• 18.09.2025, 08:30:33
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Neue Ergebnisse bei Familienforschung: Wie Elternteile einander Vorbilder sein können

1+1=3? Early Life Care-Institut an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität veröffentlicht aktuelle Studie

Selina Ismair, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Early
Life Care und Mitautorin der Studie
Salzburg (OTS) - 

Elternschaft ist Teamarbeit: Wer gemeinsam Verantwortung trägt, stärkt nicht nur die Beziehung zum Kind, sondern auch zueinander. Eltern prägen gemeinsam die Entwicklung ihres Kindes, denn sie wirken nicht nur aufs Kind, sondern auch aufeinander ein und schaffen zusammen ein komplexes System, in dem neue Dynamiken entstehen. In einer aktuellen Studie zur frühen Familienforschung haben Wissenschaftler*innen am Institut für Early Life Care der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität PMU in Salzburg untersucht, wie Erstlingseltern sich gegenseitig in ihrer Feinfühligkeit und Mentalisierungsfähigkeit unterstützen können – also in der Fähigkeit, eigene Gefühle und jene der anderen wahrzunehmen und zu verstehen.

Selina Ismair, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Early Life Care und Mitautorin der Studie "One and one makes three—mothers’ and fathers’ attachment, mentalizing and parenting sensitivity" im Gespräch:

INTERVIEW

Ihre Studie stützt sich neben der Bindungstheorie auch auf die Familiensystemtheorie, warum ist diese besonders relevant für Untersuchungen zu früher Familienforschung?

Ismair: Aus der Forschung wissen wir, dass die frühen Lebensjahre sehr prägend sind für die weitere kindliche Entwicklung. Das Familiensystem stellt die Umwelt bzw. die Lebensrealität des Kindes dar – es wird direkt in ein Familiensystem reingeboren, indem jeder aufeinander wirkt und nicht isoliert agiert.

Was genau versteht man unter Familiensystemtheorie?

Ismair: Die Familiensystemtheorie sagt aus, dass es Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Ebenen gibt. Genauso ist Familie auch ein adaptives System; eine Familie interagiert und handelt nicht immer gleich, sie kann sich gut an neue Bedingungen anpassen, beispielsweise ein zweites Kind kommt hinzu, ein Familienmitglied erkrankt etc. Dann kann sie die Familie im System neu oder re-organisieren, es ist ein flexibles System, kein statisches.

In Ihrer Studie wurden bei 40 Elternpaaren den Eltern die Feinfühligkeit und die Fähigkeit zu mentalisieren gemessen. Wie war dabei Ihre Vorgangsweise?

Ismair: Wir haben die Eltern und Kinder in unser Videolabor eingeladen und Interaktionsvideos aufgezeichnet, um die Feinfühligkeit zu analysieren. Dabei gibt es eine Mutter-Kind-Sequenz und, je nach Ablauf, davor oder danach eine Vater-Kind-Sequenz. Die Eltern bekommen die Anweisung, Zeit mit ihrem Kind so zu verbringen, wie sie es auch zu Hause tun würden.

Zur Standardisierung saßen die Kinder in einer Wippe, die Eltern ihnen gegenüber. So konnten wir mit unserem 360°-Videolabor beide Gesichter optimal filmen. Falls ein Kind nicht mehr in der Wippe sitzen wollte oder müde war, wechselten wir auf eine Spieldecke am Boden oder beendeten die Aufnahme vorzeitig. Geplant waren jeweils 20 Minuten pro Sequenz.

Mittels standardisierter Methode wurden die Videos codiert. Man durchläuft dafür ein Training inklusive Prüfung, um sicherzustellen, dass man tatsächlich das auswertet, was man auswerten soll. Bewertet wird u. a.:

  • Welche Signale sendet das Kind?

  • Erkennt das Elternteil diese Signale?

  • Wie reagiert es darauf?

  • Wie ist die allgemeine Stimmung?


Gab es dabei besondere Herausforderungen oder spannende Erkenntnisse?

Eine Herausforderung war das Training. Die meisten Codierleitfäden stammen aus der Mutter-Kind-Forschung. Wir hatten zwar auch Vater-Kind-Videos im Training, aber deutlich wenigere. Anfangs war das ungewohnt, funktionierte dann aber gut. Anekdotisch schön war, dass man einen Einblick in die Lebensrealität der Familien bekam. Die Eltern waren oft sehr kreativ – sie haben das „Dschungelbuch“-nacherzählt, sich Fingerspiele einfallen lassen oder gesungen– es wurden nämlich nur drei Spielsachen bereitgestellt.

Wie wurde die Mentalisierungsfähigkeit gemessen?


Ismair: Die haben wir mit einem vorgefertigten Interview-Leitfaden erhoben, dem „Eltern-Entwicklungs-Interview“. Darin geht es um die Beziehung zwischen Elternteil und Kind. Beispiele für Fragen sind:

  • „Erzählen Sie eine Situation aus der letzten Woche, in der Sie und Ihr Kind auf einer Wellenlänge waren.“

  • „Wie haben Sie sich dabei gefühlt?“

  • „Wie glauben Sie, hat sich Ihr Kind gefühlt?“

Es werden auch herausfordernde Situationen erfragt, z. B. wenn die Eltern ärgerlich waren oder Kinder quengelig. Ziel ist es, die Fähigkeit zu erfassen, sowohl die eigenen als auch die kindlichen Gedanken und Gefühle zu reflektieren. Bewertet wurde, wie gut Eltern - selbst in stressigen Situationen - die Perspektive beider Seiten berücksichtigen.

