- 27.08.2025, 10:15:12
- /
- OTS0035
Kein Gespür für historische Verantwortung: Gewerbepark zerstört Areal des ehemaligen KZ Hirtenberg endgültig
Eine gemeinsame Erklärung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und des Mauthausen Komitee Österreich
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und das Mauthausen Komitee Österreich setzen sich seit 2021, nach Bekanntwerden der Bebauungspläne, gemeinsam mit der Lokalinitiative KZ-Gedenkstätte Mauthausen-Außenlager Hirtenberg nachdrücklich für den Erhalt der Artefakte und das Gedenken an die Opfer des Frauen-KZ Hirtenberg ein. Rund 400 Frauen und Mädchen wurden hier festgehalten und mussten Zwangsarbeit leisten. Es handelt sich um eines von zwei größeren Außenlagern mit ausschließlich weiblichen Häftlingen und das einzige, an dem noch historische Überreste im größeren Umfang vorhanden waren– das andere, Lenzing, wurde nach dem Krieg geschliffen.
Eine Bebauung des ehemaligen KZ-Areals wird unweigerlich zur Zerstörung seiner materiellen Zeugnisse führen, einen weiteren Ort des NS-Terrors unkenntlich machen und dem Vergessen überlassen. Daher appellierten wir, gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und der Lokalinitiative, von den Plänen, ausgerechnet an diesem Ort Gewerbehallen zu errichten, Abstand zu nehmen. Stattdessen sollte man die Liegenschaft dafür nützen, gemeinsam mit den örtlichen Gedenkinitiativen und uns einen würdigen Gedenkort zu schaffen. Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist in mehrere Initiativen zum Erhalt von Überresten früherer Außenlager eingebunden, führt derzeit die großangelegte Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Gusen durch und ist auch nach wie vor bemüht, in Leobersdorf eine Weiterentwicklung des Ortes zu unterstützen.
In einer Zeit nach der direkten Zeitzeugenschaft durch Überlebende gewinnen bauliche Relikte zunehmend an Bedeutung. Wir sehen es daher als unsere Aufgabe, das Potenzial dieser ohnehin raren Überreste für die Vermittlung gemeinsam mit lokal engagieren Personen zu nutzen, wie etwa gegenwärtig in Guntramsdorf, oder zumindest gegen Verwertungsinteressen zu verteidigen, die ein würdiges Gedenken verunmöglichen.
Die Verfehlungen, die nach 1945 mit dem Abriss und der Überbauung vieler KZ-Areale begangen worden sind, sollten nicht wiederholt werden. Jeder Überrest eines ehemaligen Konzentrationslagers legt Zeugnis über das dort geschehene Unrecht ab und ist schützens- und bewahrenswert. Gegenteilige Einschätzungen können wir nicht nachvollziehen. Dass die Reste des Konzentrationslagers Hirtenberg „aus derzeitiger Sicht“ nicht ausreichend seien, um sie unter Schutz zu stellen, sollte kein Freibrief sein, sie und ihre topografischen Zusammenhänge unwiederbringlich zu vernichten
„Es ist bezeichnend, dass 2025, gerade im Gedenkjahr, in dem wir an 80 Jahre Befreiung erinnern, ein solcher Rückschritt stattfindet und das Andenken an die NS-Opfer durch die Bebauung ihres Leidensortes finanziellen Interessen untergeordnet wird“, so Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich. „Offensichtlich ist hier noch viel Sensibilisierungsarbeit zu leisten.“
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen wurde nur sehr kurzfristig und halbherzig am 15. August über eine Begehung am 20. August informiert, bei der wir erfuhren, dass der Baubeginn unmittelbar, am nächsten Tag, bevorstand.
Das Vorgehen lässt keinen Zweifel daran, dass man sich der historischen Verantwortung nicht stellen und weitere Diskussionen unterbinden will. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Areal des ehemaligen KZ Hirtenberg verloren ist und in Zukunft keinerlei gesellschaftliche Relevanz mehr haben wird. Umso wichtiger wird es, mit Elan und gebündelten Kräften darauf hinzuwirken, dass die Frauen und Mädchen, die hier Zwangsarbeit leisten mussten, nicht vergessen werden.
„Es ist eine Schande, dass es möglich ist, im Jahr 2025 die Überreste eines ehemaligen Konzentrationslagers ohne einen sachlichen öffentlichen Dialog darüber abzureißen“, erklärt Barbara Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. „Diesen Verlust historischer Strukturen und möglicher Informationsquellen für die Forschung wird man nicht wieder rückgängig machen können.“
Der materielle Zeitzeuge ist durch diese Maßnahmen unrettbar verloren. Was uns aber Hoffnung macht, ist das Engagement der lokalen Initiativen, mit denen wir gemeinsam andere Formen und Wege finden werden, an die Opfer des KZ Hirtenberg zu erinnern.
Rückfragen & Kontakt
KZ-Gedenkstätte Mauthausen / Mauthausen Memorial
Mag.a Valerie Seufert
Telefon: 01-376 3000 106
E-Mail: valerie.seufert@mauthausen-memorial.org
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | GMA