- 11.07.2025, 20:42:33
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Nationalratssitzung endet mit Ersten Lesungen zu ORF-Haushaltsabgabe und Konversionsmaßnahmen
Tagungsende am 15. Juli, Innenausschuss kann auch im Sommer zusammentreten
Nach der heutigen Nationalratssitzung haben die Abgeordneten das Ende der Tagung 2024/25 mit 15. Juli beschlossen. Der Innenausschuss kann aber auch im Sommer zusammentreten. Er wurde von den Abgeordneten einstimmig für permanent erklärt. Auch der Nationalrat kann während der tagungsfreien Zeit jederzeit zu Sondersitzungen bzw. außerordentlichen Tagungen einberufen werden, wenn ein entsprechendes Verlangen ausreichend unterstützt ist. Die nächste Tagung beginnt am 9. September.
Der Geschäftsordnungsausschuss könnte ebenfalls in den Sommermonaten zusammentreten, falls der Verfassungsgerichtshof den Bedenken von ÖVP, SPÖ und NEOS gegen den von der FPÖ verlangten Untersuchungsausschuss nicht folgt. Er müsste dann die vorerst nicht gefassten Beschlüsse für die Einsetzung des ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschusses fassen.
Vor Schluss der Sitzung haben sich die Abgeordneten im Rahmen von Ersten Lesungen noch mit einem Volksbegehren gegen die ORF-Haushaltsabgabe beschäftigt sowie mit einem von den Grünen vorgeschlagenen Gesetz zum Schutz vor Konversionsmaßnahmen, also Praktiken zur Veränderung der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. In Dritter Lesung endgültig grünes Licht gab es für eine Geschäftsordnungsnovelle zur Umsetzung der Informationsfreiheit im Nationalrat.
Nationalratspräsident Walter Rosenkranz bedankte sich abschließend bei seinen 182 Kolleginnen und Kollegen, "die mit persönlichem Einsatz und politischer Überzeugung Verantwortung übernehmen". Im Sommer folge nun eine intensive Zeit in den Wahlkreisen. Von "XXL-Ferien", wie in manchen Medien zu lesen war, sei keine Spur.
Volksbegehren "ORF-Haushaltsabgabe nein"
Eine erste Debatte fand über das Volksbegehren "ORF-Haushaltsabgabe nein" statt. Exakt 119.368 Personen lehnen darin die mit 1. Jänner 2024 eingeführte ORF-Haushaltsabgabe ab. Die Haushaltsabgabe sei "unsachlich und unfair", da sie auch von jenen bezahlt werden müsse, die den ORF gar nicht konsumieren, machen die Initiator:innen rund um Robert Marschall geltend. Zudem werfen sie dem ORF vor, nicht sachlich, objektiv, umfassend und ausgewogen zu berichten und damit gegen den Programmauftrag zu verstoßen. Das Volksbegehren wurde dem Verfassungsausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen.
Christoph Steiner und Dagmar Belakowitsch (beide FPÖ) begrüßten die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in Form von Volksbegehren. Auch inhaltlich konnten sie der Initiative etwas abgewinnen. Steiner bezeichnete den ORF als "grottenschlecht" und "linksversifft", für letzteren Ausdruck erhielt er einen Ordnungsruf. Belakowitsch kritisierte den ORF für "Luxusgehälter, Regierungspropaganda, Gendersprache und sinnlose amerikanische Serien". Sebastian Schwaighofer (FPÖ) sprach von einer "Zwangsbeglückung". Er stellte die Frage in den Raum, warum die Menschen zum ORF gezwungen werden müssten, wenn dieser wirklich das beste Programm anbiete. Auch für Elisabeth Heiß (FPÖ) wird man beim ORF gezwungen, für etwas zu zahlen, das es sich nicht lohnt einzuschalten.
Von der ÖVP bekannte sich Kurt Egger zu einem dualen Medienstandort, zu Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt und zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit dem ORF-Beitrag habe man eine verfassungskonforme Regelung beschlossen, betonte er. Klar sei aber auch, dass der ORF digitaler, sparsamer und regionaler werden müsse. Klaus Seltenheim (SPÖ) bezeichnete einen starken ORF als "demokratische Daseinsvorsorge" und positionierte sich gegen jegliche "Abschaffungsfantasien". Die Regierung werde den ORF reformieren, aber nicht zulassen, dass er zum Spielball parteipolitischer Interessen werde, betonte Seltenheim. Henrike Brandstötter (NEOS) sah im Volksbegehren "gute Punkte", etwa in der Forderung, dass der ORF parteiunabhängig werden müsse. Sie sprach sich für einen schlanken ORF mit gleichzeitig bester Qualität aus.
Grün halte zum ORF, betonte Sigrid Maurer (Grüne). Sie stehe auch hinter der Reform, die in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam beschlossen und jüngst vom Verfassungsgerichtshof für konform erklärt worden sei. Ein unabhängiger Rundfunk sei unabdingbar für die Demokratie, so Maurer.
