• 04.09.2025, 15:30:09
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LEOPOLD MUSEUM ZEIGT „VERBORGENE MODERNE“

Erste umfassende Ausstellung in Österreich zu okkultistischen Tendenzen und Lebensreformbestrebungen um 1900

Ausstellungsansicht "Verborgene Moderne" im Leopold Museum mit
Werken von Ferdinand Hodler:
Wien (OTS) - 

Verborgene Moderne. Faszination des Okkulten um 1900, die große Herbstausstellung des Leopold Museum, bietet den ersten umfassenden Überblick über das okkult-lebensreformerische Milieu in Wien um 1900 und beleuchtet Subkulturen, die sich in dieser Zeit spiritistischen und theosophischen Lehren widmeten. Die Präsentation entfaltet das Panorama einer durch die Suche nach Alternativen geprägten Epoche. Deutlich wird so manche Parallele zu unserer Gegenwart, in der ebenfalls viele nach einer besseren Zukunft und verborgenen („okkulten“) Wahrheiten suchen.

Frei nach der von Rainer Maria Rilke formulierten Maxime „Du musst dein Leben ändern!“, wurde – gleichsam als Gegenbewegung zum Materialismus der Gründerzeit – die mit einem großen Potenzial an Utopie ausgestattete Forderung nach Erneuerung und Erkenntnis erhoben und mit dieser die Suche nach dem „Neuen Menschen“ und seiner ungehinderten Entfaltung als Individuum.
Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museum

Der rasante Fortschritt in Technik und Wissenschaft prägte an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die gesellschaftliche Entwicklung in Europa. Die Dynamik des Alltags kollidierte oftmals mit einengenden Konventionen. Als Reaktion auf negative Auswirkungen der Urbanisierung folgten viele dem Ruf „Zurück zur Natur!“. Die Gründung von Frauen- und Jugendbewegungen, der Aufschwung des Alpinismus und der Freikörperkultur, die zunehmende Bedeutung des Vegetarismus, das Propagieren von Reformkleidung sowie neue Formen in Tanz und Gymnastik waren Ausdruck eines sich im Wandel befindlichen Körper- und Lebensgefühls.

„Ich bin ein Wanderer und ein Bergsteiger, ich liebe die Ebenen nicht. Und was mir nun auch noch als Schicksal und Erlebnis komme – ein Wandern wird darin sein und ein Bergsteigen: Man erlebt endlich nur noch sich selber.“ Wiener Okkultisten wie der Theosoph Friedrich Eckstein beherzigten diese Worte Friedrich Nietzsches. Ihr Treffpunkt in der Innenstadt, das Café Griensteidl, wurde auch das Alpinisten-Café genannt, da Bergsteigen und Klettern – etwa auf der Rax südlich von Wien – Literat*innen, Esoteriker*innen und Künstler*innen miteinander verband.
Matthias Dusini, Kurator der Ausstellung

Auch die Irrwege der Reformbestrebungen werden in der Schau thematisiert. So öffnete etwa der misogyne Publizist Jörg Lanz von Liebenfels die Pforten der Esoterik ins Völkische. Als Begründer der „Ariosophie“ nahm er Elemente der NS-Ideologie vorweg.

Schon in der Theosophie ging das Streben nach universaler Verbrüderung der Menschheit Hand in Hand mit einer Rassentheorie, welche ein Primat der sogenannten „arischen Rasse“ forderte. Völkische Tendenzen im Umfeld der Lebensreformbewegung propagierten die Ablehnung all dessen, was angeblich dem „natürlichen Volkscharakter“ widersprach und als „entartet“ diffamiert wurde. Gerade in Wien wirft rechtsextreme rassistische Esoterik einen unübersehbaren Schatten auf diese Epoche.
Ivan Ristić, Kurator der Ausstellung

Wagner und Nietzsche – Tempel für die Kunst
Als Leitfiguren der okkulten Moderne begegnen uns in der Schau Richard Wagner und Friedrich Nietzsche, zwei große Neuerer der Gründerzeit. Die Begeisterung für das Werk des Dichterkomponisten durchdrang sämtliche Bereiche des Kulturlebens. Das von ihm proklamierte Ideal des Gesamtkunstwerkes war für die Wiener Secessionisten um Gustav Klimt von maßgeblicher Bedeutung. Die Idee, Kunsttempel zu errichten, verfolgten führende Architekten der Secession wie, Otto Wagner und Joseph Maria Olbrich, der das lorbeerbekrönte Secessionsgebäude gestaltete. Friedrich Nietzsche forderte die Überwindung christlicher Moral und wissenschaftlichen Wahrheitsanspruches. Sein nihilistischer Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Daseins führte ihn zur Idee des neuen Menschen.

