- 09.07.2025, 17:23:33
- /
- OTS0134
Nationalrat gibt nach intensiver Debatte Zustimmung zu Messenger-Überwachung
FPÖ, Grüne und zwei NEOS-Abgeordnete lehnen Regierungsvorlage ab
Die intensive Debatte über den Vorstoß der Regierung für eine Messenger-Überwachung setzte sich heute im Nationalrat fort. Damit soll die Überwachung verschlüsselter und unverschlüsselter digitaler Kommunikation zur Abwehr besonders schwerwiegender verfassungsgefährdender Angriffe ermöglicht werden. Weiterhin ablehnend zu dem Vorschlag äußerten sich die Mandatar:innen der FPÖ und Grünen. Sie warnten vor den Missbrauchsmöglichkeiten durch die erweiterten Überwachungsmöglichkeiten. Ebenso äußerten sie Bedenken zu den Anbietern der Überwachungssoftware. Die Grünen kündigten an, eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof prüfen zu wollen. Die Mandatar:innen von ÖVP, SPÖ und NEOS verteidigten den Vorschlag. Sie hoben die Notwendigkeit hervor, Extremismus und Terrorismus in den digitalen Kommunikationskanälen begegnen zu können. Innenminister Gerhard Karner und Staatssekretär Jörg Leichtfried betonten ebenfalls den Bedarf für eine zeitgemäße Ermittlungsmöglichkeit. Diese erfülle hohe internationale Standards und sei in einem sehr engen rechtlichen Korsett verankert.
Schließlich wurde die Regierungsvorlage nach über zweistündiger Diskussion mit der Stimmenmehrheit von ÖVP, SPÖ und Teilen der NEOS beschlossen. Die beiden NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper und Nikolaus Scherak stimmten wie die Abgeordneten der FPÖ und Grünen nicht zu.
Innenminister Karner: Gefährderüberwachung zeitgemäße Möglichkeit im Kampf gegen Terrorismus
Es sei ein besonderer Tag für die Sicherheit in Österreich, sagte Innenminister Gerhard Karner. Die Gefährderüberwachung sei notwendig für die polizeiliche Arbeit, um "auf Augenhöhe" gegen Terroristen kämpfen und Anschläge verhindern zu können. Die Art der Kommunikation habe sich verändert und darauf müsse reagiert werden. Daher brauche es ein modernes und zeitgemäßes Instrument für Polizei und Verfassungsschutz. Handys und Smartphones der Bevölkerung seien dabei "völlig wurscht", zitierte der Minister die Worte eines Ermittlers. Es gelte, für die Sicherheit der Bevölkerung Verantwortung zu übernehmen, betonte er. Dazu soll die Polizei und der Staatsschutz jene Handwerkszeuge erhalten, die sie benötigen. Es werde eine zeitgemäße Möglichkeit nach hohen internationalen Standards und in einem sehr engen rechtlichen Korsett geschaffen.
Staatssekretär Leichtfried: Radikalisierung im Internet ist größte sicherheitspolitische Herausforderung
Neue Generationen würden in einer Zeit der Unsicherheit mit hybriden Bedrohungen, Spionage, Desinformation, Extremismus, Terrorismus und Kriegen aufwachsen, erklärte Staatssekretär Jörg Leichtfried. Die Demokratie und das Zusammenleben seien bedroht und die Politik müsse daher den Mut haben, über Sicherheitspolitik zu reden. So sei die größte sicherheitspolitische Herausforderung die zunehmende Radikalisierung im Internet. Mit der Gefährderüberwachung erhalte der Staatsschutz ein zeitgemäßes Instrument, das Gewalt verhindern soll, bevor sie passiert. Dabei werde ein "massiver" Rechts- und Missbrauchsschutz verankert. Er lehne jegliche verdachtsunabhängige Massenüberwachung ab. Die nunmehrige Gefährderüberwachung sei jedenfalls das genaue Gegenteil davon und diene der gezielten Abwehr terroristischer Anschläge.
