- 11.07.2025, 18:04:03
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Nationalrat: Einstimmigkeit für ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsleistungen nach Gaza
ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne befürworten außerdem Entschließung zur Autonomiereform in Südtirol
Zur humanitären Krise im Gazastreifen sprachen sich die Abgeordneten heute im Nationalrat einstimmig für einen Antrag von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen aus. Geht es nach den Parlamentsfraktionen, soll sich die Bundesregierung für einen ungehinderten und sicheren Zugang für humanitäre Hilfsleistungen in den Gazastreifen und demnach für die Einhaltung des Völkerrechts vonseiten Israels einsetzen. Die Grünen bezogen sich mit einem Antrag auf Ergebnisse eines menschenrechtlichen Prüfberichts der EU-Kommission und forderten darüber hinaus, sich auf EU-Ebene für eine temporäre Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel auszusprechen. Der Antrag der Grünen blieb in der Minderheit.
Um bei der laufenden Autonomiereform Südtirols die deutsch- und ladinischsprachigen Volksgruppen zu unterstützen, fassten ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne zudem eine Vier-Parteien-Entschließung. Die FPÖ wiederum warnte vor Rückschritten und machte einen neuen Anlauf für die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler:innen. Die entsprechenden zwei Anträge der Freiheitlichen blieben gegen die Stimmen der anderen Parlamentsparteien in der Minderheit.
Humanitäre Hilfsleistungen in den Gazastreifen
Die Entschließung für einen ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsleistungen in den Gazastreifen und für die Einhaltung des Völkerrechts vonseiten Israels war von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen initiiert worden. Mit einem Abänderungsantrag im Ausschuss wurde mehr Bezug auf eine Beteiligung der Vereinten Nationen an der Verteilung der Hilfsgüter genommen. Den Abgeordneten geht es etwa auch darum, dass diplomatische Bemühungen für einen dauerhaften Waffenstillstand unterstützt werden und die Zweistaatenlösung vonseiten Österreichs weiterhin bekräftigt wird. Auch wenn dieses Ziel derzeit weit entfernt liege, sei die Zweistaatenlösung die beste Chance für die Bekämpfung von Extremismus und für langfristige Sicherheit im Nahen Osten, so die gemeinsame Haltung.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zufolge sei es völlig klar, dass sie auf der Seite des Völkerrechts, insbesondere des humanitären, stehe, und Israel dieses einzuhalten habe. Die humanitäre Lage in Gaza sei katastrophal, aber eine Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit Israel würde den Palästinensern nicht helfen, meinte sie zum Antrag der Grünen. Vielmehr gelte es, im Dialog dafür zu sorgen, dass es endlich zu Lösungen für den Frieden komme. Die Hamas müsse endlich bereit sein, die verbliebenen Geiseln freizulassen. Man stehe jedenfalls an der Seite Israels im Kampf um dessen Existenzsicherung, hielt sie fest. Zugleich dürfe die palästinensische Bevölkerung nicht den Preis für die Gräueltaten der Hamas zahlen, so die Ministerin. Es brauche alle Anstrengungen für politische Lösungen. "Vertreibungsrhetorik und -pläne" vonseiten der israelischen Regierung seien aus ihrer Sicht "völlig inakzeptabel". Hinsichtlich der Hilfslieferungen müsse sichergestellt werden, dass diese nicht in die Hände der Hamas kommen. Im Sinne eines politischen Prozesses für die Region nannte Meinl-Reisinger Aspekte aus dem "arabischen Plan", der als gute Grundlage dienen könne. Mit dem jüngsten EU-Dialog mit Israel habe sich gezeigt, dass die Dinge für einen politischen Prozess in Bewegung kommen würden. Es gelte, politisch alles daranzusetzen, dass in der Region Frieden und Stabilisierung geschaffen werde.
Angesichts der besorgniserregenden Lage in Gaza sei es "höchste Zeit" für einen dauerhaften Waffenstillstand, sagte Carina Reiter (ÖVP). Eine Zweistaatenlösung bleibe für sie weiterhin die zentrale Perspektive. Es müsse ausgeschlossen sein, dass es nochmals Terrorangriffe auf Israel gebe. Man stehe an der Seite Israels, zugleich sei die Möglichkeit der Kritik ein unverzichtbares Merkmal einer demokratischen Gesellschaft, so Reiter.
Das heutige Gedenken an Srebrenica sei zugleich ein Aufruf, zu Verletzungen von Völkerrecht und Menschenrechten nicht zu schweigen, so Pia Maria Wieninger (SPÖ). Das betreffe auch die unerträgliche Situation in Gaza. Es gelte, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die palästinensische Zivilbevölkerung nicht den Preis der Angriffe der Hamas zahle. Die Vertreibungspläne der israelischen Regierung gegenüber den Palästinenser:innen würden ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen und müssten als solches benannt werden, sagte Muna Duzdar (SPÖ).
Henrike Brandstötter (NEOS) wies auf die humanitäre Tragödie in Gaza hin. Menschen seien beim Versuch gestorben, Lebensmittel zu erhalten. Israel habe nun aber eingelenkt, etwa, was die Verteilzentren betrifft. Zum Antrag der Grünen meinte sie, es brauche nicht "die nächste Schlagzeile", sondern Hilfe, die verlässlich sei.
