• 26.06.2025, 14:24:03
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Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern: Verfassungsausschuss billigt Novelle zum Parteiengesetz

Beratungen über Ministeranklage gegen Ex-Finanzminister Brunner und weitere Oppositionsanträge vertagt

Wien (PK) - 

Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute die umstrittenen neuen Regeln für die Mitwirkung von Kabinetts- bzw. Büromitarbeiter:innen an Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern gebilligt. Damit könnten die Parteien hohen Geldstrafen entgehen, die der Unabhängige Parteien-Transparenzsenat (UPTS) gegen ÖVP, NEOS und Grüne wegen unzulässiger Parteispenden verhängt hat. Die drei Parteien haben gegen die Strafen berufen, gleichzeitig soll nun das Parteiengesetz rückwirkend repariert werden. Kritik an der Vorgangsweise kommt von der FPÖ. Sie stößt sich vor allem an der rückwirkenden Geltung der neuen Bestimmungen und sieht Regierungsparteien gegenüber Oppositionsparteien bevorzugt.

Keine Mehrheit fand ein von der FPÖ eingebrachter Antrag, den Gesetzentwurf einer kurzen Begutachtung - bis zum 8. Juli - zu unterziehen. Dass die Judikatur des UPTS in manchen Teilen problematisch und praxisfremd sei, sei auch der FPÖ klar, meinte Abgeordneter Michael Schilchegger. In diesem Sinn wäre es sinnvoll, Meinungen von Expert:innen einzuholen. Dem hielt ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl entgegen, dass der Gesetzentwurf auf der Parlaments-Website veröffentlicht und damit ohnehin die Abgabe von Stellungnahmen möglich sei.

Im Ausschuss zur Diskussion standen darüber hinaus mehrere Oppositionsanliegen, wobei die Beratungen durchwegs mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurden. Dabei ging es etwa um den Bestellmodus für die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und die Ableistung gemeinnütziger Arbeit von Personen, die Verwaltungsstrafen nicht begleichen. Auch die Forderung der FPÖ, Ex-Finanzminister Magnus Brunner wegen beschönigter Budgetzahlen beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen, landete auf der Wartebank.

Neue Regeln für Social-Media-Accounts

Der UPTS hatte sich in seinen Urteilen der Einschätzung des Rechnungshofs angeschlossen, wonach die Mitarbeit von Ministerbüros an Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern als Parteispende des Bundes zu werten ist, wenn der Account nicht dem Ministerium gehört, sondern von der Partei betrieben wird. Nun soll die Mitarbeit - auch auf Ebene der Länder - unter bestimmten Bedingungen gesetzlich erlaubt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Beiträge, die Kabinetts- bzw. Büromitarbeiter:innen gestalten, eindeutig von parteipolitischen Inhalten dieser Accounts abgrenzen, explizit gekennzeichnet werden und im jeweiligen Impressum darauf hingewiesen wird. Das gleiche soll sinngemäß auch für den Fall gelten, dass Klubmitarbeiter:innen oder parlamentarische Mitarbeiter:innen im Namen von Klubobleuten oder Abgeordneten Inhalte posten. Auch in diesen Fällen soll es sich dezidiert nicht mehr um eine (unzulässige) Parteispende handeln. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen mit 1. Juli 2025 und in weiten Teilen auch rückwirkend gelten.

Zum anderen wollen die vier Parteien mit der Gesetzesnovelle (353/A) klarstellen, dass europäische Partnerorganisationen von Parteien und internationale Vereinigungen, denen die Parteien oder eine ihrer Teilorganisationen angehören, nicht als "nahestehende Organisationen" gemäß Parteiengesetz zu verstehen sind. Auch die Fraktionen des Europäischen Parlaments sollen demnach explizit nicht unter das Regime des Parteiengesetzes bzw. die Spendenregelungen fallen. Deren Tätigkeit sei nicht auf Österreich ausgerichtet, wird diese Klarstellung begründet. Bei der Abstimmung mitberücksichtigt wurde auch ein Abänderungsantrag, mit dem allerdings nur redaktionelle Versehen beseitigt werden.

