- 15.09.2025, 18:12:32
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Verfassungsausschuss vertagt Beratungen über Oppositionsanträge
Freiheitliche wollen Volksbefragungen erleichtern, Grüne Digitalkonzerne stärker zur Kasse bitten
Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute auch über vier Oppositionsanträge beraten, die allerdings nicht den Weg ins Plenum fanden. So spricht sich die FPÖ etwa dafür aus, die Abhaltung von bundesweiten Volksbefragungen erheblich zu erleichtern. Den Grünen geht es um eine weitere Aufstockung der Förderung für private Rundfunksender und einen besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten. Zudem wollen sie die Digitalsteuer erhöhen und internationale Streamingdienste zu gezielten Investitionen in die österreichische Film- und Musikproduktion verpflichten.
Nach einer ersten Diskussion wurden die Beratungen über die Initiativen vertagt, wobei SPÖ-Abgeordneter Manfred Sams darauf hinwies, dass die von den Grünen geforderte "Investment Obligation" im Regierungsprogramm verankert sei. Das Kultur- und Finanzministerium würden gemeinsam mit der Filmbranche an einem Modell arbeiten, um internationale Streamingdienste zu Investitionen in heimische Produktionen zu verpflichten. Laut NEOS-Abgeordneter Henrike Brandstötter ist es allerdings nicht so einfach, eine Regelung zu finden, die den ORF und andere große österreichische Medienhäuser nicht mitumfasst. Über den FPÖ-Antrag zur Erleichterung von Volksbefragungen wollen die Koalitionsparteien im Rahmen des geplanten "Verfassungskonvents" beraten.
FPÖ will mehr Volksbefragungen
Derzeit ist in Österreich dann eine bundesweite Volksbefragung über ein bestimmtes Anliegen abzuhalten, wenn der Nationalrat das mehrheitlich beschließt. Zuletzt - und bisher das einzige Mal - war das 2013 der Fall, als die Bevölkerung darüber befragt wurde, ob sie ein Berufsheer einführen oder die allgemeine Wehrpflicht beibehalten will. Mit einer Verfassungsnovelle (135/A) möchte die FPÖ nun die rechtlichen Grundlagen für Volksbefragungen ändern. Ein Drittel der Abgeordneten oder 100.000 Wahlberechtigte sollen ausreichen, um eine solche in die Wege zu leiten.
In der Debatte hielt Michael Schilchegger (FPÖ) fest, dass Volksbefragungen ein wichtiges Instrument der Rückkoppelung mit der Bevölkerung seien und nicht durch Umfragen ersetzt werden könnten. Die bestehende Hürde dafür halten er und sein Fraktionskollege Harald Stefan aber für zu hoch. Das zeige schon der Umstand, dass es bisher nur eine einzige Volksbefragung gegeben habe, sagte Stefan. Über die genauen Quoren könne man diskutieren, erklärte Schilchegger, man solle das Recht auf eine Volksbefragung aber nicht in die alleinigen Hände der Regierungsmehrheit legen. Das Argument, dass die Politik oft schnell reagieren und Gesetze beschließen müsse, ließ Stefan nicht gelten, man könne das unabhängig von Volksbefragungen machen. Er glaubt vielmehr, dass Volksbefragungen den Regierungsparteien - wie jetzt schon Volksbegehren - "lästig" wären.
SPÖ und ÖVP wollen über Anliegen im Verfassungskonvent beraten
Die Vertagung des Antrags wurde von SPÖ-Abgeordnetem Bernhard Herzog und ÖVP-Abgeordnetem Wolfgang Gerstl damit begründet, dass es sinnvoll wäre, darüber im geplanten Verfassungskonvent zu beraten. Bei diesem Konvent werde es auch um das Zusammenspiel zwischen repräsentativer und direkter Demokratie gehen, betonte Herzog, wobei es ihm zufolge bereits "gut ausgebaute direktdemokratische Methodiken" gibt.
Skeptisch, was einen weiteren Ausbau der direkten Demokratie betrifft, äußerte sich Gerstl. Er sei früher ein massiver Verfechter direkter Demokratie gewesen, sagte er, aber die Politik müsse manchmal schnelle Entscheidungen treffen, wie die Entwicklungen gezeigt hätten. Zudem gelte es zu verhindern, dass direktdemokratische Mittel missbraucht würden. Man sehe das bei Volksbegehren, die von einzelnen Proponenten ausgenutzt würden. Für eine differenzierte Diskussion warb Grün-Abgeordnete Alma Zadić, wobei sie es für wichtig hält, dass es möglichst rasch zu ersten Schritten in Richtung Verfassungskonvent kommt.
