• 22.05.2025, 19:03:32
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Volksanwaltschaft im Nationalrat: Debatte über Folgen des Personalmangels für Verwaltung und Menschenrechte

Abgeordnete setzen einstimmig Zeichen für Beendigung der humanitären Krise in Gaza; FPÖ thematisiert WHO-Pandemievertrag

Wien (PK) - 

Der Nationalrat hat sich heute mit dem aktuellen Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2024 befasst. Dieser macht deutlich, dass anhaltender Personalmangel, lange Verfahrensdauer und unzureichende behördliche Kommunikation nicht nur die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigen, sondern auch die Wahrung grundlegender Rechte. Im Plenum gingen die Volksanwält:innen auf die Schwerpunkte der bei ihnen eingegangenen Beschwerden ein, die laut Bericht vor allem den Asylbereich, den Justizvollzug und die Gesundheitsversorgung betreffen. Sie plädierten unter anderem für eine "Kommunikation auf Augenhöhe" der Behörden mit den Bürger:innen und eine "Entschuldigungskultur", wenn Verwaltungsfehler passieren.

Die Abgeordneten zollten der Arbeit der Volksanwaltschaft parteiübergreifend Anerkennung und gingen auf Missstände, aber auch Verbesserungen in den unterschiedlichsten Bereichen der Verwaltung ein. Zudem brachten sie im Zuge der Debatte mehrere Entschließungsanträge ein. So machten sich die Koalitionsfraktionen im Zusammenhang mit der Menschenrechtskontrolle für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts in Gaza stark. Sie plädieren konkret für einen "sofortigen, vollständigen, ungehinderten und sicheren humanitären Zugang" in den Gazastreifen, um die Versorgung der Zivilbevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern sicherstellen zu können und die dortige humanitäre Krise zu beenden. Gleichzeitig sollen diplomatische Bemühungen für einen dauerhaften Waffenstillstand und das Engagement für eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina bekräftigt werden. Der Entschließungsantrag wurde einhellig angenommen.

In der Minderheit blieb hingegen ein Entschließungsantrag der Grünen mit ähnlicher Stoßrichtung. Mit dem Ziel eines sofortigen Endes der israelischen Bodenoffensive und einer nachhaltigen Friedenslösung in Gaza fordern sie, "auf allen Ebenen den nötigen Druck aufzubauen", um die "sofortige und vollumfängliche humanitäre Hilfe in Gaza" zu erwirken. Zudem sollen Initiativen auf EU-Ebene unterstützt werden, die das Aussetzen des EU-Israel-Assoziierungsabkommens sowie ein temporäres Waffenembargo gegenüber Israel beinhalten. Abgelehnt wurde auch ein weiterer Entschließungsantrag der Grünen, der auf die Ausweitung der Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft abzielt. Demnach sollten auch Unternehmen überprüft werden können, die zwar aus der Bundesverwaltung ausgegliedert wurden, sich aber nach wie vor mehrheitlich im Besitz des Bundes befinden.

Ebenfalls keine Mehrheit fand eine Initiative der FPÖ, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, auf allen nationalen und internationalen politischen Ebenen sämtliche erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ein Inkrafttreten des WHO-Pandemievertrags nachhaltig zu verhindern. Sie begründen dies mit einigen Kritikpunkten am Vertrag, der laut ihnen "die nationale Souveränität, individuelle Grundrechte und demokratische Entscheidungsprozesse" gefährde.

Volksanwaltschaft warnt vor Folgen des Ressourcen- und Personalmangels

Eine zunehmende Belastung der Verwaltung durch anhaltende Krisen und Personalmangel, besonders in den Bereichen Innere Sicherheit, Gesundheit und Justiz prägten laut Bericht das Jahr 2024. Insgesamt gingen rund 24.000 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ein, in etwa 20 % der abgeschlossenen Prüfverfahren wurden Missstände festgestellt. Hauptthemen waren Asyl- und Fremdenrecht, Sozial- und Gesundheitsversorgung sowie Justizvollzug. Die Volksanwaltschaft führte zudem 458 präventive Menschenrechtskontrollen durch, wobei bei etwa zwei Dritteln Mängel festgestellt wurden. Auch hier war der Personalmangel - etwa in Pflegeheimen oder Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe - ein zentraler Risikofaktor.

Im Plenum zeigte sich Volksanwältin Elisabeth Schwetz erfreut über die parteiübergreifende Anerkennung der Arbeit der Volksanwaltschaft und ging auf die Arbeit des Kontrollorgans sowie Fallbeispiele aus der Praxis ein. Durchschnittlich gingen 95 Beschwerden pro Arbeitstag ein, was einerseits am Ressourcenmangel in den verschiedenen Bereichen und den daraus resultierenden Missständen in der Verwaltung liege. Andererseits sei dieses "konstant hohe Niveau" auch auf die Bekanntheit und das hohe Vertrauen in die Volkanwaltschaft zurückzuführen. Wichtig sei auch der niederschwellige Zugang für die Beschwerdeführer:innen, erklärte Schwetz. Als "Schlüssel zu einer guten Verwaltungsarbeit" empfahl sie den Behörden, eine "Kommunikation auf Augenhöhe" mit den Bürger:innen zu pflegen.

Die "Serviceorientierung" stellte auch Volksanwältin Gabriela Schwarz ins Zentrum ihrer Ausführungen. Die Menschen erwarteten sich ein "rasches Agieren in ihrem Sinne". Seitens der Behörden vermisste sie eine "Entschuldigungskultur" gegenüber den Bürger:innen, wenn Verwaltungsfehler passierten. Schwarz ging speziell auf Missstände im Justizvollzug ein, wo der Personalmangel, die Überbelegung der Vollzugsanstalten und die steigende Suizidalität Anlass zu "großer Sorge" gäben. Eine Verbesserung erhofft sie sich durch die Ausweitung der Möglichkeiten für den elektronische überwachten Hausarrest. Schwarz sprach zudem den geringen Anteil an weiblichen Beschwerdeführer:innen von nur 30 % an, was die Volksanwaltschaft versuche, mit der gezielten Ansprache von Frauen zu ändern.

Dringenden Handlungsbedarf gebe es auch im Gesundheits- und Sozialbereich, wie Volksanwalt Bernhard Achitz ausführte. So seien etwa beim Kinderbetreuungsgeld "überdimensional viele" Beschwerden zu verzeichnen. Die Bürger:innen würden diesbezüglich im "komplizierten Paragraphendschungel alleine gelassen" und müssten oft Jahre auf ihr Geld warten. Lange Wartezeiten stellten laut Achitz auch einen Hauptbeschwerdegrund bei der medizinischen Versorgung dar. Insbesondere Betroffene von postviralen Erkrankungen wie Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) sähen sich mit "entwürdigenden Rahmenbedingungen" und einem "Spießrutenlauf" von Gutachter:in zu Gutachter:in konfrontiert. Im Sinne der Betroffenen müsse hier dringend für Entlastung gesorgt werden, so Achitz.

Koalition unterstreicht Bedeutung der Volksanwaltschaft und fordert Ende der humanitären Krise in Gaza

Die rund 24.000 Beschwerden an die Volksanwaltschaft zeigten deutlich, wie groß das Vertrauen der Bevölkerung in das Kontrollorgan sei, sagte Martina Diesner-Wais (ÖVP). Sie verwies auf Verbesserungen etwa in Pflegeheimen, bei der Gewaltprävention oder in den Psychiatrien, die die Volksanwaltschaft durch ihre Empfehlungen bewirken habe können. Als "wichtigen Ansporn" bezeichnete Johann Weber (ÖVP) deren Berichte und Empfehlungen und ging auf die Themenbereiche Landwirtschaft und Tourismus ein, wo er auf bürokratische Hürden etwa im landwirtschaftlichen Ausbildungswesen hinwies. Die Lage der Menschen mit Behinderungen sprach Romana Deckenbacher (ÖVP) an. 58 % von diesen gäben an, keine ausreichende Versorgung zu bekommen, erklärte sie und betonte die Bedeutung barrierefreier Einrichtungen. Agnes Totter (ÖVP) thematisierte Defizite bei Sprachstandserhebungen im Schulsystem.

Als "unverzichtbaren Teil der Demokratie" bezeichnete Bernhard Höfler (SPÖ) die Volksanwaltschaft. Deren Bedeutung zeige sich auch im Energiebereich, wo sie Missstände etwa bei der Auszahlung des Klimabonus aufgezeigt habe, ergänzte Alois Schroll (SPÖ). Sein Fraktionskollege Rudolf Silvan bezog sich auf den von Achitz beschriebenen Umgang mit ME/CFS-Erkrankten und verwies auf den diesbezüglichen Nationalen Aktionsplan, der in Zusammenarbeit mit den Versicherungsträgern und den Bundesländern umgesetzt werden müsse.

Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte sei nicht nur auf nationaler Ebene von Bedeutung, verwies Pia Maria Wieninger (SPÖ) auf die "alarmierende Situation" und die "unerträgliche humanitäre Krise" in Gaza. Das Aushungern der Zivilbevölkerung durch die israelische Blockade von Hilfslieferungen und die hohe Anzahl ziviler Opfer seien "ethisch nicht zu rechtfertigen". Sowohl Wieniniger als auch Muna Duzdar (SPÖ) sprachen sich auch für eine sofortige und bedingungslose Freilassung der israelischen Geiseln und einen dauerhaften Waffenstillstand aus.

"Alarmierend" seien laut Stephanie Krisper (NEOS) die Zustände in den Justizvollzugsanstalten. Es herrschten "unzumutbare Haftbedingungen", mangelhafte psychologische und medizinische Betreuung und der überwiegende Teil der Gefangenen gebe an, in der Haft bereits Opfer von Gewalt gewesen zu sein. Trotz Sparzwang müsse hier gehandelt werden, so Krisper. Selbiges gelte für die Unterbringung von Menschen mit Behinderungen, ergänzte Fiona Fiedler (NEOS). Oftmals würden aufgrund der Ressourcenengpässe junge Menschen in Pflegeheimen für Ältere untergebracht und Kinder zusammen mit Erwachsenen.

Grüne wollen Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft ausdehnen und thematisieren ebenfalls Lage in Gaza

Auf die globale Gültigkeit der Menschenrechte pochte auch Grünen-Abgeordnete Meri Disoski und sprach von der "täglich schlimmer werdenden humanitären Katastrophe in Gaza". Die Vereinten Nationen sprächen bereits von über 50.000 Toten. Der "Terrorangriff" der Hamas sei aufs Schärfste zu verurteilen und deren Geiseln bedingungslos freizulassen. Die Antwort dürfe jedoch nicht die "kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung" sein, so Disoski.

Die Volksanwaltschaft habe "eklatante Mängel" in der Verwaltung aufgezeigt, die oftmals "vulnerable Gruppen" träfen, die diese nicht selbst ansprechen könnten, unterstrich Olga Voglauer (Grüne) den Stellenwert der Volksanwaltschaft. Sie plädierte daher dafür, deren Prüfkompetenzen auf Unternehmen auszuweiten, die zwar aus der Bundesverwaltung ausgegliedert wurden, sich aber nach wie vor mehrheitlich im Besitz des Bundes befinden.

Agnes Sirkka Prammer (Grüne) bemerkte, dass die Anfragen an die Volksanwaltschaft nicht aus allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen häufig kämen. Neben Frauen, die sich weniger an das Kontrollorgan wenden würden, sein insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund von ihrem Angebot quasi "ausgeschlossen", da sie mit dem österreichischen System weniger vertraut seien. Die Verwaltung müsse jedoch für alle Menschen "fair und offen gestaltet" sein, sagte Prammer.

Ralph Schallmeiner (Grüne) sah die Ausführungen der Volksanwaltschaft bezüglich der ME/CFS-Erkrankten als Auftrag an die Politik, deren "systematische Diskriminierung und Schikanierung" zu unterbinden. Diese Krankheit müsse endlich überall anerkannt werden und die Versicherungsträger müssten ihren Umgang mit den Betroffenen ändern.

FPÖ zu den Themen Sicherheit, WHO-Pandemievertrag, Kinder- und Jugendhilfe

Seitens der FPÖ betonte unter anderem Christian Lausch (FPÖ) die Bedeutung der Volksanwaltschaft für die Identifizierung und Bekämpfung von Missständen in der Verwaltung und ging auf mehrere Fallbeispiele ein. Am deutlichsten schlage sich der "eklatante Personalmangel" im Straf- und Maßnahmenvollzug nieder, worunter sowohl die Bediensteten als auch die Insassen litten. Bei allem Sparzwang, gelte es hier laut Lausch die Sicherheit wiederherzustellen. Auch Reinhold Maier (FPÖ) bezog sich auf den Sicherheitsbereich und prangerte einen "aufgeblähten Verwaltungsapparat" und "schwarzen Postenschacher" im Innenministerium an, dies "lähme" das gesamte Ressort. Er wandte sich auch gegen die dort angesiedelte Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe gegen Polizist:innen (EBM), die sowohl "ideologisch motiviert" als auch angesichts der budgetären Lage "entbehrlich" sei.

Rosa Ecker und Antonio Della Rossa (beide FPÖ) sprachen Missstände in der Kinder- und Jugendhilfe an: Krisenplätze seien überbelegt und teilweise würde "gewaltbereite Jugendliche" gemeinsam mit Kindergartenkindern untergebracht, so Ecker. Pflegeeltern wären laut ihr eine "sehr gute Alternative", wenn diese besser unterstützt würden. Ecker kritisierte außerdem das Fehlen einer Krankenversicherung bei manchen fremduntergebrachten Kindern und, dass es bei Pflege- und Adoptivfamilien keine Möglichkeit für einen "Papamonat" gebe.

An die Prävention von Menschenrechtsverstößen als Aufgabe der Volksanwaltschaft erinnerte Julia Heiß (FPÖ) im Zusammenhang mit dem WHO-Pandemievertrag. Dieser stelle einen "geschickten Schachzug" dar, um Österreichs Souveränität "unter dem Deckmantel der globalen Gesundheit auszumanövrieren". Der WHO-Generaldirektor bestimme demnach ohne Haftung alleine über die im Falle einer Pandemie zu treffenden Maßnahmen, der Vertragstext liege noch "im Dunklen", so Heiß. Der Nationalrat müsse dessen Ratifizierung daher ablehnen, stimmte Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) zu. Bezüglich der eigenen Gesundheit selbst Entscheidungen treffen zu können sei ein Menschenrecht, dass es zu wahren gelte. Man solle nicht wieder - analog zur Corona-Pandemie - an einen Punkt gelangen, wo es heiße, man habe es "nicht besser gewusst", sagte sie.

Im Rahmen zweier tatsächlicher Berichtigungen warf Rudolf Silvan (SPÖ) ein, dass weder die WHO noch deren Generalsekretär innerstaatliche Maßnahmen anordnen könnten. (Schluss Nationalrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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