"Graubereiche schließen"

Bei der Gesetzesnovelle gehe es darum, "rechtliche Graubereiche zu schließen", sagte Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) in der Debatte. Anders als medial dargestellt, seien davon nicht nur Regierungsmitglieder, sondern auch Abgeordnete - und somit auch Oppositionspolitiker:innen - betroffen. So würden vermutlich viele parlamentarische Mitarbeiter:innen Social-Media-Accounts von Abgeordneten betreuen, auf denen auch parteipolitische Inhalte gepostet werden. Eine hundertprozentige Trennung zwischen Regierungs- und Parteiarbeit hält Hoyos-Trauttmansdorff ohnehin für illusorisch: Bei einer strengen Auslegung der Argumentation des UPTS könnte man auch jedes Zeitungsinterview eines Regierungsmitglieds als illegale Parteispende werten.

Ähnlich argumentierten Klaus Seltenheim (SPÖ) und Alma Zadić (Grüne). Sowohl der Rechnungshof als auch der UPTS hätten festgehalten, dass es sich um einen rechtlichen Graubereich handle und der Gesetzgeber "dringend Regelungen zu schaffen" habe, erklärte Zadić. Sie hält es für den wesentlichen Punkt, dass künftig auf Social-Media-Accounts klar zwischen Regierungsinhalten und parteipolitischen Inhalten getrennt werden muss. Auch SPÖ-Abgeordneter Seltenheim hob diese klare Trennung hervor.

Das Argument der FPÖ, dass mit den neuen Bestimmungen der Gleichheitsgrundsatz verletzt werde, weil diese Regierungsmitglieder bevorzugen, ließ Wolfgang Gerstl (ÖVP) nicht gelten. Es gebe im Bund und in den Ländern unterschiedliche Parteien in Regierungsfunktionen, gab er zu bedenken. Auch die FPÖ habe solche inne. Zudem gehe es nicht nur um Kommunikationsarbeit der Regierungsmitglieder, sondern auch jene der Abgeordneten.

Grüne sehen unterschiedliche Expertenmeinungen

Dass der Antrag der FPÖ auf eine kurze Begutachtung des Gesetzentwurfs im Ausschuss keine Mehrheit erhielt, bedauerte Zadić. Es gebe viele Stimmen, die nicht die Meinung des UPTS und des Experten Peter Bußjäger teilten, sagte sie. So ortet sie etwa unterschiedliche Meinungen, was getrennte Accounts von Politiker:innen betrifft. Auch wäre es ihrer Ansicht nach "sachfremd", das Posten von Regierungsinhalten einer Partei zu übertragen.

FPÖ spricht von "rechtsstaatlichem Skandal"

Scharfe Kritik am Gesetzentwurf übte die FPÖ. So sprach etwa Abgeordneter Michael Schilchegger von einem "rechtsstaatlichen Skandal". Zwar hält er es für zulässig, die Rechtsprechung des UPTS zu kritisieren und zu korrigieren, zumal er dessen Judikatur selbst als "problematisch und in manchen Teilen praxisfremd" erachtet. Seiner Meinung nach geht es aber nicht an, bereits verhängte Strafen in Höhe von zehntausenden Euro durch geänderte gesetzliche Bestimmungen abzuwenden. Man könne sich nach einem Rechtsbruch nicht einfach "straffrei stellen", sekundierte sein Parteikollege Gernot Darmann. "Dreiste Anlassgesetzgebung" ortet FPÖ-Abgeordneter Markus Tschank.

Darüber hinaus sieht die FPÖ die Regierungsparteien gegenüber den Oppositionsparteien bevorzugt. Regierungsmitglieder hätten einen Startvorteil, weil sie sich laut Gesetzentwurf ihrer Kabinetts- und Büromitarbeiter:innen bedienen und damit auf Ressourcen zugreifen könnten, die der Opposition verschlossen seien, sagte Tschank. Das sei aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch und widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Grundsätzlich etwas abgewinnen können die Freiheitlichen Tschank zufolge hingegen jenem Punkt des Antrags, der internationale Parteiorganisationen betrifft.

Was den von ÖVP, SPÖ und NEOS abgelehnten Antrag auf Ausschussbegutachtung bis zum 8. Juli betrifft, wies Abgeordneter Darmann darauf hin, dass die FPÖ ursprünglich vorgeschlagen habe, Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker und den Experten Peter Bußjäger als Expert:innen in den Verfassungsausschuss einzuladen. Das ist Darmann zufolge aber abgelehnt worden.

