- 02.09.2025, 10:29:32
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Expertin Greil-Soyka zum Welttag der sexuellen Gesundheit: Bessere sexuelle Gesundheit durch Stärkung der Sexualmedizin
Sexualmedizin muss fester im System etabliert werden – auch bessere Ärzteausbildung nötig
„Weil Sexualität ein Kernelement des Menschseins ist, kann auch der Gesundheitszustand eines Menschen nur unter Einbeziehung seiner sexuellen Gesundheit betrachtet werden“, sagt Marianne Greil-Soyka, Vorsitzende der Österreichischen Akademie für Sexualmedizin und Nationale Korrespondentin und Repräsentantin des UNESCO-Lehrstuhls für Sexuelle Gesundheit und Menschenrechte in Österreich, anlässlich des Welttags der sexuellen Gesundheit am 4. September. „Damit sexuelle Störungen bestmöglich diagnostiziert und behandelt werden können, braucht es eine stärkere Etablierung des Fachbereichs, eine bessere Ausbildung für Ärztinnen und Ärzte und mehr öffentliche Bildung.“
„Sexuelle Gesundheit betrifft alle sozialen Schichten, Altersgruppen und Geschlechter, unabhängig von kulturellen Hintergründen oder Bildungsniveau. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert sie als ‚einen Zustand körperlichen, emotionalen, geistigen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf Sexualität‘“, erklärt die Sexualmedizinerin. Um diesen Zustand bestmöglich zu erreichen, müsse auch die sexuelle Funktionalität, also die körperliche, seelisch-geistige und soziale Fähigkeit, Sexualität auf befriedigende Weise und uneingeschränkt zu erleben, gegeben sein.
Viele Menschen würden aber unter sexuellen Funktionsstörungen leiden, was auch unterschiedliche Studien der letzten Jahre belegten. Diese seien zu dem Ergebnis gekommen, dass – je nach Studie – ca. 40 bis 46 Prozent der befragten Frauen und ca. 33 bis 37 Prozent der Männer innerhalb der letzten 12 Monate unter mindestens einer sexuellen Dysfunktion gelitten hätten, wobei von Frauen u.a. vermindertes sexuelles Verlangen und Orgasmusprobleme als häufigste Störungen angegeben worden seien, von Männern u.a. vorzeitiger Samenerguss und Erektionsprobleme.
„Erwiesen ist auch, dass sexuelle Beschwerden und psychische bzw. körperliche Gesundheit in enger Verbindung zu einander stehen und sich wechselseitig beeinflussen“, weiß Greil-Soyka. Psychische Belastungen wie Depression, Angst oder chronischer Stress würden häufig gemeinsam mit sexuellen Funktionsstörungen auftreten, wobei auch verschiedene Lebensphasen und hormonelle Veränderungen wie etwa während der Menopause eine zentrale Rolle spielten. Ebenso könnten viele chronische Erkrankungen und/oder deren medikamentöse Behandlungen die sexuelle Gesundheit stark beeinträchtigen. „Dazu gehören u.a. Krebserkrankungen, chronische Schmerzerkrankungen oder kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen“, nennt die Expertin nur einige Beispiele.
Zwtl.: Rolle der Sexualmedizin stärken
Unbehandelte sexuelle Erkrankungen hätten die Tendenz zu chronifizieren, weshalb Betroffene frühestmöglich ihren Arzt bzw. ihre Ärztin aufsuchen sollten. „Dafür braucht es aber dringend eine Stärkung der Sexualmedizin sowie eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich für alle Medizinerinnen und Mediziner. Außerdem müsste Sexualmedizin in die routinemäßige Gesundheitsversorgung eingebettet werden“, betont Greil-Soyka. Trotz schneller Weiterentwicklung und zunehmender Anerkennung des Fachgebietes sei Sexualmedizin akademisch kaum sichtbar und komme nur fragmentarisch über verschiedene Disziplinen verteilt vor.
Die Wichtigkeit einer fundierten Ärzteausbildung zeige sich etwa am Beispiel von Krebspatienten, von denen so gut wie alle irgendeine Art von sexuellen Problemen erlebten. „Frühzeitige und kompetente ärztliche Beratung würde diesen Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihrer Diagnose ohnehin schon extrem belastet sind, immens helfen, Zusammenhänge zwischen ihrer Erkrankung und ihrer sexuellen Funktionsstörung zu verstehen und besser damit umzugehen“, zeigt sich die Medizinerin überzeugt. Weiters sollte ein Rehabilitationsplan für sie festgelegt werden.
Es brauche auch dringend mehr öffentliche Bildung und Aufklärung im Bereich der sexuellen Gesundheit, um das Bewusstsein der Bevölkerung dafür zu stärken und Betroffene schneller in ärztliche Behandlung zu bringen. Die Bedeutung von sexueller Gesundheit und Sexualmedizin müsste zudem im Kontext allgemeiner Entwicklungen gedacht werden. „So werden etwa Menschen durch Internet und technologischen Wandel häufiger mit sexuell gewalttätigen Inhalten konfrontiert, und der Zugang zu problematischen Materialien – bis hin zu Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern – wird leichter. Gleichzeitig sind vulnerable Kinder stärker erreichbar und damit einem höheren Risiko ausgesetzt.“ Ebenfalls werde der steigende Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung die Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellen. „Die Lebensqualität in sexueller Hinsicht ändert sich im Alter rasant. Das sind riesige Themen und die Sexualmedizin wird entsprechende Antworten finden müssen“, so Greil-Soyka abschließend.
Weitere Informationen:
Dr. Marianne Greil-Soyka baut derzeit das International Sexual Medicine Research Network (ISMR) mit Sitz in Salzburg auf. Zu den wichtigsten Zielen des Vereins gehören die Förderung der interdisziplinären Sexualforschung, die Etablierung der Sexualmedizin als eigenständige Disziplin, die Zusammenarbeit mit globalen Organisationen, Regierungen und Interessensvertretungen sowie Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, um Stigmatisierung abzubauen und sexuelle Gerechtigkeit zu fördern. Das Netzwerk setzt sich u.a. für sexuelle Rechte als Teil der Menschenrechte ein und thematisiert Gewalt, Femizide und Homophobie in demokratiegefährdeten Gesellschaften. Darüber hinaus soll ein regionales Exzellenz- und Forschungszentrum in Salzburg aufgebaut werden.
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