Künstlerpropheten: Diefenbach, Fidus, Gräser
Ein Verehrer Richard Wagners war der Maler Karl Wilhelm Diefenbach. Der exzentrische Künstlerprophet und Pionier der Freikörperkultur propagierte den Verzicht auf Alkohol und Fleisch sowie eine naturnahe, gesunde Lebensweise. In Wien gründete er Kommunen, in denen sich u.a. der Kunstkritiker Arthur Roessler, Maler František Kupka und Gusto Gräser, Künstler und Mitbegründer der Schweizer Reformkommune „Monte Verità“ aufhielten, dessen Hauptwerk Der Liebe Macht in der Ausstellung gezeigt wird. Hugo Höppener war Diefenbachs bevorzugter Schüler. Seinen Künstlernamen Fidus („Der Getreue“) gab ihm der Meister aus Dankbarkeit für das Absitzen einer Gefängnisstrafe, zu der beide aufgrund des Ausübens der Freikörperkultur verurteilt worden waren.

Okkultistische Tendenzen in Wien
Wien zählte, im Gegensatz zu Paris oder Leipzig, nicht zu den Zentren des Okkultismus. Dennoch gelangten die esoterischen Lehren der russlanddeutschen Schriftstellerin Helena Blavatsky zu den vegetarischen Mittagstischen in der Wiener Innenstadt. Ein Protagonist des Kreises war Friedrich Eckstein, Gründer der Wiener Loge der Theosophischen Gesellschaft. Der Universalgelehrte und Vertreter des wissenschaftlichen Okkultismus verkehrte u.a. mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner, dem Mitbegründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Victor Adler oder dem Mathematiker Oskar Simony.

Spiritismus, Hypnose und Traumwelten
Mittels des aus den USA eingeführtem „spirit rapping“, dem Geisterklopfen, versuchte man über ein Medium mit Verstorbenen in Verbindung zu treten. Eine Klopfhand aus einer Jahrmarktbude im Prater ist eines der kuriosesten Ausstellungsobjekte. Wissenschaftlich interessierte Anhänger*innen des Spiritismus waren zuversichtlich, dass Jenseitsreisen, Levitationen oder automatisches Schreiben durch Innovationen wie Elektrizität, Funktechnik, oder Röntgenstrahlen bald erklärt werden könnten. Bei spiritistischen Séancen wollte man in geistige Sphären vordringen, die den menschlichen Sinnen verschlossen sind. Medien, meist Frauen, agierten in somnambulen Zuständen, so etwa Gertrude Honzatko-Mediz, die ihre Bilder in Trance nach Anweisungen ihrer verstorbenen Mutter aus dem Jenseits fertigte. Traumtänzerinnen wie Magdeleine Guipet aus Paris, sorgten für einen regelrechten Massenandrang.

Fluide Gestalten und Lebenskraft spendende Strahlen
Künstler*innen mit okkultistischen Affinitäten schufen Werke von psychologischem Tiefgang und visionärer Kraft, in der Ausstellung erlebbar in den fluiden Gestalten von Edvard Munch oder den sezierenden Innenschauen der österreichischen Expressionisten Richard Gerstl, Egon Schiele, Oskar Kokoschka und Max Oppenheimer, welche die Porträtierten als auratische Erscheinungen zeigten.

Abstraktion und Okkultismus
Die Entstehung der abstrakten Malerei wäre ohne die Einflüsse okkultistischen Schrifttums kaum denkbar. Die Landschaftsgemälde des Schriftstellers August Strindberg regten den Komponisten Arnold Schönberg dazu an, sich selbst malerisch zu betätigen. Anhand ausgewählter Werke von František Kupka, Wassily Kandinsky und Johannes Itten werden okkultistisch inspirierte Wege der neuen Kunst in die Abstraktion gezeigt.

Hoch hinaus
Das neue Leben sollte von einem neuen Körperbewusstsein und der Begeisterung für den Aufenthalt im Freien gekennzeichnet sein. Für viele wurde der Alpinismus zur Lebenseinstellung. Bergsteiger wie der Pädagoge Eugen Guido Lammer verabreichten sich das „Morphium des Gefährlichen“ (Lammer), indem sie unter Todesverbachtung neue Gipfel erklommen. Ferdinand Hodlers Blick ins Unendliche zeigt einen hoch über den wolkenbedeckten Tälern auf einem Berggipfel stehenden nackten Jüngling, ein „neuer Mensch“, der über alle irdischen Nöte erhaben ist.

