- 18.09.2025, 21:21:03
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Simon-Wiesenthal-Preis 2024: Hauptpreis geht an Schweizer "Gamaraal Foundation"
Engagement von Initiativen und Überlebenden gegen Antisemitismus und für Holocaustaufklärung im Parlament ausgezeichnet
Die Schweizer " Gamaraal Foundation" wurde heute Abend im Parlament mit dem Hauptpreis des Simon-Wiesenthal-Preises 2024 ausgezeichnet. Der Zweite Präsident des Nationalrates und Vorsitzende des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Peter Haubner, und Juryvorsitzende Katharina von Schnurbein überreichten den mit 15.000 Euro dotierten Hauptpreis. Antisemitismus dürfe keinen Platz in dieser Welt haben und es brauche Menschen, die gegen Antisemitismus aufstehen statt wegzusehen, forderte Haubner in seiner Eröffnungsrede.
Der Preis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus ging an die britische Organisation "Community Security Trust". Den Preis für zivilgesellschaftliches Engagement für die Aufklärung über den Holocaust erhielt der burgenländische Verein "RE.F.U.G.I.U.S.". Außerdem wurden neun Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geehrt. In Redebeiträgen hoben Expertinnen und Experten die Bedeutung der Erinnerung und die drohenden Gefahren von Antisemitismus für Demokratie und Gesellschaft hervor.
Haubner: Aufstehen statt wegschauen bei Antisemitismus
Antisemitismus sei nicht überwunden und "bittere Realität" der Gegenwart. Er dürfe aber weder heute noch morgen einen Platz in Österreich, in Europa noch anderswo haben, forderte der Zweite Präsident des Nationalrates und Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Peter Haubner, in seiner Eröffnungsrede. In einer Welt, in der antisemitische Stereotype allzu oft wieder salonfähig werden, in der Verschwörungserzählungen neue Blüten treiben und in der das Unsagbare manchmal wieder gesagt wird, brauche es Menschen, die aufstehen anstatt wegzusehen. Es brauche Menschen, die ihre Stimme erheben, wenn andere schweigen und die die Vergangenheit nicht verdrängen, sondern Antisemitismus mit Mut und Überzeugung bekämpfen, erklärte Haubner. Die Preisträgerinnen und Preisträger seien genau solche Menschen. Sie würden die Erinnerung an die Schoah lebendig halten und seien damit Vorbilder für gelebte Zivilcourage. Der Simon-Wiesenthal-Preis sei weit mehr als eine Auszeichnung, er sei ein Bekenntnis für die historische Verantwortung Österreichs, stets wachsam zu sein.
Lessing: Zeitzeug:innen tragen dazu bei, aus der Geschichte zu lernen
Acht Jahrzehnte nach dem Nationalsozialismus gebe es heute weltweit einen rasanten Anstieg von Hass, Rassismus und Antisemitismus, erklärte die Vorständin des Nationalfonds, Hannah Lessing. Die Demokratie werde dabei auf eine harte Probe gestellt. Viele der Überlebenden des Holocaust würden einen geschärften Blick für die Zeichen von Hass und Antisemitismus haben, denn sie haben in ihrer Jugend Ähnliches erlebt und die schmerzlichen Folgen erfahren. Ihre Erfahrungen würden viele von ihnen bis heute weitergeben und so könnten viele Menschen die Geschichte aus dieser besonderen Quelle der Zeitzeug:innen erfahren. Die Berichte würden dazu beitragen, aus der Geschichte zu lernen. Das jahrzehntelange Engagement der Zeitzeug:innen sei zudem eine Inspiration für alle Menschen, die sich heute gegen Antisemitismus und Rassismus, für die Aufklärung über den Holocaust und für die Stärkung der Demokratie einsetzen. Dafür könne man den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen nie genug danken.
Pfeffer: Erinnerung ist ein Auftrag
Die Erinnerung sei nicht bloß eine Rückschau, sondern ein Auftrag, betonte die Vorständin des Nationalfonds, Judith Pfeffer. Der Simon-Wiesenthal-Preis erinnere daran, dass es auf jede einzelne Stimme ankomme und dass Gedenken lebendig bleibe, wenn es in Taten übersetzt wird. Jede der 229 Einreichungen aus 32 Ländern sei ein starkes Zeichen für Zivilcourage, für Haltung und der Hoffnung. Zudem ermutigte Pfeffer, sich bei der bereits morgen startenden Ausschreibung für den Simon-Wiesenthal-Preis 2025 zu beteiligen.
Gespräch mit Zeitzeugen, Wiesenthal-Enkelin und EU-Antisemitismusbeauftragter
Antisemitismus sei "altes Gift" in Europa, erklärte die Enkelin von Simon Wiesenthal und Gründerin der SWIGGI-Gedenkinitiative, Racheli Kreisberg, in einem Gespräch mit ORF-Journalistin Lisa Gadenstätter. Wenn man Antisemitismus zulasse, werde die Demokratie krank. Angriffe auf Jüdinnen und Juden seien ein Test für die Gesellschaft. Wenn man dies ignoriere, breite sich der Hass auf andere Bereiche aus.
