- 19.08.2025, 09:42:32
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Definiert Mikrobiom-Forschung den Pflanzenschutz neu?
Expertin Gabriele Berg fordert angepasste Zulassungsverfahren für einen schnelleren Praxiseinsatz moderne Methoden
Im Pflanzenschutz bekämpft man gezielt einzelne Erreger. „Das Hauptproblem sind aber häufig nicht die Erreger selbst, sondern das Fehlen wichtiger Mikroorganismen („Missing Microbes“), sagt Univ.-Prof. Gabriele Berg von der TU Graz. Sie zählt zu den weltweit führenden Mikrobiom-Forscherinnen und untersucht den Einfluss von Mikroorganismen-Gemeinschaften auf Pflanzen, Mensch und Umwelt. „Bereits in den 1960er-Jahren veränderten der steigende Einsatz von Dünger und Chemikalien das Bodenmikrobiom massiv und begünstigen damit das Auftreten von Pflanzenkrankheiten, die oft keine klar identifizierbaren Auslöser haben“. Für Berg ist eine gesund aussehende Pflanze deshalb keineswegs automatisch gesund. „Ein gestörtes Mikrobiom begünstigt bei Menschen Erkrankungen wie Reizdarm, Asthma oder Krebs. Genauso entscheidet das mikrobielle Gleichgewicht über die Gesundheit der Pflanze“. Umweltfaktoren verursachen laut der Forschung bis zu 90 % aller chronischen Krankheiten. „Es geht längst nicht nur um Vitamine oder Antioxidantien – entscheidend ist das Zusammenspiel des gesamten mikrobiellen Ökosystems.“ Diese Erkenntnisse führen zum sogenannten One-Health-Ansatz: Gesundheit ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von Umwelt, Mensch, Tier und Mikroben. Die Humanmedizin habe dies – im Gegensatz zur Landwirtschaft – längst anerkannt.
Veraltetes Zulassungssystem verhindert nachhaltige Innovationen
Trotz erfolgreicher eigener Entwicklungen – etwa einer mikrobiellen Saatgutbeize für Zuckerrüben – kamen viele Produkte/Lösungen, die in Ihrem Institut entwickelt wurden, nie auf den Markt. „Das ist bedauerlich, umso mehr als die Forschungsarbeiten mit öffentlichen Mitteln gefördert werden“ moniert die Wissenschaftlerin. Der Grund ist ein veraltetes Zulassungssystem, das auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel zugeschnitten ist. Mikrobielle Wirkstoffe werden wie synthetische Pestizide behandelt – trotz ihrer biologischen Herkunft und ihren geringeren Risiken. Der Rückgang zugelassener chemischer Mittel, die Klimakrise und der damit steigende abiotische Stress, setzt den Pflanzenschutz zunehmend unter Druck. Berg sieht darin auch eine Chance für eine neue, zentralisierte, international abgestimmte EU-Zulassung für biologische Produkte– etwa nach US-Vorbild –, die Innovationen viel rascher verfügbar machen. Aktuell arbeitet Berg an der Entwicklung von Mikrobiom-basierten Biostimulanzien, die an der Schnittstelle Pflanze–Boden ansetzen und die Bodengesundheit und damit auch die menschliche Gesundheit fördern sollen.
Ganzheitliche Produktion nutzt allen
Biotechnologische Analytik enthüllt zunehmend tiefgreifende Zusammenhänge. „Die industrielle Landwirtschaft muss daher neu gedacht werden. Die Politik muss Lösungen für die strukturelle Krise der Landwirtschaft finden“ fordert die Mikrobiom-Forscherin. „Die derzeitige Produktion von Nahrungsmitteln preist die Folgekosten für Umwelt und Gesellschaft nicht ein, die etwa durch steigende Gesundheitskosten infolge chronischer Krankheiten entstehen. Dafür könne man den Bauern keine Schuld geben. Zudem werden andere Leistungen wie der Erhalt von Landschaft, Biodiversität und Humusaufbau nicht bezahlt. Ein positives Beispiel sieht Berg in der biologischen Landwirtschaft. Diese sei widerstandsfähiger und besser regional angepasst – auch wenn sie etwas weniger Ertrag bringt. Ziel müsse ein lokales, nachhaltiges Agrarsystem für eine gesunde Lebensmittelproduktion sein. "Eine schrittweise Ökologisierung der integrierten Produktion durch mehr Mikroorganismen und andere biologische Pflanzenschutzmittel ist sinnvoll und machbar. Wichtig ist, die Produkte schneller auf den Markt zu bringen, um ganzheitliche Strategien zu fördern“ erklärt auch Brigitte Kranz, Geschäftsführerin vom IBMA Deutschland-Österreich.
Univ.-Prof.in Gabriele Berg lehrt an der TU-Graz, Institut für Umweltbiotechnologie und leitet die Abteilung Mikrobiom Biotechnologie am Leibniz-Institut in Potsdam. 2025 erhält sie den Wissenschaftspreis der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG).
Langversion Interview und Presse-Foto.
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