FPÖ: Überschießender und verfassungswidriger Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte
Einen überschießenden und verfassungswidrigen Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte sah Gernot Darmann (FPÖ) in der Regierungsvorlage. Mit einer "Bürgerbespitzelungssoftware" solle gegen verfassungsgefährdende Angriffe auf den Staat vorgegangen werden. Bereits im Begutachtungsverfahren sei der Entwurf "massiv kritisiert" und in der "Luft zerrissen" worden. Die Software könne auf das gesamte Gerät und nicht wie im Gesetz vorgesehen nur auf die Messengerprogramme zugreifen. Zudem habe es in anderen Ländern, die solche Programme nutzen, Fälle von Datenmissbrauch gegeben.
Zu der Kritik der anderen Fraktionen, warum die Freiheitlichen seit der Einführung des Bundestrojaners ihre Meinung zu diesem Thema geändert haben, erklärte Michael Schilchegger (FPÖ), dass in der Zwischenzeit "einiges geschehen" sei. So sei in diese Entscheidung der Entscheid des Verfassungsgerichtshofes und die Erfahrungen zu Datenmissbrauch in anderen Ländern eingeflossen. Zudem habe man während der Corona-Pandemie gesehen, wohin die "Überwachungsphantasien" der ÖVP führen können, kritisierte er. Islamistische Gefährder müssen in Straf- und Abschiebehaft, forderte er.
Auch Markus Leinfellner (FPÖ), Alois Kainz (FPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) kritisierten "Überwachungsphantasien" der ÖVP und sprachen sich für ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam aus. Hafenecker nannte die "ungezügelte Migration" als Ursache des Problems, mit der man die "Gefahr ins Land gelassen" habe. Es brauche daher keine "Turbo- sondern eine Turbanüberwachung", so Hafenecker.
Die Messenger-Überwachung sei eigentlich eine "Totalüberwachung", kritisierte Susanne Fürst (FPÖ). Dazu würden Sicherheitslücken genützt, die offen gehalten würden und so auch von Kriminellen, Hackern und Spionen genützt werden könnten. Radikalisierung auf offenen Kanälen sollte überwacht werden, forderte sie.
ÖVP: Terroristen und potenziellen Gefährdern entschieden entgegen treten
Österreich sei eines der sichersten Länder der Welt, dies soll so bleiben und diese Sicherheit müsse täglich erarbeitet werden, betonte Ernst Gödl (ÖVP). Es gelte im Zeitalter modernster Kommunikationstechnologien, Terroristen und potenziellen Gefährdern entschieden entgegen zu treten. Mit dem heutigen Beschluss werde dazu ein "Meilenstein" in der Sicherheitspolitik gesetzt. Damit soll jenen das "Handwerk" gelegt werden, die "unser Lebensmodell" ablehnen und die Demokratie und Freiheit gefährden wollen. Kritik äußerte Gödl in Richtung der Freiheitlichen, da diese in der Vergangenheit auch eine solche Erweiterung der Ermittlungsmethoden gefordert hätten.
Dem schloss sich auch Wolfgang Gerstl (ÖVP) an und ortete bei der FPÖ "Panikmache". Des Gesetz sei jedenfalls verhältnismäßig und verfassungskonform, betonte er. Es werde die Masse, aber nicht die Kriminalität Einzelner geschützt, zitierte er eine einstige Aussage von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.
Auch Margreth Falkner (ÖVP) und Manfred Hofinger (ÖVP) betonten, dass es keine "Massenüberwachung" und kein willkürliches Abhören geben werde, da strenge gesetzliche Auflagen für eine Messenger-Überwachung vorgesehen seien. Der Rechtsstaat dürfe nicht blind und taub sein und sich nicht selbst entmachten, sagte Falkner.