Erste Lesung zu Konversionsmaßnahmen-Schutz-Gesetz
Dem Justizausschuss zugewiesen wurde ein Gesetzesvorschlag der Grünen zum Schutz vor Konversionsmaßnahmen oder konversiv-reparative Praktiken. Es handelt sich dabei um Maßnahmen, die eine Veränderung der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität zum Ziel haben. Geht es nach den Grünen, soll die Durchführung solcher Maßnahmen bei vier Personengruppen verboten werden: bei Minderjährigen, bei jungen Erwachsenen unter 21 Jahren bei Ausnützung einer Zwangslage oder eines Mangels an Urteilsvermögen, bei nicht-entscheidungsfähigen bzw. wehrlosen Personen sowie bei Vorliegen eines besonderen Autoritätsverhältnisses. Eine Einwilligung der betroffenen Person oder ihrer gesetzlichen Vertreter:innen sollte nicht wirksam sein, so die Grünen. Als Strafe bei Verstößen schlagen sie bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen vor.
Nicht vom Verbot umfasst sein sollen wissenschaftlich anerkannte Behandlungen von Störungen der Sexualpräferenz oder von sogenannten paraphilen Störungen, etwa Pädophilie oder Voyeurismus. Auch fachlich fundierte Behandlungsmöglichkeiten, deren Ziel die Steigerung des Selbstwerts von lesbischen, schwulen, bisexuellen oder nicht-cisgender Personen ist, sollen vom Gesetz unberührt bleiben.
"You cannot pray the gay away", wiederholte David Stögmüller (Grüne) einen Ausspruch, der aus dem Leid zahlloser junger Menschen formuliert worden sei, denen man eingeredet habe, sie müssten von etwas geheilt werden, das keine Krankheit ist. 30 % der LGBTIQ-Personen in Österreich hätten laut einer europäischen Studie bereits Konversionsmaßnahmen erlebt. Versuche, Personen "umzupolen", ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität verändern zu wollen, seien Menschenrechtsverletzungen, betonte Stögmüller. Solche Maßnahmen seien nicht therapeutisch, sondern zerstörerisch. Stögmüller betonte, dass die Grünen für mehr psychologische Betreuung von jungen Menschen eintreten und nicht für Operationen bei Transpersonen unter 18 Jahren seien.
Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) ortete ein "sensibles Thema". Konversionstherapien seien abzulehnen, aber die Frage der Abgrenzung müsse man sich genau anschauen. Hier dürfe kein Schnellschuss passieren. Der Antrag sei für sie auf den ersten Blick ein Angriff auf die Souveränität der Familie. Der Staat dürfe nicht in das Familienleben eingreifen. Es gehe darum, Kinder und Jugendliche vor Eingriffen zu schützen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, sagte Giuliani-Sterrer mit Blick auf Operationen von Transpersonen.
Für Nico Marchetti (ÖVP) ist wichtig, über so "heikle Themen" sachlich zu diskutieren. Gegen ein Verbot von Konversionstherapien habe sich der Nationalrat bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode einstimmig ausgesprochen. Bei der Frage der Transsexualität, bei Geschlechtsumwandlungen und Hormontherapien müsse man vorsichtig sein und auf die Wissenschaft hören, meinte Marchetti.
Auch Henrike Brandstötter (NEOS) betonte den Allparteienkonsens gegen sogenannte "Homo-Heilungen". Der Antrag der Grünen sei aber nicht gut, voll elitärer Sprache und müsse überarbeitet werden. Brandstötter wolle in der Regierungsbeteiligung das umsetzen, was den Grünen nicht gelungen sei: "Homo-Heilungen" endlich abzuschaffen, damit nächsten Sommer keine "Umpolungs-Camps" mehr stattfinden. "Dazu sollten wir uns durchringen", sagte sie.
Mario Lindner (SPÖ) betonte, dass im medizinischen und therapeutischen Bereich Konversionstherapien bereits seit 2019 verboten seien. Das Problem liege bei privaten Vereinen, "Verschwörungstheoretikern und fundamentalistischen, religiösen Gruppen". Diesen Praktiken und der "Gehirnwäsche" müsse man einen Riegel vorschieben. Um vom Thema abzulenken, werde die Sache gern mit anderen Fragen vermischt, etwa den medizinisch nicht notwendigen Operationen von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen, kritisierte Lindner.
Einhellige Zustimmung zur Geschäftsordnungsnovelle auch in Dritter Lesung
Endgültig grünes Licht gab der Nationalrat für eine von den fünf Parteien gemeinsam vorgeschlagene Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz. Wie schon in Zweiter Lesung am Mittwoch erhielt der Gesetzesantrag auch in Dritter Lesung die Zustimmung aller Fraktionen. Dabei geht es vor allem um die Anpassung der Geschäftsordnung des Nationalrats an das ab 1. September geltende Grundrecht auf Information bzw. die Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse auf der Parlaments-Website. Da bei GOG-Änderungen zwischen Zweiter und Dritter Lesung mindestens 24 Stunden liegen müssen, fand die letzte Abstimmung erst heute statt. (Schluss Nationalrat) kar/gs
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