Den Vorwurf der rückwirkenden Aufhebung von Strafen ließ NEOS-Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff nicht gelten: Er wies darauf hin, dass darüber noch nicht rechtskräftig entschieden sei.

Keine Ministeranklage gegen Ex-Finanzminister Magnus Brunner

Vom Verfassungsausschuss vertagt wurde ein Antrag der FPÖ (271/A), der darauf abzielt, den ehemaligen Finanzminister und nunmehrigen EU-Kommissar Magnus Brunner beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Die FPÖ wirft Brunner vor, die Budgetzahlen über Monate hinweg absichtlich beschönigt und damit die prekäre Budgetlage vor den Nationalratswahlen verschleiert zu haben.

Der Finanzminister sei aufgrund der Verfassung dazu verpflichtet, die Budgettransparenz und -wahrheit einzuhalten, argumentierte Michael Schilchegger (FPÖ). Im Herbst vergangenen Jahres sei bereits eine massive Verschlechterung der Prognosen erkennbar gewesen. Dennoch seien die Zahlen vom früheren Minister schöngeredet worden. Damit habe er seine Amtspflichten verletzt, zeigte sich Schilchegger überzeugt. Wolfgang Gerstl (ÖVP) hielt dem entgegen, dass sich Brunner auf Expert:innen bezogen, danach das Budget erstellt und das Parlament über die Zahlen informiert habe. Aus dem Antrag gehe auch kein einziger Hinweis hervor, welche Zahl er falsch verwendet hätte. Wenn sich nachträglich Daten geändert hätten, sei gegen kein Gesetz verstoßen worden.

Dass der Antrag schließlich vertagt und nicht abgelehnt wurde, wertete Harald Stefan (FPÖ) als "offenbar keine eindeutige Meinung der Bundesregierung".

"Schwitzen statt Sitzen" auch im Verwaltungsstrafrecht

Von Seiten der Grünen lag dem Verfassungsausschuss unter anderem ein Entschließungsantrag (344/A(E)) vor, in dem sich Abgeordnete Alma Zadić dafür ausspricht, auch im Bereich des Verwaltungsstrafrechts gemeinnützige Arbeit statt des Absitzens einer Ersatzfreiheitsstrafe zu ermöglichen. Wer seine Geldstrafe nicht zahlen kann, soll demnach - wie es ihr zufolge bereits bei strafrechtlichen und finanzstrafrechtlichen Verurteilungen erfolgreich möglich ist - eine Ersatzfreiheitsstrafe gegen gemeinnützige Arbeit eintauschen können. Kurze Gefängnisstrafen seien immer schlecht, zumal den Betroffenen Jobverlust drohe, argumentiert Zadić.

Sabine Schatz (SPÖ) wies ebenso wie Zadić darauf hin, dass 2017 bereits ein solcher Vorschlag in der Zeit des damaligen Bundeskanzlers Christian Kern eingebracht worden sei. Dann seien aber Neuwahlen gewesen. Ähnlich wie Norbert Sieber (ÖVP) kann Schatz dem Vorschlag daher Positives abgewinnen. So habe man sich im derzeitigen Regierungsprogramm vorgenommen, eine dahingehende Reform zu überprüfen. Dem müsse man noch etwas Zeit geben.

Grüne fordern neuen Bestellmodus für VwGH-Spitze und VfGH-Richter:innen

Die Grünen haben überdies die Bestellung von Albert Posch zum neuen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zum Anlass genommen, um eine Änderung des Bestellmodus für den Präsidenten und den Vizepräsidenten des VwGH - bzw. die Präsidentin und die Vizepräsidentin - zu fordern (343/A(E)). Abgeordneter Zadić ist es insbesondere ein Dorn im Auge, dass die VwGH-Richter:innen nicht in den Bestellvorgang eingebunden sind. Geht es nach ihr, soll die Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofs künftig nach Anhörung der Bewerber:innen einen gereihten Dreiervorschlag erstatten. Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Besetzungsvorschlag nicht zu folgen, hätte sie die wesentlichen Erwägungen dafür schriftlich und öffentlich zu begründen. Damit würde man nach Meinung von Zadić die Unabhängigkeit des Verwaltungsgerichtshofs unterstreichen. Zudem stehe das derzeitige Bestellverfahren nicht im Einklang mit europäischen Standards und schade der Institution und den hochqualifizierten Kandidat:innen, argumentierte Zadić im Ausschuss.

