• 17.07.2025, 18:13:02
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  • OTS0125

Messenger-Überwachung nimmt letzte parlamentarische Hürde

Kontreverse Debatte zwischen Grundrechtsschutz und Sicherheitsinteressen auch im Bundesrat

Wien (PK) - 

Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) wird künftig etwa zur Abwehr von Terroranschlägen oder Spionage verschlüsselte und unverschlüsselte digitale Kommunikation überwachen können. Nach intensiven öffentlichen und parlamentarischen Debatten brachte die Koalition das umfangreiche Gesetzespaket nun auch durch den Bundesrat.

Während die Koalitionsparteien und Staatsschutz-Staatssekretär Jörg Leichtfried die Novelle als notwendigen Schritt zur Modernisierung der Befugnisse des Verfassungsschutzes und zur besseren Bekämpfung von Terrorismus und Spionage bezeichneten, äußerten Bundesrät:innen der FPÖ und der Grünen teils massive verfassungsrechtliche und sicherheitspolitische Bedenken. Hingewiesen wurde insbesondere auf das aus ihrer Sicht hohe Missbrauchsrisiko bis hin zur Überwachung unbescholtener Bürger:innen. Die Koalition verwies hingegen auf ein mehrstufiges Rechtsschutzsystem und betonte, dass es sich nicht um eine Maßnahme zur Massenüberwachung handle. Bei einer von der FPÖ verlangten namentlichen Abstimmung sprachen sich 40 Bundesrät:innen für und 19 gegen den Gesetzesentwurf aus.

Ein ebenfalls von der FPÖ im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag, die DSN sowie die Landesämter für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung ausreichend stark personell und budgetär auszustatten, um der wachsenden Bedrohung durch islamistischen Terrorismus begegnen zu können, blieb in der Minderheit.

Neben der Messenger-Überwachung passierten auch drei Regierungsvorlagen, die die Umsetzung von EU-Regularien für die Finanzmärkte betreffen, die Länderkammer. Einstimmig davon beschlossen wurden Vorgaben für mehr Transparenz für Wertpapiermärkte sowie Neuerungen zur EU-Clearinglandschaft. Mit breiter Mehrheit wurden Klarstellungen für den Bankensektor getroffen. Ein in der Sitzung eingebrachter Entschließungsantrag der Grünen, zentrale Elemente der KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungs-Maßnahmen-Verordnung) weiterhin gesetzlich zu verankern, wurde abgelehnt.

Einstimmig und ohne Debatte sprachen sich die Bundesrät:innen für ein Übereinkommen im Rahmen der Polizeikooperationskonvention für Südosteuropa ("PCC SEE") aus, mit dem der automatisierte Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten zwischen den Behörden der Partnerstaaten sichergestellt werden soll. Ein ergänzendes Änderungsprotokoll zum Übereinkommen soll darüber hinaus datenschutzrechtliche Bedenken der Europäischen Kommission ausräumen und ein bereits initiiertes Vertragsverletzungsverfahren wieder beenden.

Einhellige Zustimmung fand ebenso eine Änderung des Bundestheaterorganisationsgesetzes (BThOG). Mit der Novelle sollen die verbliebenen "pensionsbehördlichen Zuständigkeiten", die die Bundestheater-Holding GmbH infolge der Ausgliederung der Bundestheater nach dem Bundestheaterpensionsgesetz wahrnimmt, an die BVAEB übertragen werden.

Grundzüge der Messenger-Überwachung

Die sogenannte Messenger- bzw. Gefährder-Überwachung soll laut Regierungsvorlage ausschließlich der Abwehr besonders schwerwiegender verfassungsgefährdender Angriffe als Ultima Ratio dienen und strengen rechtlichen und technischen Kontrollvorgaben unterliegen. So sollen Nachrichtenüberwachungen etwa nur dann erlaubt sein, wenn für das betreffende Delikt eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren droht oder es um Spionage geht. Zudem ist ein mehrstufiges Rechtsschutzsystem vorgesehen, in dem insbesondere das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sowie ein:e unabhängige:r Rechtsschutzbeauftragte:r zentrale Prüf- und Genehmigungsaufgaben erhalten sollen. Weitere geplante Neuerungen betreffen die Flexibilisierung der Aufgabenzuteilung innerhalb der DSN, die Möglichkeit, polizeiliches Einschreiten zur Sicherung nachrichtendienstlicher Aufgaben aufzuschieben, die Erweiterung des Deliktskatalogs, Berichtspflichten an das Parlament und flankierende Änderungen etwa im Telekommunikationsgesetz.

