• 09.09.2025, 10:27:05
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Experte zum Welttag der Suizidprävention: Alarmsignale ernst nehmen und für rasche Hilfe sorgen

Um suizidalen Entwicklungen wirksam entgegenzutreten, muss v.a. auch die psychiatrische Versorgungslage verbessert werden.

Wien (OTS) - 

„Es wird immer wichtiger, sich mit dem Thema Suizidprävention auseinanderzusetzen, da Suizide und Suizidversuche, abgesehen von individueller Betroffenheit, multiple Auswirkungen u.a. auch auf das gesellschaftliche Gefüge haben und niemanden unberührt lassen“, sagt Manfred Müller, Facharzt und Fachgruppenobmann für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), anlässlich des Welttags der Suizidprävention am 10. September. Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin spielten eine wesentliche Rolle bei der Suizidprävention, da durch rechtzeitige fachgerechte Diagnosestellung und effiziente Behandlung suizidale Entwicklungen nachweislich minimiert werden könnten. Ein limitierender Faktor sei der aktuelle Fachärztemangel. Bei diesem sensiblen Thema sei Wachsamkeit und enge Zusammenarbeit zwischen allen Fachgebieten nötig.

Aus dem Jahresbericht des Österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA gehe hervor, dass 2023 in Österreich 1.212 Menschen durch Suizid starben und damit ca. dreimal so viele wie im Straßenverkehr, berichtet Müller. Bei Suiziden liegen Männer deutlich voran, bei Suizidversuchen Frauen. Auch die Methoden sind geschlechtsspezifisch. Nominal gibt es die meisten Suizide bei Männern zwischen 45 und 64. Die Suizidraten nehmen mit dem Alter zu, wobei Männer über 70 besonders betroffen sind. Aber auch Kinder und Jugendliche berichten vermehrt über Suizidgedanken. „Studien zeigen, dass psychische Erkrankungen mit etwa 90 Prozent die häufigste Ursache von Suiziden sind“, erklärt Müller. Besonders gefährdet seien Personen mit gleichzeitig bestehender psychischer und körperlicher Erkrankung. Andere Risikofaktoren seien chronische Krankheiten mit belastenden Körpersymptomen, Traumatisierungen, kritische Lebensereignisse, Einsamkeit, exzessiver Alkohol- oder Drogenkonsum u.v.m.

Es gebe zahlreiche Alarmsignale von Betroffenen, die ernst genommen werden müssten. Dazu gehörten auch geäußerte Suizid-Gedanken. „Denn das Vorurteil, wer über Selbstmord spricht, verübt ihn nicht, ist schlichtweg falsch“, weiß Müller. Auch rasch wechselnde Stimmungsschwankungen, plötzliche, nicht erklärbare Verhaltensänderungen, selbstzerstörerisches Verhalten, sozialer Rückzug, zunehmende Verschlossenheit oder „emotionale Stille“ nach einer Dauerkrise könnten auf mögliche Suizidgefahr hindeuten. „Wenn individuelle Schutzfaktoren wie Resilienz, Konfliktfähigkeit und Lösungskompetenz nicht mehr funktionieren, ist striktes Handeln geboten.“

Grundsätzlich gebe es viele Anlaufstellen, an die sich Betroffene in Krisensituationen wenden könnten. Abgesehen von persönlichen Vertrauenspersonen, Psychotherapeuten und Psychologen seien das u.a. Krisenhotlines, Krisendienste oder Psychosoziale Zentren. „Spätestens wenn die hier gebotene Hilfe nicht mehr ausreicht, ist fachärztlich-psychiatrische Expertise gefragt, da die finale Einschätzung einer bestehenden Suizidalität eine Kernaufgabe psychiatrischen Handelns darstellt“, so der Experte. Präventiv wäre es wichtig, wenn Menschen mit psychischen Problemen rechtzeitig fachärztliche Hilfe beanspruchen würden, um suizidales Verhalten abzuwenden. Auch Hausärzte und andere Vertrauensärzte spielten bei der Suizidprävention eine wichtige Rolle.

„Da psychische Krankheiten aufgrund multipler Krisen in den letzten Jahren enorm zugenommen haben, muss auch die psychosoziale Versorgungslage nachhaltig verbessert werden“, nimmt Müller auch politische Entscheidungsträger in die Pflicht. Dazu müsse der Ausbau psychiatrischer Angebote v.a. im kassenärztlichen Bereich durch gezielte Maßnahmen und Anreize massiv vorangetrieben werden. „Denn psychische Gesundheit ist der wichtigste Schutzfaktor bei der Suizidprävention“, so Müller.

Einige Tipps für den Umgang mit akut Suizidgefährdeten:

  • Genau hinsehen, auf direkte und indirekte Hinweise achten (Aussagen, Verhalten, Körpersprache)
  • Konkret fragen und nachfragen (wertschätzend aber eindeutig)
  • Einfühlsam sein, ernst nehmen, Raum und Zeit für Gedanken und Worte geben
  • Nicht beschwichtigen, z.B. „das wird schon wieder“ = NOGO!
  • Konkrete Hilfestellungen anbieten: Hotlines, Beratungsstellen, im Akutfall allenfalls Rettung, Amtsarzt, Polizei, Psychiatrische Abteilung
  • Bei Suizidversuchen vor Einweisung in die Psychiatrie: somatische Abklärung und ggf. Versorgung
  • Dranbleiben: Kommunikation aufrecht halten, z.B. engmaschige Anrufe, Treffen, weitere Termine vereinbaren
  • Verantwortung teilen, Miteinbeziehen von Bezugspersonen und weiteren spezialisierten Einrichtungen, Betroffene nicht alleine lassen u.v.m.

Rückfragen & Kontakt

Österreichische Ärztekammer/Öffentlichkeitsarbeit
Mag. Ilona Gschmeidler
Telefon: +43 1 51406-3312
E-Mail: i.gschmeidler@aerztekammer.at

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