Grüne für höhere Digitalsteuer und "Investment Obligation"
Die Grünen bedauern in ihrem Entschließungsantrag zum Thema Digitalsteuer und "Investment Obligation" (311/A(E)), dass die ursprünglich geplante Erhöhung der Digitalsteuer von der Regierung nicht umgesetzt wurde. Mindestens 50 Mio. Ꞓ hätte man dadurch zusätzlich für die Förderung von Qualitätsjournalismus, Medienvielfalt und digitaler Transformation heimischer Medien mobilisieren können, sind sie überzeugt. Digitalkonzerne wie Google, Meta und Amazon würden in Österreich Werbegelder in Milliardenhöhe einnehmen, aber wenig zur Finanzierung des österreichischen Mediensystems bzw. der "Kulturlandschaft" beitragen, bekritteln sie.
Die Grünen wollen internationale Streamingdienste daher auch zu gezielten Investitionen in die österreichische Film- und Musikproduktion bzw. zur Abgabe eines bestimmten Prozentsatzes ihres Umsatzes für diesen Bereich verpflichten. Eine solche "Investment Obligation", die es den Grünen zufolge schon in mehreren europäischen Ländern gibt, würde sicherstellen, dass jene Unternehmen, die vom österreichischen Markt profitieren, auch in dessen kulturelle Infrastruktur investieren, argumentieren sie. Zudem könnten ihrer Meinung nach dadurch auch Budgetkürzungen wettgemacht werden.
Manfred Sams (SPÖ) und Henrike Brandstötter (NEOS) hielten zum Antrag fest, dass in der Regierung bereits an einer "Investment Obligation" gearbeitet werde. Laut Sams unterstützt die SPÖ dieses Vorhaben ausdrücklich. Allerdings gilt es laut Brandstötter zu verhindern, dass der ORF oder andere große österreichischen Medienhäuser zusätzlich belastet würden. Der Fokus liege auf Netflix und Co. Sie hoffe, dass bald eine gute Lösung gefunden werden könne.
Was die Digitalsteuer betrifft, wies Brandstötter darauf hin, dass 2024 124,1 Mio. Ꞓ - und damit deutlich mehr als 2023 - eingenommen worden seien und eine weitere Einnahmensteigerung zu erwarten sei. Es gebe hier aber "Begehrlichkeiten von allen Richtungen" und es werde schwierig sein, das Geld ausschließlich für die Medienbranche zu verwenden. Zudem gelte es, zuerst Förderkriterien festzulegen, bevor man darüber nachdenke, über welche Fördertöpfe das Geld zu verteilen sei.
Für Gernot Darmann (FPÖ) steckt bei der Förderung von Qualitätsjournalismus "der Teufel im Detail". Derzeit lege ein von der Regierung besetzter Förderbeirat fest, was Qualitätsjournalismus sei, und nicht "der Nutzer oder der Leser". Das eröffnet seiner Meinung nach der willkürlichen Vergabe von Fördergeldern Tür und Tor mit der Folge, dass nicht tatsächliche Qualität gefördert werde.
Grüne wollen Rundfunkförderung weiter aufstocken
Ein weiteres Anliegen ist den Grünen eine nochmalige Erhöhung der Förderung für private Rundfunksender. Konkret soll die jährliche Dotierung des Privatrundfunkfonds von derzeit 25 Mio. Ꞓ auf 40 Mio. Ꞓ und des nichtkommerziellen Rundfunkfonds von 6,25 Mio. Ꞓ auf 10 Mio. Ꞓ aufgestockt werden (213/A(E)). Die Probleme der Medienbranche hätten sich weiter verschärft, vor allem der Abfluss von Werbegeldern zu internationalen Digitalkonzernen mache den österreichischen Medien zu schaffen, gibt Abgeordnete Sigrid Maurer zu bedenken. Die Produktion von Sendungen mit einem gesellschaftlichen Mehrwert (Public Value) sei aber mit einem hohen Recherche- und Ressourceneinsatz verbunden.