Die Ausstellung zu dieser „anderen“ Moderne vereint rund 180 Werke von mehr als 80 Künstler*innen – unter ihnen Maria Cyrenius, Karl Wilhelm Diefenbach, Richard Gerstl, Gusto Gräser, Ferdinand Hodler, Hugo Höppener (Fidus), Johannes Itten, Wassily Kandinsky, Albert von Keller, Fernand Khnopff, Erika Giovanna Klien, Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, František Kupka, Gabriel von Max, Koloman Moser, Edvard Munch, Max Oppenheimer, Gertraud Reinberger-Brausewetter, Egon Schiele, Arnold Schönberg, August Strindberg, Otto Wagner und My Ullmann –wobei der zeitliche Bogen von den 1860er-Jahren bis in die 1930er-Jahre reicht. Darüber hinaus sind Fotografien, Plakate, Bücher, Manuskripte sowie Anschauungsobjekte wie Turngeräte und Kleidung zu sehen.


Kuratoren: Matthias Dusini, Ivan Ristić

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog in getrennten Auflagen, in deutscher und englischer Sprache erschienen, mit Beiträgen von Karl Baier, Matthias Dusini, Laura Feurle, Kira Kaufmann, Astrid Kury, Therese Muxeneder, Ivan Ristić und einem Prolog von Hans-Peter Wipplinger.

Verborgene Moderne. Faszination des Okkulten um 1900
04.09.2025 – 18.01.2026

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ERÖFFNUNGSFEIERLICHKEITEN

Der Einladung zu den Eröffnungsfeierlichkeiten durch Leopold Museum Direktor Hans-Peter Wipplinger folgten – in Anwesenheit der Leopold Museum-Vorstände Sonja Hammerschmid, Saskia Leopold und Danielle Spera sowie des kaufmännischen Direktors Moritz Stipsicz – rund 800 Gäste, unter ihnen Matthias Dusini und Ivan Ristić, die Kuratoren der Ausstellung, Nathan Schönberg, Urenkel des Komponisten Arnold Schönberg, Ulrike Anton (Direktorin, Arnold Schönberg Center), Georg Hoffmann (Direktor, HGM), Cosima Rainer (Universität für angewandte Kunst), Künstler Heimo Zobernig, Belvedere-Kuratorin Verena Gamper, Michael Swatosch (Leiter Circus- und Clownmuseum), die Katalogautor*innen Kira Kaufmann (Uni Wien), Astrid Kury (Akademie Graz), Michaela Lindinger (Wien Museum), Therese Muxeneder (Arnold Schönberg Center) und Karl Baier, zahlreiche private Leihgeber*innen wie der Sammler Jack Daulton mit seiner Frau Roz Ho, Galerist Julius Hummel, die Sammler Mimi und Sascha Eisenberger, Nikolaus Leopold, Axel Nemetz (At the Park Hotel, Baden), Literaturwissenschaftler Walter Schübler, Kunsthistoriker Patrick Werkner, Gerald Zagler (Österreichischer Alpenverein). Ebenfalls gekommen waren Sammlerin Waltraud Leopold, Kunsthistoriker Thomas Zaunschirm, Kunstsammler Werner Trenker und Sonja Zsolnai-Kasztler, Albin Hahn (CFO Manner), Barbara Potisk-Eibensteiner (Post AG), Helmut und Eva Schoba (VGN), Stela Pancic (Springer & Jacoby), Jürgen Pölzl (Komitee Salon Leopold), Klaus Webhofer (ORF), Peter Grundmann (Hearonymus), Fritz Koreny, Katharina Murschetz (mumok), Nina Schedlmayer (morgen), Katarina Lovecky (Kuratorin, Belvedere), die Kunsthistoriker*innen Rainer Metzger und Daniela Gregori, Bernadette Reinhold (Oskar Kokoschka-Zentrum), Arch. Markus Spiegelfeld, Willi Dorner (Choreograph), Lisa Rastl (Fotografin) u. v. a.

Rückfragen & Kontakt

Leopold Museum-Privatstiftung
Mag. Klaus Pokorny und Veronika Werkner, BA
Presse/Public Relations
Telefon: 0043 1 525 70 - 1507 bzw. 1541
E-Mail: presse@leopoldmuseum.org

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