Solange die Hamas in Gaza an der Macht sei, bleibe der Weg für echte Veränderung versperrt, meinte Meri Disoski (Grüne). Die Taten der Hamas seien unmissverständlich zu verurteilen, zugleich dürfe Israel nicht von der völkerrechtlichen Verantwortung entbunden werden. Werner Kogler (Grüne) würdigte die diplomatischen Bemühungen der Außenministerin. Mit dem eingebrachten Antrag der Grünen gehe es darum, dass auf europäischer Ebene Zeichen gesetzt werden sollen.
Jede Sekunde, die es Frieden früher gebe, sei eine gewonnene Sekunde, so Axel Kassegger (FPÖ). Das gelte für alle Kriege auf dieser Welt, sprach er etwa auch die Ukraine an. Ihm zufolge sollte aber vermieden werden, Doppelstandards anzuwenden, indem man selbe Sachverhalte unterschiedlich behandle. Der geopolitischen Verfestigung von "die Guten gegen die Bösen" könne er nichts abgewinnen. Er ortete "Worthülsen" und sehe für ein "kleines, neutrales Land" die Außenministerin in diesem Zusammenhang "den falschen Weg" einschlagen.
Entschließung zur Autonomiereform in Südtirol
Auf Basis eines Vier-Parteien-Antrags fassten ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne außerdem eine Entschließung zu Südtirol. Im Rahmen der dort laufenden Autonomiereform sollen die deutsch- und ladinischsprachigen Volksgruppen in Südtirol gegenüber der italienischen Regierung weiterhin aktiv vonseiten Österreichs in Ausübung seiner Schutzfunktion unterstützt werden, fordern sie. Der Reformprozess wird von ihnen grundsätzlich positiv gesehen, zumal unter anderem geplant sei, verlorene Kompetenzen, etwa durch die italienische Verfassungsreform 2001, wiederherzustellen. Den vier Parteien sind außerdem regelmäßige Informationen von Außenministerin Beate Meinl-Reisinger über den Reformprozess ein Anliegen.
Demgegenüber ortet die FPÖ in den Reformplänen eine teilweise Abkehr von jenen Autonomiestandards, die mit der Streitbeilegung zwischen Österreich und Italien 1992 erreicht wurden. Eine Rückkehr zu diesen Standards sollte ihr zufolge eine verbindliche Grundlage für jede Reform des Autonomiestatuts bilden. Einen neuen Anlauf machen die Freiheitlichen außerdem für die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler:innen. Beide Anträge der FPÖ blieben gegen die Stimmen der vier anderen Fraktionen in der Minderheit.
Österreich werde weiterhin seiner Schutzfunktion nachkommen und darauf schauen, dass die Region mit Kompetenzen gestärkt werde, sagte Josef Hechenberger (ÖVP). Die Verantwortung für die Schutzfunktion nehme man sehr ernst, so Jakob Grüner (ÖVP). Die Standards, die 1992 in Südtirol geschaffen worden seien, seien wichtig. Selma Yildirim (SPÖ) hob die Autonomie Südtirols als "Erfolgsgeschichte" hervor. Sie sei ein internationales Vorzeigemodell für Minderheitenschutz und friedliche Konfliktbeilegung. Man dürfe diese Erfolgsgeschichte nicht mit "nationalistischem Geplänkel" konterkarieren. Die "Spalterei" der FPÖ habe nichts mit dem Autonomiepaket zu tun, kritisiert auch Dominik Oberhofer (NEOS) die Freiheitlichen. Barbara Neßler (Grüne) warf der FPÖ vor, "bewusst in alten Wunden zu stochern". Der Antrag der Freiheitlichen würde die Autonomie Südtirols schwächen und dort spalten, wo es Brücken brauche.
Es gehe darum, die Minderheitenrechte und damit die Identität "unserer historischen Volksgruppe" zu schützen, meinte Christofer Ranzmaier (FPÖ). Es gebe aber seitens der Regierung kein kritisches Hinterfragen von dem, was als Reform am Tisch liege, bemängelte er. Etwa bei den Punkten Proporz, demokratische Mitbestimmung und kulturelle Selbstbestimmung sei in der Reform vieles vergraben, das man noch hätte beseitigen können. Mit einer aktiven Ausübung der Schutzfunktion hätte man aus seiner Sicht noch vieles bewegen können, warf Ranzmaier der Regierung vor. Christoph Steiner (FPÖ) sprach außerdem von einer "Unrechtsgrenze", die überall sonst kritisiert würde. Diese gelte es, "wiedergutzumachen".
Mit der Revision des Autonomiestatuts könnten große Schritte zur Wiedererlangung der Autonomie gelingen, zeigte sich demgegenüber Außenministerin Meinl-Reisinger überzeugt. Eine breite Mehrheit der Bevölkerung stehe hinter der Revision, daher gelte es, genau das in der Schutzfunktion zur Kenntnis zu nehmen. Nun sollte man sich darauf konzentrieren, dass der Entschluss zustande komme. Was die Doppelstaatsbürgerschaft betrifft, würden die Meinungen dazu in Südtirol stark auseinandergehen bzw. sei diese nicht von der Mehrheit gewünscht, so die Ministerin. (Fortsetzung Nationalrat) mbu
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