SPÖ: Gesetz mit Schutzmechanismen
Die SPÖ sei in der Vergangenheit Vorschlägen für eine Überwachungssoftware durchaus kritisch gegenüber gestanden, erklärte Maximilian Köllner (SPÖ). Diese seien zu weit gegangen, ein zu großer Eingriff gewesen und hätten zu wenig Kontrolle geboten. Mit der nunmehrigen Vorlage gebe es aber ein Gesetz mit entsprechenden Schutzmechanismen. So sei die Überwachung nur bei konkretem Verdacht und richterlicher Kontrolle möglich. Zudem seien "extrem strenge" Regeln für den Einsatz und Vorkehrungen gegen den Missbrauch vorgesehen. Sie könne als "Ultima Ratio" auch nur erfolgen, wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft seien. In Richtung der Freiheitlichen kritisierte Köllner deren "Zick-Zack-Kurs" zwischen Zustimmung und Ablehnung. Bei den Grünen vermisste er Lösungsvorschläge.
Höchstmögliche Sicherheit vor Terror und ein höchstmöglicher Datenschutz sollen mit dem Gesetz ermöglicht werden, meinte Melanie Erasim (SPÖ). Es sei wichtig, dass die Republik nicht ausschließlich auf Quellen von ausländischen Diensten angewiesen ist oder gar ihre Souveränität verliert.
Philip Kucher (SPÖ) warf den Oppositionsparteien vor, gegen die Messenger-Überwachung zu sein, jedoch keine eigenen Lösungsvorschläge zu bringen. Während die FPÖ in Verschwörungstheorien kippen würde, würden die Grünen den Kopf in den Sand stecken, meinte Kucher.
NEOS: Größtmöglicher Rechtsschutz, engste Anwendungsgrenzen und härteste Sanktionen gegen Missbrauch wichtig
In einer perfekten liberalen, freien und offenen Gesellschaft wäre die Diskussion über ein solches Gesetz nicht notwendig, sagte Yannick Shetty (NEOS). In einer solchen perfekten Welt würde es aber auch keine islamistischen Terroristen geben. Die Realität sei, dass der Staat rechtsstaatlich klar begrenzt und demokratisch kontrolliert auf Gefahren präventiv reagieren müsse. Terroristen würden nicht mit Fax oder Festnetztelefon kommunizieren. Der Staat müsse daher auch im 21. Jahrhundert wehrhaft gegen diese sein. Instrumente dazu müssten am strengsten, engmaschigsten und am besten kontrolliert sein, betonte er. In der Diskussion seien für die NEOS ein "größtmöglicher" Rechtsschutz, "engste" Anwendungsgrenzen und "härteste" Sanktionen gegen Missbrauch nicht verhandelbar gewesen. Eine Massenüberwachung sei durch das Gesetz jedenfalls ausgeschlossen, es dürfe keine Neuauflage des "Kickl-Trojaners" werden. Der Verfassungsgerichtshof habe nun ausreichend Zeit, das Gesetz auf seine Verfassungskonformität zu prüfen.
Die Debatte über ein solches Gesetz sei für Liberale durchaus schwierig, räumte Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) ein. Bei der Erstellung des Gesetzes sei alles daran gesetzt worden, dass es verfassungskonform und "sehr klar" mit möglichst viel Rechtsschutzmöglichkeiten geregelt wird. Zudem sei die Begutachtung sehr ernst genommen worden und vieles daraus in das nunmehrige Gesetz eingeflossen.
Grüne: Gesetz technisch nicht realisierbar und rechtlich nicht haltbar ohne ernstzunehmenden Rechts- und Missbrauchsschutz
SPÖ und NEOS seien in ihren Positionen "umgefallen" und würden der ÖVP nun ihre "Überwachungsphantasien" ermöglichen, kritisierte Süleyman Zorba (Grüne). Das Gesetz sei technisch nicht realisierbar sowie rechtlich nicht haltbar und biete zudem keinen ernstzunehmenden Rechts- und Missbrauchsschutz, fasste er seine Kritik zusammen. Die Grünen würden daher eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof prüfen, kündigte er an. Für einen wirksamen Schutz vor Terrorismus brauche es ein Gesetz, das nicht gegen die Verfassung verstößt und keine Missbrauchsgefahr biete. In allen Ländern, wo staatliche Spionagesoftware zum Einsatz kam, hätte es in der Vergangenheit Missbrauchsfälle, wie gegen die Zivilgesellschaft und Journalist:innen, gegeben.
