitischen Diskussion in Österreich, sowie im Sommer 2015, als sich der Flüchtlingszustrom nach Europa bereits intensivierte und die EU auch von der Brexit-Entscheidung der Briten überrumpelt wurde“, analysiert Schmidt. „Die aktuell bescheidenen Zustimmungswerte zur EU-Mitgliedschaft ähneln jenen vor zehn Jahren. Für eine Trendumkehr braucht es jedenfalls eine stärkere Union, die in der Lage ist, Wohlstand und Sicherheit zu gewährleisten und auf der Weltbühne ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellt.“
Die kürzlich zustande gekommene Zollvereinbarung zwischen den USA und der EU findet, vor diesem Hintergrund, keine mehrheitliche Zustimmung in Österreich. 54 Prozent halten das Übereinkommen für schlecht, weil dadurch die europäische Wirtschaft zu stark belastet wird. Etwas mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) begrüßt es und ist der Meinung, dass somit ein weiterer Handelskrieg abgewendet wurde. Ein Fünftel kann sich in dieser Frage nicht festlegen (19 Prozent).
„Die Vereinbarung zwischen den USA und der EU, wonach auf die meisten EU-Exportprodukte, die in die Vereinigten Staaten gehen, ein Zollsatz von 15 Prozent eingehoben wird, wird vielfach als einseitig und nicht nachhaltig kritisiert“, so Schmidt. „Das deckt sich mit dem heimischen Meinungsbild, das Unzufriedenheit mit dem abgeschlossenen Deal erkennen lässt.“
Ob die Europäische Union das Freihandelsabkommen MERCOSUR mit den südamerikanischen Staaten Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay beschließen soll, darüber scheiden sich in Österreich die Geister. Ein Drittel (35 Prozent) ist dafür, dass unser Land den Freihandelspakt absegnet, fast ebenso viele Befragte (33 Prozent) äußern hingegen ihre Ablehnung. Ein weiteres Drittel (31 Prozent) konnte sich hierzu noch keine Meinung bilden.
„Das Thema Freihandel ist hierzulande traditionell umstritten und mit vielen Emotionen verbunden. Angesichts der handels- und geopolitischen Entwicklungen und der Aktualisierung des MERCOSUR-Abkommens wäre es jedenfalls sinnvoll, die Debatte wieder aufzunehmen, allerdings mit einer Ausrichtung, die weniger auf Polarisierung und stärker auf Fakten setzen sollte“, meint Schmidt. „Bereits jetzt sind weltweit über 40 Handelsabkommen der EU mit über 70 Ländern in Kraft. Eine weitere Diversifizierung der Handelsbeziehungen sowie die Vertiefung des Binnenmarktes wären in Zeiten des zunehmenden Protektionismus und der komplexen transatlantischen Beziehung sinnvoll und notwendig, reduzieren Abhängigkeiten und erhöhen die Resilienz der Union.“
Auch was die europäische Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg betrifft, sind die Menschen in Österreich geteilter Meinung. Insgesamt 46 Prozent halten eine solche für „sehr“ oder „eher wichtig“ (je 23 Prozent), fast ebenso viele – 43 Prozent – sehen die europäische Solidarität mit Kyjiw als „eher nicht“ (18 Prozent) oder „gar nicht wichtig“ (25 Prozent) an. 10 Prozent der Befragten äußern sich nicht zu diesem Thema. Im Zeitverlauf seit 2023 sind im heimischen Meinungsbild kaum Veränderungen zu erkennen.
„Trotz internationaler Friedensbemühungen und des Drucks weiterer Sanktionen eskaliert Russland mit seinen Angriffen auf die Ukraine. Ein rasches Ende des Krieges rückt somit wieder in die Ferne. Das von Ambivalenz geprägte heimische Meinungsbild zur Haltung der EU spiegelt dabei gut die innenpolitische Debatte wieder: Während die österreichische Bundesregierung in ihrer Rückdeckung für die Ukraine keine Zweifel lässt, fordert die stärkste Oppositionspartei vehement, die Unterstützung für Kyjiw zurückzufahren. Was dabei jedoch fehlt, ist eine dringend notwendige sicherheitspolitische Auseinandersetzung, wie Österreich seine militärisch neutrale Rolle in Zeiten grundlegender geopolitischer Veränderungen weiterentwickeln und definieren sollte. Mehr Mut und Offenheit wären hier jedenfalls gefragt“, meint Schmidt abschließend.
Hintergrund:
Die aktuelle Umfrage wurde von market von 5. bis 9. September 2025 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt. Befragt wurden österreichweit 1000 Personen online, österreichische Bevölkerung, 16 bis 80 Jahre, repräsentativ für Alter, Geschlecht, Region und Bildung. Maximale statistische Schwankungsbreite +/- 3,16 Prozent. Differenz auf 100 Prozent aufgrund gerundeter Werte. Fehlende Werte auf 100 Prozent = „weiß nicht / keine Angabe“.
Rückfragen & Kontakt
Österreichische Gesellschaft für Europapolitik
Mag. Paul Schmidt
Telefon: (+43-1) 533 49 99
E-Mail: paul.schmidt@oegfe.at
Website: https://www.oegfe.at
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