Kritisch zum Antrag äußerte sich NEOS-Abgeordnete Brandstötter. Hier würden zwei Punkte miteinander vermengt, meinte sie. Zum einen gehe es um den Privatrundfunkfonds, der auch ihrer Ansicht nach, gemessen an der Bedeutung, die Privatrundfunk habe, mit 25 Mio. Ꞓ zu gering dotiert sei. Allerdings lasse die Budgetlage eine Förderaufstockung derzeit nicht zu, hob sie hervor. Anders sieht sie die Lage bei den nichtkommerziellen Radio- und Fernsehsendern, die sie im Verhältnis zu ihren Berichtspflichten recht gut gefördert sieht.
Muna Duzdar erinnerte daran, dass der Privatrundfunkfonds erst in der letzten Legislaturperiode von 20 Mio. Ꞓ auf 25 Mio. Ꞓ aufgestockt worden sei. Insgesamt seien die Medienförderungen zwischen 2019 bis 2024 um 88 % gestiegen. Die Forderung nach einer linearen Fördererhöhung erscheine ihr außerdem wenig innovativ und kreativ, sagte sie: Es brauche ein Gesamtpaket mit einer einheitlichen Förderstrategie und dem Fokus auf Qualitätsjournalismus.
Als "erstaunlich" wertete es FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan, dass die Grünen, "in Zeiten wo überall gespart wird", selbst bei den Pensionist:innen, die Rundfunkförderung um fast 40 % erhöhen wollten. Man habe schon im Printbereich "Geld in die Medien geschüttet", meinte er. Man könne schon den Eindruck bekommen, dass manche sich eine positive Berichterstattung "kaufen" wollten.
Grüne urgieren besseren Schutz von Journalist:innen
Gefordert sehen die Grünen die Regierung darüber hinaus, was den besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten betrifft (314/A(E)). In Anlehnung an Empfehlungen der Europäischen Kommission sprechen sie sich unter anderem dafür aus, eine Anlauf- und Koordinierungsstelle für Journalist:innen einzurichten, Maßnahmen gegen Online-Gewalt und Hasskampagnen im Netz zu ergreifen, Schutzkonzepte für Journalist:innen bei öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen vorzulegen und rechtliche Maßnahmen gegen sogenannte SLAPP-Klagen - missbräuchliche Klagen zur Einschüchterung von Journalist:innen und anderen Personen - zu ergreifen. Auch spezifische Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Gruppen wie Frauen im Journalismus und Investigativjournalist:innen, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Sicherheitskräfte und die Verwaltung im Umgang mit Journalist:innen sowie Monitoring- und Frühwarnsysteme zur Erhebung von Bedrohungslagen gegen Pressefreiheit sollen Teil des Maßnahmenpakets sein.
Es gehe darum, dass Journalist:innen ihrer Arbeit ungestört nachgehen könnten, ohne Einschüchterung und ohne die Gefahr von teuren Klagen, sagte Grün-Abgeordnete Maurer im Ausschuss. SLAPP-Klagen dienten dazu, jemanden mundtot zu machen, ergänzte Henrike Brandstötter (NEOS). Zudem sehen Maurer, Brandstötter und SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz, was Übergriffe und Hassnachrichten betrifft, Journalistinnen besonders gefährdet. Frauen seien anderen Angriffen ausgesetzt als Männer und würden deutlich häufiger Hassbotschaften bekommen, gab Schatz zu bedenken.
Konzept für Clearingstelle in Ausarbeitung
ÖVP-Abgeordneter Thomas Elian verwies darauf, dass die Schaffung sicherer Arbeitsbedingungen für Journalist:innen und Maßnahmen gegen SLAPP-Klagen im Regierungsprogramm verankert seien. Einige Maßnahmen sind laut Schatz bereits in Ausarbeitung. Man sei dabei, die EU-Empfehlungen umzusetzen, sagte sie. So werde bereits an einem Konzept für eine Clearingstelle gearbeitet.
Skeptisch äußerte sich hingegen Michael Schilchegger (FPÖ). Es sei schwierig zu definieren, was eine SLAPP-Klage sei, meinte er. Betroffene müssten die Möglichkeit haben, sich gegen falsche Berichterstattungen oder Verunglimpfungen zu wehren. Auch FPÖ-Abgeordneter Markus Tschank kann die Notwendigkeit eines besonderen Schutzes von Journalist:innen nicht erkennen. Journalist:innen würden sich immer mehr in den politischen Diskurs einmengen, wer als politischer Aktivist agiere, bedürfe keines besonderen Schutzes, argumentierte er. (Schluss Verfassungsausschuss) gs
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