Antisemitismus sei ein "Krebsgeschwür" für die Gesellschaft und es gelte, diesen klar zu benennen, sagte die EU-Koordinatorin für die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens, Katharina von Schnurbein. Antisemitische Vorfälle seien in den letzten Monaten signifikant gestiegen und Antisemitismus sei überall im Alltag gegenwärtig. Man müsse gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass Antisemitismus nicht unbeantwortet bleibe. Es müsse zu jedem Vorfall ein Aufschreien von offizieller Seite und nicht nur von der Zivilgesellschaft geben, forderte sie. Optimistisch zeigte sie sich, dass die neuen gesetzlichen Regelungen für Online-Plattformen in diesem Zusammenhang greifen werden.
Zudem schilderte der Zeitzeuge Dirk Peter Adler Erfahrungen aus seiner Kindheit, wie er diese Zeit bei einer christlichen Familie, die ihn aufgenommen und als eigenes Kind ausgegeben hat, in Amsterdam überlebt hat.
Hauptpreis geht an Schweizer " Gamaraal Foundation "
Den Hauptpreis des Simon-Wiesenthal-Preises, der für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über den Holocaust verliehen wurde, nahm Anita Winter, Gründerin und Präsidentin der "Gamaraal Foundation" entgegen. Es werde eine Mauer gegen Hass geschaffen, wenn die Stimme und Geschichte der Überlebenden weiter getragen werde, denn Bildung sei nicht nur Wissensvermittlung, sondern "Herzensbildung", zeigte sich Winter überzeugt. Man könne nicht die Vergangenheit, aber sehr wohl die Gegenwart ändern, würdigte die Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission und Jury-Vorsitzende Katharina von Schnurbein den Beitrag der Initiative zur Erinnerungskultur. Die " Gamaraal Foundation " setzt sich für die Unterstützung von Holocaust-Überlebenden und die Förderung von Bildung über den Holocaust ein. Durch zahlreiche Ausstellungen und Bildungsprojekte, auch über Europa hinaus, thematisiert die " Gamaraal Foundation " die Erfahrungen der Überlebenden und setzt den Holocaust in einen breiteren historischen Kontext. Ihre Aufklärungsarbeit zielt darauf ab, dem wachsenden Antisemitismus entgegenzuwirken und das Bewusstsein für Vorurteile zu schärfen.
Die weiteren Preisträger: " RE.F.U.G.I.U.S. " und " Community Security Trust "
Der Preis für zivilgesellschaftliches Engagement für Aufklärung über den Holocaust ging an den burgenländischen Verein "RE.F.U.G.I.U.S.". Dieser ist seit seiner Gründung ein engagierter Akteur in der Erinnerungskultur und der Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht das Mahnmal Kreuzstadl als Ort des Gedenkens und Mahnens. Der Verein würde alles dazu tun, um die Verbrechen des Holocausts vor Ort aus dem Vergessen hervorzuholen und damit ein würdiges Andenken und Gedenken zu ermöglichen, erläuterte Jurymitglied und Zeitgeschichteexpertin Brigitte Bailer. Durch seine über dreißigjährige Tätigkeit habe der Verein eine Wandlung im gesellschaftlichen Bewusstsein zur nationalsozialistischen Zeit initiiert und begleitet, erklärte Paul Gulda von "RE.F.U.G.I.U.S.". Die Frage nach Recht und Gerechtigkeit gegenüber den vertriebenen und ermordeten jüdischen Menschen sei der Antrieb für dieses Engagement gewesen. Engagement mahnte Gulda ein, damit künftige Generationen im Nahen Osten in Frieden leben können.
Für ihr zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus wurde die gemeinnützige britische Organisation " Community Security Trust " ausgezeichnet. Diese widmet sich dem Schutz der jüdischen Gemeinschaft in Großbritannien vor Antisemitismus und anderen Bedrohungen. Das Modell der Organisation als Brücke zwischen der jüdischen Gemeinschaft und staatlichen Autoritäten sei zum Vorbild für ähnliche Initiativen in Europa geworden, hebt die Jury hervor. Jüdische Menschen wollen weder als Opfer gesehen noch bemitleidet werden, erklärte Jurymitglied Ariel Muzicant. Der " Community Security Trust " sei ein Modell für jüdischen Selbstschutz. Die Organisation würde die jüdischen Gemeinden vor Antisemitismus schützen, erläuterte auch ihr Vertreter Jonny Newton.
Neun Zeitzeug:innen aus drei Ländern geehrt
Im Rahmen des Simon-Wiesenthal-Preises wurden auch neun Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geehrt. Diese besondere Würdigung erhielten Heinrich Ehlers (Österreich), Erich Finsches (Österreich), Don Jaffé (Deutschland), Felix Lee (Österreich), Ludwig Popper (Österreich), Josef Salomonovic (Österreich), Kitty Schrott (Österreich), Adolf Silberstein (Österreich) und Stanislaw Zalewski (Polen). Damit soll deren außergewöhnlicher persönlicher Einsatz und Beitrag zu Holocaustbildung, Prävention von Antisemitismus und zur Stärkung der Demokratie gewürdigt werden. (Schluss) pst
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