- 19.08.2025, 14:30:33
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Lebensmittelindustrie und Markenartikelbranche warnen vor Preisregulierung
Unbegrenzte Billigstimporte aus dem Ausland gefährden heimische Produktion und Arbeitsplätze
Die von Bundesminister Marterbauer angestoßene Diskussion über staatliche Eingriffe in Lebensmittelpreise nehmen der Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und der Markenartikelverband zum Anlass, zu einigen Punkten der Debatte Stellung zu beziehen: „Wir lehnen eine staatliche Preisregulierung entschieden ab“
, erklären Mag. Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands, und Mag. Günter Thumser, Geschäftsführer des Markenartikelverbands. Auch ein pauschales Verbot sogenannter territorialer Lieferbeschränkungen sehen die beiden Verbände kritisch und klären dazu auf. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, bei denen Hersteller den Vertrieb ihrer Produkte gezielt auf bestimmte geografische Märkte ausrichten – etwa um auf unterschiedliche Kostenstrukturen, gesetzliche Vorgaben oder Marktbedingungen in den jeweiligen Ländern reagieren zu können.
Territoriale Lieferbeschränkungen: Vielfalt der Märkte erfordert flexible Preisgestaltung – EU-einheitlicher Preis ist nicht umsetzbar
Lebensmittelhersteller – egal ob regionale Betriebe oder große internationale Unternehmen – verkaufen ihre Produkte weltweit. Dabei treffen sie auf ganz unterschiedliche Bedingungen in jedem Markt. Koßdorff erläutert: „Zwei Drittel der in Österreich hergestellten Lebensmittel werden in über 180 Länder exportiert. Und in jedem dieser Länder gibt es andere Anforderungen – sogar innerhalb der EU.“ Dazu zählen lokale Unterschiede bei Steuern, Produktvorgaben, Vertriebsstruktur, Kaufkraft, Leistungen und Einkaufsvorgaben des Handels (z. B. Bio, „ohne Gentechnik“, Herkunft, „frei von“). Lohn-, Energie- und Logistikkosten variieren ebenfalls stark zwischen Ländern. Zudem müssen die Hersteller lokale Marketingkosten (z. B. Sprache, Verpackung, Werbung) oder Kosten für nationale Pfandsysteme abdecken. Diese Unterschiede führen zu unterschiedlichen Kosten für die Hersteller – und damit auch zu unterschiedlichen Preisen in den Ländern. Sie sind das Spiegelbild realer Kostenunterschiede und Marktbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten. Wo die Kosten niedrig sind, können Produkte günstiger angeboten werden. Wo sie hoch sind, steigen die Preise. Ein einheitlicher EU-Preis ist daher nicht realistisch.
Hersteller und Händler passen ihre Vereinbarungen darüber, welche Leistungen zu welchem Verkaufspreis und welche Gegenleistungen zu welchem Einkaufspreis lokal erfolgen, an die jeweilige Marktsituation vor Ort an. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, entscheiden sich Hersteller manchmal dafür, den Verkauf ihrer Produkte auf bestimmte Regionen zu beschränken. Sie lehnen es dann ab, ihre Waren über Händler zu vertreiben, die sie aus dem jeweils günstigsten Ausland beziehen und in einem Land mit hohen lokalen Herstellerkosten weiterverkaufen möchten.
„Das wissen auch die in Österreich tätigen hochkonzentrierten Handelsunternehmen mit deutschen und österreichischen Firmenzentralen bei der Preisgestaltung ihrer Eigenmarken, denn sie sind selbst große internationale Lebensmittelkonzerne und global tätig. Der Anteil an Eigenmarken des Handels beläuft sich mittlerweile je nach Supermarktkette auf bis zu 45 %, bei Diskontern auf rund 90 %“, erklärt Thumser.
Unbegrenzte Billigstimporte aus dem Ausland gefährden heimische Lebensmittelproduktion und Arbeitsplätze
Ein generelles Verbot territorialer Lieferbeschränkungen würde dazu führen, dass Groß- und Einzelhändler unbegrenzt Produkte aus dem Ausland mit dem jeweils billigsten Preis parallel importieren könnten. Das würde die heimischen Lebensmittelhersteller noch stärker unter Druck setzen. Auf diese Weise würden Vereinbarungen zwischen Herstellern und Händlern, die auf die jeweiligen Kosten- und Marktbedingungen vor Ort abgestimmt sind – etwa zu Leistungen, Preisen oder Qualität – komplett ausgehebelt. „Dadurch würde nicht nur die österreichische Lebensmittelproduktion mit ihren hohen Qualitätsstandards und die heimischen Arbeitsplätze, sondern auch die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln ,Made in Austria‘ in Gefahr geraten“, warnt Thumser.
Internationale Lebensmittelkonzerne produzieren in Österreich und schaffen Jobs und Wertschöpfung in der Region
Eine Reihe von bekannten internationalen Lebensmittelherstellern produziert seit vielen Jahren in Österreich und schafft hier Jobs und Wertschöpfung. Sie stellen traditionelle Markenprodukte her, und zwar an Produktionsstandorten etwa in Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg oder dem Burgenland. „Diese Unternehmen beschäftigen mehrere tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich und tragen wesentlich zum Wohlstand in den Regionen bei“, betont Thumser.
In Österreich belasten steigende Kosten die Lebensmittelproduktion nach wie vor massiv
Die heimische Nahrungs- und Genussmittelindustrie steht weiterhin unter massivem Kostendruck. Vor allem seit 2022 gestiegene Löhne und Gehälter – mit einem Plus von über 20 % – sowie höhere Energie- und Netzkosten durch das Auslaufen der Energiepreisbremsen belasten die Branche stark. „Trotz des hohen Energieeinsatzes gilt die Herstellung von Lebensmitteln EU-rechtlich nicht als energieintensiv. Die Branche ist daher vom Stromkostenbonus praktisch ausgeschlossen“, erklärt Koßdorff.
Unverändert hoch sind auch die Kosten für Verpackung, Logistik, Rohwaren und Bürokratie. Globale Krisen sowie Pflanzen- und Tierkrankheiten haben die Preise für Rohwaren (Kakao, Kaffee, Orangen, Rindfleisch, Haselnüsse, Gewürze) im zweistelligen Prozentbereich in die Höhe schnellen lassen. Längere Transportwege über das Kap der Guten Hoffnung statt durch den Suezkanal verteuern die Logistik zusätzlich. Neue Regelungen zu Verpackungen, entwaldungsfreien Lieferketten oder Nachhaltigkeitsberichterstattung erhöhen ebenfalls den Druck auf Hersteller. Die Folge: Die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Lebensmittelhersteller sinkt – sowohl im Inland als auch auf Exportmärkten.
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bestätigte in ihrer aktuellen Branchenstudie, dass sich die Lebensmittelindustrie in der Phase der Teuerung kein „Körberlgeld“ verdient hat, im Gegenteil: Die Gewinnmargen der Lebensmittelhersteller sind deutlich gesunken. Die BWB bestätigt auch, dass österreichische Lebensmittelhersteller mit unlauteren Praktiken des Lebensmittelhandels konfrontiert sind.
Hinzu kommt, dass die Lebensmittelhersteller das dichte Aktions- und Rabattprogramm des Lebensmittelhandels teilweise oder gänzlich finanzieren, das mittlerweile rund 40 % des gesamten Sortiments ausmacht. Bei Produkten wie Bier, alkoholfreien Getränken oder Speiseeis liegt der Aktionsanteil teils bei bis zu 80 %, Fleisch ist praktisch in Daueraktion. Dazu Thumser: „Rabatte über Pickerl oder Apps, die Konsumentinnen und Konsumenten beim Einkaufen auf Produkte ihrer Wahl aufkleben bzw. einlösen, werden den jeweiligen Herstellern am Ende des Quartals vom Handel preislich abgezogen. In Österreich bestimmt ein hochkonzentrierter Handel das Preisniveau – nicht die Hersteller“.
Lebensmittelinflation: Österreich im EU-Mittelfeld
Im Zeitraum Jänner 2022 bis Jänner 2025 liegt die Lebensmittelinflation in Österreich bei +27,4 % und damit im EU-Mittelfeld. Koßdorff hält fest: „Die immer wieder zitierten Länder Deutschland (+28,1 %) und Spanien (+28,1 %) weisen höhere Werte als Österreich auf!“ Höher liegen zum Beispiel auch Belgien: +28,5 %; Kroatien: +32,4 %; Slowakei: +39,0 %; Lettland: 40,1 % und Estland: +45,5 %; die gesamte Eurozone liegt bei +25,8 % (Quelle: Eurostat, WIFO). Gleichzeitig geben österreichische Haushalte nur rund 10 % ihrer Ausgaben für Lebensmittel aus – deutlich weniger als der EU-Durchschnitt von 13,6 % (Quelle: Eurostat).
Appell an die Politik
„Die österreichische Lebensmittelindustrie und Markenartikelbranche verlieren zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit – sowohl im Inland als auch auf Exportmärkten. Statt in Lebensmittelpreise einzugreifen, sollten vielmehr die Kostentreiber für die Lebensmittelherstellung - Energie, Personal und Überregulierung – rasch und deutlich gesenkt werden“
, so Koßdorff und Thumser abschließend.
Nähere Informationen finden Sie auf „Österreich isst informiert“:
Wer bestimmt eigentlich den Lebensmittelpreis?
Was kostet ein Lebensmittel in der Herstellung?
Stellenwert der Lebensmittelindustrie in Österreich
Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie) zählt mit ihren 27.400 direkt Beschäftigten zu den Schlüsselbranchen in Österreichs Wirtschaft. Sie garantiert verlässlich die tägliche Versorgung von Millionen Menschen mit sicheren, qualitativen und leistbaren Produkten. Die rund 200 Unternehmen erwirtschaften jährlich ein Produktionsvolumen von rund 12 Mrd. Euro. Rund 10 Mrd. Euro davon werden im Export in über 180 Länder abgesetzt. Der Fachverband unterstützt seine Mitglieder durch Information, Beratung und internationale Vernetzung.
Österreichischer Verband der Markenartikelindustrie
Der Österreichische Verband der Markenartikelindustrie (MAV) wurde 1925 gegründet und repräsentiert rund 100 national und international tätige Hersteller aus dem FMCG-Bereich (Fast Moving Consumer Goods). Als freiwillige Interessenvertretung setzt sich der MAV für die nachhaltige Förderung der Marke als Symbol für Qualität, Innovation und fairen Wettbewerb ein.
Rückfragen & Kontakt
Mag. Katharina Koßdorff
Geschäftsführerin im Fachverband der Lebensmittelindustrie
T: +43 1 712 21 21 - 14
E: k.kossdorff@dielebensmittel.at
DI Oskar Wawschinek MAS MBA
Food Business Consult
Pressesprecher für den Fachverband der Lebensmittelindustrie
M: +43 664 545 63 50
E: office@foodbusiness.at
Mag. Günter Thumser
Geschäftsführer Markenartikelverband
T: +43 1 713 32 88
E: g.thumser@mav.at
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