• 15.09.2025, 17:18:03
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Verfassungsausschuss: Hearing zum Volksbegehren "Kein NATO-Beitritt"

Fachleute erläutern den aktuellen Stand und mögliche Zukunftsperspektiven der Neutralitäts- und Sicherheitspolitik Österreichs

Wien (PK) - 

Gegen einen Beitritt Österreichs zur NATO wendet sich das Volksbegehren "Kein NATO-Beitritt". Das soll den Befürworterinnen und Befürwortern nach entsprechend in der Bundesverfassung verankert werden. Heute wurden die Anliegen im Rahmen eines Hearings im Verfassungsausschuss diskutiert. Dazu standen den Abgeordneten die Expert:innen Florian Korczak vom Außenministerium, Klaus Anderle vom Verteidigungsministerium, der außerordentliche Universitätsprofessor Michael Geistlinger sowie die Friedensexpertin Stephanie Fenkart zur Verfügung. Die beiden Experten des Außen- und Verteidigungsministeriums betonten, dass ein Beitritt zur NATO nicht angestrebt werde und ein solcher mit dem Neutralitätsgesetz bereits schon jetzt verfassungsrechtlich ausgeschlossen sei. Zudem erläuterten sie die aktuelle Zusammenarbeit Österreichs mit der NATO. Michael Geistlinger hob die Bedeutung der Neutralität für die Sicherheit Österreichs hervor. Stephanie Fenkart sprach sich angesichts der aktuellen globalen Entwicklungen und der geänderten Sicherheitslage für eine Diskussion über die Bedeutung der Neutralität in diesem Zusammenhang aus.

Unterstützer:innen fordern, NATO-Beitritt in Verfassung zu untersagen

Im Volksbegehren "Kein NATO-Beitritt" wird zusätzlich zum bestehenden Neutralitätsgesetz die Erlassung einer verfassungsrechtlichen Bestimmung gefordert, die der Republik Österreich explizit den Beitritt zur NATO untersagt (1 d.B.). Keinesfalls dürfe Österreich durch "kurzsichtige" politische Entscheidungen in einen militärischen Konflikt involviert werden, argumentieren die Proponent:innen rund um Lukas Papula. Vielmehr seien diplomatische Bemühungen zu intensivieren, um die Republik als "aktiven internationalen Friedensvermittler" zu positionieren. Das Volksbegehren hat mit der Unterstützung von 109.089 Personen (1,72 % der Stimmberechtigen) die Hürde zur Behandlung im Nationalrat genommen.

Korczak: Zusammenarbeit und Dialog mit NATO, aber kein Beitritt angestrebt

Die Bundesregierung bekenne sich im Einklang mit der Verfassung zur Neutralität, betonte Florian Korczak, Experte für sicherheitspolitische Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten. Es werde kein NATO-Beitritt angestrebt. Ein solcher Beitritt zu einem Militärbündnis wäre auch durch das Neutralitätsgesetz nicht möglich. Es gebe daher bereits eine verfassungsrechtliche Verankerung. Österreich sei aber interessiert, die Kooperationsmöglichkeiten mit der NATO zu nützen. So beteilige sich Österreich an den NATO-Schwerpunkten Krisenprävention und -management sowie kooperative Sicherheit. Die Kernaufgabe der NATO der kollektiven Verteidigung und Abschreckung sei den Alliierten vorbehalten und Österreich nehme daran "selbstverständlich" nicht teil.

Die Neutralität Österreichs werde seiner Wahrnehmung nach von anderen Ländern nicht in Frage gestellt, erklärte der Experte gegenüber Friedrich Ofenauer (ÖVP). Positiv bewertet würden die erhöhten Budgetmittel für die Landesverteidigung, aber auch das Engagement Österreichs am Westbalkan.

Die Beistandsverpflichtung der EU sei nicht im Widerspruch zur Neutralität, erläuterte Korczak gegenüber Selma Yildirim (SPÖ). Österreich könne demnach selbst über die Ausgestaltung der Beistandsleistung entscheiden.

Gegenüber Henrike Brandstötter (NEOS) berichtete der Experte über das humanitäre Engagement Österreichs wie in der Republik Moldau, am Westbalkan und im Nahen Osten.

Anderle: Österreich ist militärisch neutral

Österreich sei militärisch neutral und es gebe keine Bestrebungen für einen NATO-Beitritt, bekräftigte auch Klaus Anderle, Experte für Militärpolitik im Bundesministerium für Landesverteidigung. Die Vorgaben des Neutralitätsgesetzes würden seitens des Ressorts nach "Punkt und Beistrich" eingehalten. Österreich beteilige sich an Missionen und Operationen der NATO wie etwa im Rahmen der NATO-Partnerschaft für Frieden. Dazu zähle aufgrund des außen- und sicherheitspolitischen Schwerpunkts Österreichs am Westbalkan auch die Beteiligung an KFOR. Außerdem sei Österreich auch an NATO-Missionen im Irak und in Jordanien beteiligt. Im Bereich der Kooperation mit der NATO seien unter anderem die Resilienz und der Fähigkeitsaufbau in Bezug auf globale technologische Entwicklungen Schwerpunkte.