FPÖ will Abschiebungen statt Überwachung kritischer Bürger:innen

Die "digitale Totalüberwachung" sah FPÖ-Bundesrätin Sandra Jäckel aus Vorarlberg "vor der Tür stehen". Was der Bevölkerung als Terrorabwehr verkauft werde, bedeute in Wahrheit einen "massiven Eingriff" in die Grund- und Freiheitsrechte mit erheblichem Missbrauchspotenzial. Die Wahrung der Sicherheit brauche zwar "starke Instrumente", doch müssten diese gezielt wirken und dürften nicht die "Überwachung aller Bürger" ermöglichen, mahnte Jäckel. Sie stieß sich zudem daran, dass der Begriff "Islamismus" in der Regierungsvorlage nicht vorkomme und stattdessen von "verfassungsgefährdenden Angriffen" die Rede sei. Mit derartigen Begriffen seien auch Gegner:innen der COVID-19-Maßnahmen bedacht worden, erinnerte Jäckel und warnte davor, dass die Überwachung auch auf kritische Bürger:innen abzielen könnte.

Diese Sorge teilten auch Andreas Guggenberger (FPÖ/W), der von einer "digitalen Neuauflage der Karlsbader Beschlüsse" sprach, und Günter Pröller (FPÖ/OÖ). Noch dazu hätte keiner der bisherigen Anschläge damit verhindert werden können, merkte Pröller an. Im vergangenen Jahr sei bei den islamistisch motivierten Straftaten ein Anstieg um mehr als 40 % zu verzeichnen gewesen. Um wirklich bei der "Ursache des Terrors" - der "illegalen Masseneinwanderung" - anzusetzen, wären eine Abschiebeoffensive sowie ein Verbot des politischen Islams notwendig, erklärten sowohl Pröller als auch Werner Gradwohl (FPÖ/St), der die Messenger-Überwachung ebenfalls nur als "Symptombekämpfung" sah, bei der der "Missbrauch vorprogrammiert" sei. Man habe aus der Corona-Pandemie gelernt und wolle insbesondere dem ÖVP-geführten Innenministerium kein solches Instrument in die Hand geben, erklärte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ) und konstatierte: "Vertrauen ist keine politische Kategorie."

Grüne warnen vor schleichender Ausweitung der Überwachung

Elisabeth Kittl (Grüne/W) zeigte sich verwundert über die "flammenden Reden" der Freiheitlichen gegen den "Bundestrojaner", den sie vor einigen Jahren noch selbst hätten einführen wollen. FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl habe in seiner Zeit als Innenminister sogar explizit die Messenger-Überwachung gefordert. In Richtung Koalition verwies Kittl auf die Kritik zahlreicher Organisationen und Expert:innen im Rahmen des Begutachtungsverfahrens. Diese hätten Zweifel daran geäußert, dass die einzusetzende Software so beschränkt werden könne, dass nur einzelne Messenger-Dienste und nicht das gesamte Handy überwacht werde. Diese "Handy-Überwachung" hätten die Grünen in fünf Jahren Regierungszeit entschieden abgelehnt, erklärte Kittl.

Kritik übte sie auch daran, dass für die Einbringung der Software bewusst Sicherheitslücken genutzt würden, die auch von Kriminellen oder "nicht wohlgesinnten Geheimdiensten" missbraucht werden könnten. Zudem warnte Kittl, dass solche Überwachungsmöglichkeiten "schleichend ausgeweitet" werden und demokratiefeindlichen Strömungen in die Hände fallen könnten.

Koalition sieht zeitgemäße Instrumente für den Verfassungsschutz höchst an der Zeit

Es sei höchst an der Zeit, einen "nüchternen Blick" auf die Realität zu werfen, konstatierte Barbara Prügl (ÖVP/OÖ). Die österreichischen Sicherheitsbehörden hätten im internationalen Vergleich bisher "nur wenig Befugnisse" gehabt und geplante Anschläge, wie jener auf das Taylor-Swift-Konzert im Vorjahr, hätten nur durch Hinweise ausländischer Nachrichtendienste verhindert werden können. Daher müssten die heimischen Behörden mit "modernem Werkzeug" nun handlungsfähig gemacht werden, erklärte Prügl. Sowohl sie als auch Sandra Lassnig (ÖVP/K) betonten, dass es sich jedoch um keine Massenüberwachung handle.

Es sei "unbestritten", dass die Messenger-Überwachung einen Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte darstelle, zeigte Harald Himmer (ÖVP/W) Verständnis für die Bedenken der Opposition. Daher habe man auch eine Reihe an Maßnahmen zur Sicherung des Rechtsschutzes in die Novelle mitaufgenommen. Weniger verständlich sei jedoch, dass dieselben, die nun vor Grundrechtseinschnitten warnten, auch Teil der "Jagd- und Vernaderungsgesellschaft" etwa gegen Sebastian Kurz, Gernot Blümel, Hartwig Löger, Heinz-Christian Strache oder Josef Pröll gewesen seien. Keinem der Genannte habe ein "Fehlverhalten" nachgewiesen werden können und trotzdem seien etwa mit der Veröffentlichung von SMS ihre Rechte verletzt worden, plädierte Himmer dafür, nicht mit "zweierlei Maß" zu messen.

