- 08.09.2025, 11:01:02
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Caritas, Diakonie und Volkshilfe warnen vor groben Verschlechterungen bei der Sozialhilfe
Die Ärmsten brauchen ein starkes soziales Netz, das trägt. „Kein Herumdoktern am sozialen Netz, sonst fallen die Ärmsten durch“
Es brauche ein starkes soziales Netz, das trägt, in Zeiten von Energiekrise, hoher Inflation, schlechter Konjunktur und anhaltend angespannter Arbeitsmarktlage. „Die Sozialhilfe ist das letzte soziale Netz, das Menschen vor einem Fall ins Bodenlose bewahren muss. An diesem Ziel muss sich eine Gesamtreform der Sozialhilfe orientieren“, mahnen Caritas, Diakonie und Volkshilfe von der Bundesregierung ein.
Die bisher bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung zur Sozialhilfe-Reform „alarmieren die Hilfsorganisationen zutiefst“, sind sich die Chef:innen der Hilfsorganisationen, Fenninger, Moser und Parr einig.
Für die ärmsten 2% der Bevölkerung, 0,4% des Budgets
Die Sozialhilfe kommt den ärmsten zwei Prozent der Bevölkerung zugute, macht aber nur 0,4 Prozent des Staatsbudgets aus. Der Anteil der Sozialhilfe am Sozialstaat werde völlig überschätzt und stehe in keinem Verhältnis zu den aufgeregten Kampagnen in der Öffentlichkeit. Mit der Sozialhilfe das Budget sanieren zu wollen, sei unsachlich und unseriös, so Caritas-Generalsekretärin Anna Parr, Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser und Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger unisono.
Mindestsätze, um im Bedarfsfall wirklich helfen zu können
Die Sozialhilfe müsse Existenz, Chancen und Teilhabe sichern, so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser: „Das Mindeste muss gesichert sein. Die Sozialhilfe in ihrer derzeitigen Form kennt keine Mindestsätze für die Existenzsicherung. Sie schreibt Höchstsätze vor, die nicht überschritten werden dürfen, aber nach unten offen sind. So kann die Sozialhilfe nicht auf Krisen wie massive Teuerung und extrem steigende Wohn- und Energiekosten reagieren – der Deckel erlaubt das nicht. Soziale Sicherheit heißt aber, auf Risken bedarfsorientiert reagieren zu können. Es ist daher absolut notwendig, statt der Höchstsätze wieder bundesweit einheitliche Mindeststandards einzuführen, die von den jeweiligen Behörden bei Bedarf überschritten werden dürfen.
„Wir schlagen eine Abkehr vom System der ‚Höchst‘sätze und die Wiedereinführung von Mindest-Standards vor, die den Ländern die Gewährung von höheren Leistungen im Bedarfsfall ermöglicht. Und wir fordern, dass das Ziel Armutsbekämpfung, das mit der Abschaffung der bedarfsorientierten Mindestsicherung und Einführung der Sozialhilfe 2019 gestrichen worden ist, wieder aufgenommen wird”, so Moser.
Kinderarmut verhindern mit einer Kindergrundsicherung
34 Prozent der Sozialhilfe-Bezieher:innen sind Kinder. Dazu Volkshilfedirektor Erich Fenninger: „Eine Kindergrundsicherung muss verhindern, dass Kinder in Armut aufwachsen. Mit einer österreichweiten Kindergrundsicherung, die alle Familien mit Kindern unterstützt und Familien mit geringem Einkommen besonders, kann dies gelingen. Mit einer zusammengekürzten Sozialhilfe ganz sicher nicht. Die Ankündigung von Bundeskanzler Stocker, sich in der Sozialhilfe an den niedrigsten bestehenden Kinderrichtsätzen orientieren zu wollen, wird Kinderarmut in Österreich verschärfen. Das widerspricht den in der Verfassung verankerten Kinderrechten. Zudem soll die Familienbeihilfe zukünftig auf die Sozialhilfe angerechnet werden, was de facto eine Streichung der Familienbeihilfe bedeutet. Damit fehlen, je nach Alter des Kindes, zwischen 138 und 200 Euro pro Monat. Das ist eine existenzielle Bedrohung. Die Regierung hat sich die Halbierung der Kinderarmut bis 2030 als Ziel gesetzt und die Kindergrundsicherung ins Regierungsabkommen geschrieben. Es kann doch nicht ernsthaft das Ziel einer Bundesregierung sein, das Armutsrisiko für Kinder drastisch zu erhöhen und ihnen Zukunftschancen zu nehmen.“
Geplante Kürzungen treiben Menschen in die Verschuldung
„Besorgniserregend sind die geplanten Kürzungen bei arbeitsfähigen Menschen“, so Caritas-Generalsekretärin Anna Parr: „Die Bundesregierung ist offenbar überzeugt, damit Menschen aus der Sozialhilfe in Arbeit drängen zu können. In Wahrheit trifft das junge Erwachsene ohne Jobchancen, Asylberechtigte, die während ihres Verfahrens de facto gar nicht arbeiten können, subsidiär Schutzberechtigte oder Auslandsösterreicherinnen. Mit der Kürzung von 1.209 auf 960 Euro treibt die Regierung diese Menschen nicht in Arbeit, sondern in die Verschuldung. Was es stattdessen braucht, sind Angebote, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt wirklich ermöglichen. Und klar ist auch: 58 % der Sozialhilfe-Bezieher:innen sind Kinder, gesundheitlich beeinträchtigt oder in Betreuungspflichten – für sie muss die Sozialhilfe soziale Sicherheit garantieren.“
Gesamtreform statt Schnellschüsse und Teilreformen
Anstatt Schnellschüssen und Teilreformen in der Sozialhilfe brauchen wir eine umfassende Reform, so die Hilfsorganisationen. Eine bundesweite Regelung, die den Sozialhilfe-Fleckerlteppich beendet, Armut bekämpft und eine echte Brücke hinein in Arbeit bildet. Die geplante Kindergrundsicherung muss mit der Reform verknüpft werden – insbesondere um Kinder zu schützen und um sicherzustellen, dass die Sozialhilfe wieder das ist, was sie einmal war: ein Netz, das Menschen in Not wirklich zuverlässig auffängt und auch unterstützt.
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Volkshilfe: Ulrike Schöflinger 0676 83 402 247 676
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