Sky Shield sei eine Beschaffungsplattform, betonte Anderle gegenüber Michael Schilchegger (FPÖ). Zudem wies er auf die Bedeutung der Verteidigungsfähigkeit Österreichs hin.

Geistlinger: Österreich muss aus der "Kriegsspirale" rausgehalten werden

Michael Geistlinger, außerordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Salzburg, begrüßte das Anliegen des Volksbegehrens. Es sei in Zeiten eines "hybriden Kriegs von NATO und Russland" wichtig, Österreich aus der "Kriegsspirale" raus zu halten. Die Bundesregierung gehe mit der Neutralität aber "salopp" um, kritisierte er. So würde der Beitritt zu Sky Shield den Beitritt zu einem militärischen Bündnis bedeuten. Neben der Beschaffung sei auch der Betrieb und die Logistik Teil von Sky Shield, betonte er gegenüber Michael Schilchegger (FPÖ).

Die Regelungen des Neutralitätsgesetzes seien für ihn nicht ausreichend. Die Neutralität müsse vielmehr zur höchsten Rechtsschicht der Bundesverfassung aufgewertet werden, forderte er. Die Neutralität habe Österreich in der Vergangenheit geschützt und sei auch für die Außenpolitik, wie bei der Niederlassung der UNO in Wien, entscheidend gewesen. Es sei ein Widerspruch, wenn man sich unter Berufung auf die Solidaritätspflicht über die Neutralitätspflichten hinwegsetze. Dies führe zu einer mangelnden Glaubhaftmachung der Neutralität.

Fenkart: Diskussion über Bedeutung von Neutralität wichtig

Keine Notwendigkeit für ein zusätzliches Verfassungsgesetz sah Stephanie Fenkart, Direktorin des International Institute for Peace. Die geltenden Regelungen des Neutralitätsgesetzes befand sie als ausreichend. Angesichts der aktuellen globalen Entwicklungen und der geänderten Sicherheitslage sprach sie sich für eine Diskussion über die Bedeutung der Neutralität in diesem Zusammenhang aus. Ebenso solle diskutiert werden, welche sicherheitspolitische Rolle Österreich einnehmen will. Seine geostrategische Lage, aber nicht die Neutralität, schütze Österreich, meinte sie. Österreich dürfe nicht militärisch solidarisch sein, könne sich aber in Bereichen wie Flüchtlingsmanagement, Entwicklungszusammenarbeit und Klimawandel einbringen. Positiv sah Fenkart die Forderung des Volksbegehrens nach einer stärkeren Rolle Österreichs in Diplomatie und Friedenspolitik. Hierzu würde es Investitionen im außen- und friedenspolitischen Bereich, wie für Forschung, benötigen.

Es sei wichtig, sich für Frieden in Friedenszeiten einzusetzen, betonte Fenkart gegenüber Alma Zadić (Grüne). Wenn Konflikte erst einmal eskaliert sind, sei es schwer, diese einzudämmen. Kontakte zu Konfliktparteien seien sehr umstritten, Verhandlungen würden aber mit "Feinden und nicht mit Freunden" geführt. Potenzial sah Fenkart für mehr Beteiligung Österreichs an Friedensmissionen.

Parlamentsfraktionen diskutieren Sicherheit und Neutralität Österreichs

Auf die Komplexität des Themas Neutralität angesichts der völker- und verfassungsrechtlichen Dimension wies Michael Schilchegger (FPÖ) hin.

Die Neutralität eines Staates schütze diesen nicht, und es müsse daher überlegt werden, wie diese sicher gestellt werden kann, meinte Friedrich Ofenauer (ÖVP). Angesichts der aktuellen Sicherheitslage sei es wichtig, zusammenzuarbeiten und interoperabel zu sein.

Die Bedeutung der immerwährenden Neutralität betonten Selma Yildirim (SPÖ) und Bernhard Herzog (SPÖ). Es wäre undenkbar, wenn junge Österreicher in einen Krieg in ein fremdes Land ziehen müssten, wandte sich Herzog gegen einen NATO-Beitritt.

Es sei schade, dass das "wichtige Instrument" der Volksbegehren von manchen "offenbar" als Einkommensquelle missbraucht werde, kritisierte Henrike Brandstötter (NEOS). Hinsichtlich des Anliegens des Volksbegehrens meinte sie, dass Österreich immer militärisch neutral gewesen sei und es in absehbarer Zeit weiter sein werde, politisch aber nicht neutral sein könne. Das Volksbegehren wolle mit dem NATO-Beitritt etwas verbieten, das aktuell niemand, außer die FPÖ in früheren Jahren, fordere. Zudem wäre ein etwaiger NATO-Beitritt bereits jetzt rechtlich nicht möglich, bemängelte sie.

Ein Beitritt zur NATO wäre bereits jetzt verfassungsrechtlich nicht möglich, meinte auch Alma Zadić (Grüne). Die internationale Zusammenarbeit sei aber notwendig und mit der Verfassung vereinbar. Insgesamt brauche es eine aktive Neutralitätspolitik und eine aktive Rolle Österreichs, forderte Zadić. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) pst


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