Der Geheimdienst brauche statt der Gefährderüberwachung vielmehr zusätzliches Personal sowie eine bessere Ausstattung und Ressourcen, forderte Alma Zadić (Grüne). Der Bundestrojaner gefährde "uns alle" durch das Offenlassen von Sicherheitslücken. Dadurch könnten potentiell alle Menschen überwacht werden.
Es gebe keine Software, die die gesetzlichen Anforderungen erfüllen würde, kritisierte Agnes Sirkka Prammer (Grüne). "Dubiose" Softwareanbieter würden für hohe Beträge Sicherheitslücken von Hackern kaufen und sie seien es, die als Erste vor der Polizei die Daten der Überwachten erhalten würden.
Die Inhalte des Gesetzes zur Messenger-Überwachung
Der umfangreiche Gesetzesentwurf zur Messenger-Überwachung sieht vor, dass die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) künftig verschlüsselte und unverschlüsselte digitale Kommunikation überwachen können soll. Zur Abwehr besonders schwerwiegender verfassungsgefährdender Angriffe, also etwa von Terroranschlägen, soll es demnach künftig möglich sein, Nachrichten über Messenger-Dienste mitzulesen, wobei die Überwachung nur als "Ultima Ratio" erfolgen und strengen rechtlichen und technischen Kontrollvorgaben unterliegen soll. So sollen insbesondere ein unabhängiger Rechtsschutzbeauftragter bzw. eine unabhängige Rechtsschutzbeauftragte und das Bundesverwaltungsgericht zentrale Prüf- und Genehmigungsaufgaben erhalten.
Begründet wird die Messenger- bzw. Gefährderüberwachung damit, dass Kommunikation heutzutage zunehmend über Dienste wie WhatsApp oder Signal erfolge. Entsprechende Überwachungen sollen aber nur dann erlaubt sein, wenn für das betreffende Delikt eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren droht oder es um Spionage geht. Zudem hat sich die Überwachung auf Messengerdienste zu beschränken. Eine Online-Durchsuchung des gesamten betroffenen Computersystems inklusive lokal gespeicherter Daten wird nicht zulässig sein. Allerdings wird bei verschlüsselten Datenströmen Spy-Software auf betroffenen Geräten wie Computer oder Smartphones installiert werden müssen. Neben engmaschigen Kontrollmechanismen sollen auch zeitliche Beschränkungen und die nachträgliche Information der betroffenen Personen für Rechtsschutz sorgen. Möglich sein soll der Einsatz von Spionage-Software erst dann, wenn per Verordnung festgestellt wurde, dass alle technischen Vorgaben für den Einsatz erfüllt sind.
Neuerungen bringt das Gesetzespaket darüber hinaus in Bezug auf die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes, die Flexibilisierung der Aufgabenzuteilung innerhalb der DSN und bei den Berichtspflichten an das Parlament. Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, polizeiliches Einschreiten zur Sicherung nachrichtendienstlicher Aufgaben aufzuschieben.
Anträge der FPÖ und Grünen bleiben in Minderheit
FPÖ und Grünen thematisierten ihre Kritik auch in Anträgen. Ihre Forderungen fanden allerdings keine Mehrheit. So forderten die Freiheitlichen die Stärkung des Staatsschutzes im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Die Grünen wiederum sagten "Nein zu Bundestrojaner und Messenger-Überwachung", forderten ein "Bekenntnis zur echten Terrorbekämpfung statt einer Lizenz zur Massenüberwachung" sowie "Keine Umkehr der BVT-Reform". (Fortsetzung Nationalrat) pst/bea
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar
Rückfragen & Kontakt
Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
www.parlament.gv.at/Parlamentskorrespondenz
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA