Buchpräsentation im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Parlament und Demokratie"
Wien (PK) -Frauen, die im Bereich des Politischen aktiv waren, wurden auch von der Geschichtswissenschaft lange Zeit als eine Besonderheit und Ausnahme behandelt oder übersehen. Einen anderen Zugang zum politisch-gesellschaftlichen Engagement von Frauen mit dem Instrumentarium der Frauen- und Geschlechterforschung, versucht der Themenband "Frauen als politisch Handelnde. Beiträge zur Agency in der Habsburgermonarchie, 1780-1918". Der Band wurde am Mittwochnachmittag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Parlament und Demokratie - gestern und heute" präsentiert, in der das Parlamentsarchiv und die Parlamentsbibliothek neue Forschungsergebnisse vorstellen. Eingeladen hatten Parlamentsdirektor Harald Dossi, die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie der transcript Verlag. Die Moderation übernahm Katrin Keller vom Parlamentsarchiv.
Sichtbarmachung von politisch handelnden Frauen der Monarchie
Parlamentsdirektor Harald Dossi sagte in seinen Eröffnungsworten, er freue sich über das rege Interesse an der Präsentation. Das Parlament sei ein würdiger Rahmen für die Vorstellung eines Buches, das einen breiten Begriff des "Politischen" an gesellschaftlichen Fragen anwende. Auch die Demokratiewerkstatt des Parlaments gehe in ihrer Vermittlungsarbeit für Kinder und Jugendliche von einem Politikbegriff aus, der alle Bereiche einbeziehe, in denen unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen und ausverhandelt werden müssen.
Katrin Keller, Direktorin des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), gratulierte zu dem Band, der sich einer wichtigen Frage widme, nämlich, was als "geschichtsmächtig" und damit als bewahrenswert gelte. Diese Entscheidung sei immer auch eine politische Frage. Die Autor:innen des Bandes hätten sich in ihren Beiträgen zum einen die Sichtbarmachung von Frauen zum Ziel gesetzt. Zentral sei aber auch der Begriff der "Agency", also der Handlungsräume und -möglichkeiten von Frauen in einer Zeit, in der sie strukturell von der Teilnahme an der Politik ausgeschlossen waren.
Die beiden Herausgeberinnen des Bandes, Barbara Haider-Wilson und Waltraud Schütz, sind am Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der ÖAW tätig. Sie umrissen in einer kurzen Einführung das Anliegen der zwölf Beiträge des Bandes, nämlich die große Bandbreite politischen Handelns von Frauen in der späten Habsburgermonarchie sichtbar zu machen. Der Sammelband wolle keine "Heldinnen" vorstellen, meinte Haider-Wilson. Vielmehr gehe es um Politik als Kommunikations- und Handlungsraum, der überall dort entstehe, wo es Machtverhältnisse gebe. Schütz wies darauf hin, dass die Quellenlage oft deshalb schwierig sei, weil in der binären Geschlechterordnung des 19. Jahrhunderts die Aufzeichnungen von Frauen grundsätzlich dem Bereich des "Privaten" zugeordnet und daher nur selten aufbewahrt wurden.
Frauen und Politik: Eine Geschichte der "Ausverhandlungen"
Die Key-Note zur Veranstaltung unter dem Titel "'Sie meinen es politisch!' Zu den Geschlechterverhältnissen in der bürgerlichen Moderne", hielt Gabriella Hauch, emeritierte Universitätsprofessorin für Neuere Geschichte und Frauen- und Geschlechtergeschichte an der Universität Wien. Sie führte aus, dass die "bürgerliche Geschlechterordnung" des 19. Jahrhunderts auf einem binären Geschlechterbegriff beruhte, der sich mit der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft aus den Prinzipien der Aufklärung etablierte.
Schon die Französische Revolution habe die Frauen rasch von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Die darauffolgende Restauration habe diese Ordnung in Gesetzen verfestigt. Das habe sich insbesondere im Familienrecht ausgewirkt, das noch bis ins 20. Jahrhundert weitgehend gültig war. Politische Teilhabe sei in der bürgerlichen Gesellschaft von einem Adelsprivileg zu einen Privileg der Männer geworden. Die Tatsache, dass "männlich" und "weiblich" in der bürgerlichen Gesellschaft als "Ordnungskategorien ersten Ranges" behandelt worden seien, habe weitreichende Konsequenzen gehabt, merkte Hauch an. Geschlechterdifferenz sei dazu verwendet worden, starre Geschlechterrollen mit klaren Hierarchisierungen festzuschreiben.
Mit dem Revolutionsjahr 1848 hätten auch wieder Frauen die politische Bühne betreten. In weiterer Folge seien sie jedoch von der Mitgliedschaft in politischen Vereinen ausgeschlossen worden. Die einmal erhobene Forderung nach einer Emanzipation der Frauen sei damit aber nicht mehr verschwunden. Die bürgerlich-liberale Frauenbewegung habe sich Bildung auf die Fahnen geschrieben, um die Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben zu erreichen. Bezeichnend dafür sei, dass die Verfechterinnen der Frauenbildung politische Argumente vermieden und vor allem die "Zweckmäßigkeit" des Frauenstudiums als zentrales Argument benützt hätten, während ihre Gegner vor allem biologistische Argumente ins Treffen führten. Wie das Zitat "Sie meinen es politisch!" von Karl Kraus zeige, seien die weitreichenden Konsequenzen der Forderung nach Frauenbildung sehr gut verstanden worden.
Hauch war es wichtig, zu betonen, dass Frauen- und Geschlechterforschung keine Opfergeschichte schreiben wolle, sondern eine Geschichte von Ausverhandlungen und der Akteurinnen, die diese getragen haben. "Diese Ausverhandlungen gehen heute noch weiter", sagte Hauch. (Schluss) sox
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.
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