Wir haben zusätzlich in der Schwangerschaft die Bindungsrepräsentation erhoben, hier wurde die eigene Kindheit abgefragt, auch diese Interviews wurden nach einem standardisierten Verfahren ausgewertet. Es ging dabei weniger darum, welche konkreten Erfahrungen jemand gemacht hat, sondern wie gut diese im Erwachsenenalter integriert wurden.


Was waren für euch die relevantesten Ergebnisse eurer Studie?

Ismair: Wir fanden einen Zusammenhang zwischen der vorgeburtlichen Mentalisierungsfähigkeit der Mutter und der nachgeburtlichen des Vaters. Seine Fähigkeit zu reflektieren bzw. mentalisieren wiederum stand in Zusammenhang mit seiner Feinfühligkeit. Es gab also eine Wechselwirkung von Mutter auf Vater – allerdings nicht umgekehrt. Wir konnten auch zeigen, dass sich die Fähigkeit zu mentalisieren zwischen den Messzeitpunkten wechselseitig vorhersagt. Das bedeutet: Eine höhere vorgeburtliche Mentalisierungsfähigkeit der Mutter hing mit einer höheren nachgeburtlichen Fähigkeit des Vaters zusammen – und umgekehrt.“ Das legt nahe, dass Eltern voneinander lernen können, und sich gegenseitig als eine Art „role model“ also Vorbild sehen.

Kann man diese Ergebnisse auch auf andere Familienkonstellationen übertragen?

Ismair: Direkt nicht, da wir nur Erstlingseltern im klassischen Mutter-Vater-Kind-Modell untersucht haben. Aber die Familiensystemtheorie geht grundsätzlich davon aus, dass solche Wechselwirkungen auch in anderen Familienformen auftreten.

Wie lassen sich diese Erkenntnisse in den Erziehungsalltag übertragen?

Ismair: Elternschaft ist etwas, das man teilt. Sich gegenseitig als Vorbild zu dienen, kann sehr wertvoll sein. Niemand sollte die alleinige Verantwortung für die emotionale Entwicklung und Erziehung eines Kindes übernehmen (müssen). Es gibt fast immer mindestens eine zweite Person, die zur Entwicklung und Erziehung beitragen, unterstützen und entlasten kann. Das gilt auch für Alleinerziehende – oft gibt es Großeltern, Freunde oder institutionelle Hilfen. Wie ein altes Sprichwort sagt: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“.

Und was bedeutet das konkret für Unterstützungsprogramme, wie Elternberatung, Geburtsvorbereitungskurse etc.?

Ismair: Das Verständnis von Vaterschaft ist im Wandel – weg vom finanziellen Versorger hin zu einem gleichberechtigten Partner in der emotionalen Entwicklung des Kindes. Viele Angebote richten sich aber derzeit noch explizit oder implizit an Mütter. Wenn man Väter künftig noch mehr anspricht, fühlen sie sich vielleicht eher eingeladen und wahrgenommen.

Welche nächsten Schritte planen Sie in Ihrer Forschung?

Ismair: Wir wollen das Familiensystem noch genauer untersuchen mit detaillierteren Daten zu den Dynamiken im Elternalltag. Dabei möchten wir uns das Synergetische Navigationssystem (SNS), ein internetbasiertes System, das vom Institut für Synergetik und Psychotherapieforschung der PMU am Standort Salzburg entwickelt wurde, zunutze machen. Es dient zur Prozessüberwachung und -steuerung in der Psychotherapie und Beratung. Bei der Vorgehensweise denken wir an tägliche Kurzbefragungen. So lassen sich Tag-für-Tag-Muster und ihre Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung besser verstehen.

Zur Studie: https://doi.org/10.3389/fpsyg.2025.1582698

Suche nach Vätern zur Smart.Daddy Studie!

Smartphones sind Teil des Familienalltags, doch unklar ist, wie Babys auf die Ablenkung ihrer Väter durch Smartphones reagieren. Unsere Studie untersucht, wie sich väterliche Smartphone-Nutzung auf das Stresslevel von Vätern und ihren Babys (4–7 Monate) auswirkt und ob es Schutzfaktoren für das Kind gibt.

Dafür suchen wir Väter, die mit ihrem Kind (4-7 Monate) an einer etwa einstündigen Untersuchung am Institut für Early Life Care (PMU Salzburg) teilnehmen. Die Interaktion wird videografiert und die Herzfrequenz gemessen. Vorab ist ein kurzer Online-Fragebogen auszufüllen. Für die Teilnahme gibt es 30 Ꞓ und eine kleine Aufmerksamkeit.

Mehr Informationen zur Smart.Daddy Studie: https://www.pmu.ac.at/early-life-care/smartdaddy

Rückfragen & Kontakt

Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Verena Kepplmüller, BA
Marketing & PR
Telefon: 069912420118
E-Mail: verena.kepplmueller@pmu.ac.at
Website: https://www.pmu.ac.at

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