- 15.08.2025, 14:47:02
- /
- OTS0027
Iran: Willkürliche Enteignung von Bahá’í in Isfahan per SMS aufgrund ihres Glaubens.
Über zwei Dutzend Bahá’í in Isfahan von Beschlagnahmung betroffen
Wien, 15. August 2025 – In Isfahan, Iran, wurden Häuser, Eigentum und sogar Fahrzeuge von mehr als 20 Bahá’í allein aufgrund ihres Glaubens beschlagnahmt. Die Behörden berufen sich dabei auf Artikel 49 der iranischen Verfassung – ursprünglich geschaffen, um unrechtmäßig erworbene Güter zurückzuführen – und missbrauchen ihn, um rechtmäßiges Eigentum einzuziehen, Bankkonten einzufrieren und alltägliche Transaktionen zu blockieren. Viele Betroffene erfuhren davon lediglich per SMS – ohne jegliches Gerichtsverfahren.
Diese Maßnahmen werden vom Sondergericht für Artikel 49 gesteuert – einer Zweigstelle des Revolutionsgerichts, die dem Exekutivhauptquartier des Befehls von Imam Khomeini (EIKO, persisch „Setad“) untersteht. Diese Behörde ist offiziell dafür zuständig, angeblich unrechtmäßig erworbene Vermögenswerte zu ermitteln, zu beschlagnahmen und entweder an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben oder, falls kein Eigentümer festgestellt werden kann, an die Staatskasse zu überführen. Nach iranischem Recht wird Eigentum, das gemäß Artikel 49 eingezogen wird, über die EIKO dem Obersten Führer, Ayatollah Ali Khamenei, zur Verfügung gestellt. In der Praxis jedoch fließen die gezielten Enteignungen von Bahá’í direkt an Institutionen, die seiner unmittelbaren Kontrolle unterstehen.
„Artikel 49 der iranischen Verfassung wurde geschaffen, um gestohlenes Eigentum zurückzugeben, nicht, um Bürgern ihre Häuser und Lebensgrundlagen zu nehmen!“, erklärt Isma Forghani, Menschenrechtsbeauftragte der Bahá’í-Gemeinde in Österreich. „Was wir hier sehen, ist staatlich organisierter Diebstahl – per SMS! Diskriminierend, rechtswidrig und mit dem Ziel, eine religiöse Minderheit in Armut zu treiben.“
Die Verfahren nach Artikel 49 werden im Geheimen geführt, ohne offizielle Registrierung im zentralen „Sana“-System der Justiz und ohne Akteneinsicht für Anwälte. Ohne jeden Beweis für eine unrechtmäßige Aneignung werden Familien mit Verfügungen belegt, die den Verkauf oder die Übertragung von Eigentum verbieten, Bankkonten einfrieren und sogar Fahrzeuge bei Routinekontrollen beschlagnahmen.
Simin Fahandej, Vertreterin der Internationalen Bahá’í-Gemeinschaft bei den Vereinten Nationen in Genf, fragt: „Wie kann eine Regierung es moralisch, rechtlich oder auch nach ihren eigenen religiösen Lehren rechtfertigen, Menschen ihr Eigentum und lebenswichtige Besitztümer zu entziehen? Wer trägt die Verantwortung für die unzähligen Güter, die den Bahá’í seit der Revolution einzig wegen ihres Glaubens weggenommen wurden?“
Diese Praktiken sind keine Einzelfälle, sondern Teil eines seit der Islamischen Revolution 1979 bestehenden Musters staatlich organisierter Enteignungen gegen die Bahá’í. Über die Jahre wurden heilige Stätten, Friedhöfe sowie Tausende Privathäuser, Bauernhöfe und Unternehmen beschlagnahmt. Gerichte bestätigten zudem die Enteignung von Grundstücken in Dörfern wie Ivel und Kata, wo 2022 bewässertes Ackerland von 27 Bahá’í konfisziert wurde – ein weiteres Beispiel für den fortgesetzten Charakter dieser Enteignungen.
Berichte sprechen von einem Klima der Einschüchterung. Richter Morteza Barati, Vorsitzender des Sondergerichts für Artikel 49 in Isfahan, soll gegenüber einer Bahá’í offen erklärt haben, allen Bahá’í ihr Eigentum „wegnehmen“ zu wollen, und drohte: „Wenn das Gericht tagt, werden wir Ihr Leben zerstören.“ Betroffenen wurde mitgeteilt, dass bereits Telefonanrufe als Vorladungen gelten. Zudem wurden sie mit Haftbefehlen bedroht – selbst dann, wenn sie unter elektronischer Überwachung standen oder sich in medizinischer Behandlung befanden.
Diese Methode der Beschlagnahmung wird oft parallel zu bereits laufenden Verfahren eingesetzt. So wurden im Oktober 2024 zehn Bahá’í-Frauen in Isfahan: Negin Khademi, Yeganeh Agahi, Yeganeh Rouhbakhsh, Neda Badakhsh, Mojgan Shahrezaie, Shana Shoghifar, Arezou Sobhanian, Parastou Hakim, Bahareh Lotfi und Neda Emadi zu insgesamt 90 Jahren Haft verurteilt. Fast ein Jahr später erhielten sie die Mitteilung, dass ein neues Verfahren nach Artikel 49 gegen sie eröffnet worden sei. In jüngster Zeit hat sich die Überweisung an dieses Gericht beschleunigt, teils nur wenige Wochen nach Verhören oder Hausdurchsuchungen.
"Seit Generationen werden Bahá’í-Familien im Iran systematisch ihrer Lebensgrundlagen beraubt – durch eine staatlich gesteuerte Politik, die sie in ihrer Arbeit diskriminiert und ihnen den Zugang zur Hochschulbildung verwehrt“, erklärte Isma Forghani. „Heute kann eine einzige SMS jahrzehntelange Arbeit unter bereits unerträglichen Bedingungen zunichtemachen. Der Missbrauch von Artikel 49 verarmt Familien gezielt und entzieht ihnen Ersparnisse, Eigentum und sogar den Zugang zu medizinischer Versorgung. Wir fordern die iranischen Behörden auf, die Bahá’í als gleichberechtigte Bürger anzuerkennen, ihnen ihr Eigentum zurückzugeben, ihre eigenen Gesetze sowie internationalen Verpflichtungen einzuhalten und diese staatliche Verfolgung sofort zu beenden."
Rückfragen & Kontakt
Menschenrechtsbeauftragte
Mag Isma Forghani
Telefon: public@at.bahai.org
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | BAH