Als "wichtiges Werkzeug zur Spionage- und Terrorbekämpfung" sah Dominik Reisinger (SPÖ/OÖ) die Messenger-Überwachung und bemängelte, dass die Opposition neben ihrer Kritik keine alternativen Lösungsvorschläge biete. Vor allem die FPÖ beharre auf ihrer Rolle als "Fundamentalopposition" und agiere "destruktiv und unsachlich". Österreich müsse auf globale Veränderungen reagieren und Gefährdern in technologischer Hinsicht "auf Augenhöhe" begegnen, so Reisinger. Wenn nur ein einziger Terroranschlag mit Hilfe der Messenger-Überwachung verhindert werden könne, sei deren Einsatz gerechtfertigt. Reisinger ging auch auf die zahlreichen rechtlichen und technischen Kontrollvorgaben für den Einsatz ein.

Leichtfried: Verfassungsschutz braucht "stählerne Spitzen" gegen Bedrohungen

Von einer besorgniserregenden Änderung der weltpolitischen Ordnung sprach auch Staatssekretär Jörg Leichtfried. Globale Krisen und Kriege würden nun zunehmend auch in Österreich Wirkungen zeitigen. Die Gefahren durch Desinformation, Radikalisierung - die über soziale Medien bereits im Kinderzimmer beginne - und Terrorismus seien größer geworden. Die Republik müsse diesen Entwicklungen auch mit zeitgemäßen Mitteln entgegentreten können, so Leichtfried. Der Verfassungsschutz brauche "stählerne Spitzen", wovon eine die Messenger-Überwachung sein könne.

"Selbstverständlich" handle es sich dabei um einen Grundrechtseingriff, jedoch nicht um eine Möglichkeit zur Massenüberwachung, betonte auch Leichtfried das vorgesehene Rechtsschutzsystem. Die Überwachung solle zudem nur bei Delikten zum Einsatz kommen, bei denen Freiheitsstrafen von mindestens zehn Jahren drohten. Dies betreffe "potenzielle Mörder und Totschläger", so Leichtfried, und keine kritischen Bürger:innen. Die Messenger-Überwachung könne zwar keine Anschläge mit Sicherheit verhindern, solle jedoch deren Wahrscheinlichkeit verringern und dazu beitragen, dass potenzielle Attentäter sich "unsicherer fühlen müssen".

Umsetzung von EU-Vorgaben für Finanzmärkte

Grünes Licht gab der Bundesrat auch für Gesetzesänderungen im Finanzbereich. Die beschlossenen Änderungen im Börse- und Wertpapieraufsichtsgesetz sollen die Transparenz an den Wertpapiermärkten erhöhen, um Anreize für mehr Investitionstätigkeiten innerhalb der europäischen Union zu schaffen. Vereinfacht wird insbesondere der Grenzwert für die Ausnahme von der Vorhandelstransparenz von Eigenkapitalinstrumenten. Der bisherige "double volume cap mechanism" wird durch eine einzelne Schwelle ersetzt. Zur stärkeren Vereinheitlichung der Vor- und Nachhandelstransparenz wird der Ermessensspielraum der zuständigen Behörden hinsichtlich der Aufschübe von Veröffentlichungen abgeschafft. Darüber hinaus passt der umfassende Gesetzesentwurf bereits bestehende Strafbefugnisse der Finanzmarktaufsicht an die neuen bzw. geänderten Transparenzverpflichtungen der betroffenen Unternehmen an.

Die Regierungsvorlage zur EU-Clearinglandschaft zielt darauf ab, die Aufsicht über zentrale Gegenparteien zu stärken und Zulassungsverfahren zu vereinfachen. Ebenso soll die Abwicklung und Abwicklungsdisziplin von Wertpapiertransaktionen vereinfacht und eine effiziente Aufsichtsstruktur geschaffen werden. Dazu sollen die Strafbestimmungen im Zentralen Gegenparteien-Vollzugsgesetz erweitert, die Obergrenzen für das Ausfallrisiko geändert, das Konzentrationsrisiko verringert und eine effizientere Aufsichtsstruktur bezüglich der Lieferungs- und Abwicklungsdienstleistung geschaffen werden.

"Wichtige und dringende Klarstellungen für die österreichische Bankenlandschaft " nimmt die Regierung schließlich im Sanierungs- und Abwicklungsgesetz sowie im Immobilien-Investmentfondsgesetz vor. So sollen in Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen dazu verpflichtet werden, eine Mindestanforderung an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten zu erfüllen. Damit sollen die Verlustabsorption, Rekapitalisierung und Abwicklungsfähigkeit verbessert werden, ohne dass dabei öffentliche Mittel eingesetzt werden. (Schluss) wit/mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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