Nikolaus Scherak (NEOS) wies auf die bestehende Regelung in der Bundesverfassung hin. Im Vorfeld werde zumindest festgelegt, wer welches Nominierungsrecht habe. Zudem finde er, dass man VwGH und VfGH diesbezüglich gleich behandeln sollte, wie es jetzt zumindest in Teilen auch gemacht würde.

Gemeinsam mit dem Antrag wurde auch eine schon etwas ältere Initiative der Grünen zum Bestellmodus von Verfassungsrichter:innen (96/A(E)) von der Dreierkoalition in Warteposition geschickt. Geht es nach Zadić, sollen künftig alle Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) inklusive Präsident:in und Vizepräsident:in mit Zweidrittelmehrheit vom Parlament gewählt werden. Gleichzeitig will Zadić ein verpflichtendes Hearing vor der Wahl festschreiben. Die Einbindung des Parlaments gewährleiste, dass die Regierung in den Dialog mit der Opposition treten müsse, hält Zadić in der Begründung des Antrags fest.

Zadić wies auch zu diesem Antrag auf europäische Standards hin, denen das derzeitige Nominierungsrecht durch die Bundesregierung nicht entspreche. Für das Nominierungsrecht für das Parlament würde auch sprechen, dass man die Macht der Exekutive damit hintanhalten würde, zumal der VfGH letztlich auch entscheide, ob Gesetze verfassungskonform sind.

Verfassungsrichter:innen würden von unterschiedlichen Stellen bestellt, sagte Scherak. Er halte diese bestehende Ausgewogenheit soweit für sinnvoll. Eine erforderliche Zweidrittelmehrheit könnte unter Umständen zu einem Patt führen, das sollte man zumindest bedenken. Klaus Seltenheim (SPÖ) zufolge habe man sich in der Koalition auf einen "transparenten Weg" bei Besetzungsprozessen geeinigt. Zudem wolle man laut Regierungsprogramm einen Verfassungskonvent einrichten, daher sprach er sich für die Vertagung des Antrags aus.

Für Markus Tschank (FPÖ) ist bei beiden Anträgen nicht ersichtlich, warum es Änderungen des Bestellvorgangs brauche. Die Qualität der Bestellvorgänge sei bisher eine ausgesprochen hohe. Wenn man über Änderungen diskutiere, würde er die Bestellung der Verfassungsrichter:innen nicht auf das Parlament beschränken, sondern eher um andere Institutionen erweitern. Eine Pluralität, die die gesamte Breite der Politik abbildet, wäre aus seiner Sicht mit den vorliegenden beiden Anträgen nicht gegeben.

FPÖ will Pflicht zur Eichung von Schulwaagen streichen

Schließlich vertagte der Verfassungsausschuss auch die Beratungen über einen Antrag der FPÖ (335/A(E)) zur Eichpflicht von Schulwaagen. Würde man diese Verpflichtung abschaffen, würden sich die Schulen nicht nur regelmäßige Wartungen, sondern auch Anschaffungskosten sparen, sieht die FPÖ hier ein großes Einsparungspotential. Schulärzt:innen könnten auch ohne das prozentgenaue Gewicht einschätzen, ob bei einem Kind gesundheitliche Bedenken bestünden, meinte Michael Schilchegger (FPÖ). Aus seiner Sicht wäre das eine einfache Verwaltungsreform.

Demgegenüber meinte Wolfgang Kocevar (SPÖ), sein Wissensstand sei, dass Schulärzt:innen ihre Waagen in die Schulen mitbringen würden. Wenn es aber tatsächlich ein Thema sein sollte, würde er sich der Diskussion nicht verschließen. Ähnlich wie Nikolaus Scherak (NEOS) sprach er sich dafür aus, das mit dem für diese Materie tatsächlich zuständigen Ausschuss abzuklären. Die Überlegungen gingen in der Debatte in Richtung Wirtschaftsausschuss, zumal das Thema das Maß- und Eichgesetz betreffe. Ein Antrag der FPÖ auf Zuweisung an den Wirtschaftsausschuss blieb allerdings in der Minderheit, um die Zuständigkeit konkret zu klären. (Schluss Verfassungsausschuss) gs/mbu


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