- 21.05.2025, 20:16:03
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Nationalrat: ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss könnte sich verzögern
ÖVP, SPÖ und NEOS hegen Zweifel an Rechtskonformität des Untersuchungsgegenstandes
Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ist ein parlamentarisches Minderheitsrecht. Ein Viertel der Abgeordneten reicht aus, um einen U-Ausschuss in die Wege zu leiten. Allerdings gibt es, was den Untersuchungsgegenstand betrifft, gewisse verfassungsrechtliche Vorgaben. Das könnte den von der FPÖ verlangten Untersuchungsausschuss zum "Fall Pilnacek" und zur Corona-Politik der Regierung verzögern. Nicht nur die ÖVP bezweifelt, dass das Verlangen den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Auch von Seiten der anderen Parteien wurden bei einer ersten Debatte im Nationalrat Bedenken geäußert. Man werde sich das bis zu den Beratungen im Geschäftsordnungsausschuss jedenfalls genau anschauen, kündigte Andreas Hanger (ÖVP) an.
Hanger betonte, dass Untersuchungsausschüsse ein wichtiges Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung darstellten. Es brauche aber eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes. Dass dieses Erfordernis im von der FPÖ eingebrachten Verlangen erfüllt ist, ist für ihn fraglich. Schließlich würden dort Verschwörungstheorien mit dem Fall Pilnacek vermischt. Eine endgültige Festlegung wollte Hanger allerdings nicht treffen: Die ÖVP werde den Untersuchungsgegenstand jetzt in aller Ruhe prüfen und sich mit den anderen Regierungsparteien abstimmen, sagte er.
Auch Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) und Kai Jan Krainer (SPÖ) vermissen "einen klaren roten Faden" im U-Ausschuss-Verlangen, wie Hoyos-Trauttmansdorff es formulierte. Für ihn sei auf den ersten Blick nicht ersichtlich, was Covid und die Versammlungsfreiheit mit Pilnacek zu tun hätten, hielt Krainer erläuternd dazu fest. Die NEOS werden Hoyos-Trauttmansdorff zufolge in jedem Fall "intensiv prüfen", "ob es ein ordentlicher und sauberer Untersuchungsgegenstand ist".
Wenn der Untersuchungsausschuss eingesetzt ist, werde die SPÖ aber konstruktiv mitarbeiten, kündigte Krainer an. Wiewohl er bezweifelt, dass die FPÖ an einer seriösen Debatte interessiert ist. Auch Hanger hegt diesbezüglich Bedenken. Er wolle keine Showpolitik, sondern Aufklärung, bekräftigte er. Als "interessanten parlamentarischen Zugang" wertete Hanger in diesem Zusammenhang, dass die FPÖ das U-Ausschuss-Verlangen zunächst an die Medien verteilt und erst einen Tag später dem Parlament zur Verfügung gestellt habe.
Grüne halten Fall Pilnacek für aufklärungsbedürftig
Sigrid Maurer (Grüne) äußerte sich vor allem zu jenem Teil des Untersuchungsgegenstandes skeptisch, der das Thema Corona betrifft. Die FPÖ wolle hier keine faktenbasierte Aufklärung betreiben, vielmehr gehe es ihr darum, die Demokratie sowie das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen und die Medien zu schwächen und "rechtsextreme Propagandafantasien zu verbreiten", glaubt sie.
Es gebe aber auch Dinge, die untersucht gehörten, unterstrich Maurer mit Verweis auf den Fall Pilnacek, wo sie viele offene Fragen sieht. So ist es für sie unverständlich, wie man in einer Situation, wo man eine prominente Person tot vorfindet, "so dilettantisch vorgehen kann". Ihrer Meinung nach ist sowohl das Vorgehen der Ermittler als auch die politische Verantwortung zu prüfen. Da müsse sich auch die ÖVP kritische Fragen stellen lassen. Spekulationen über die Todesursache Pilnaceks hält Maurer hingegen für "völlig fehl am Platz".
FPÖ: Untersuchungsausschuss ist "mehr als notwendig"
Davor hatte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch den von ihrer Partei verlangten "ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss" als "mehr als notwendig" bezeichnet. Die ÖVP habe ihre Macht in der letzten Regierungsperiode "massiv missbraucht", sagte sie. Vor allem auf die Corona-Politik schoss sich Belakowitsch dabei ein. Man habe die Bürger:innen "unterdrückt" und ihnen "die Freiheit genommen". Konkret wurden von ihr in diesem Zusammenhang etwa Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und die "Einkesselung" von Demonstrant:innen kritisiert. Die ÖVP habe Polizeibeamt:innen "für ihre Zwecke missbraucht" und hätte am liebsten "auch noch in die Wohnzimmer hineingeschaut", so Belakowitsch. In der Regierung sei man überdies nicht an echter Expertise interessiert gewesen, sondern hätte kritische Expert:innen vielmehr aus den Krisenstäben entfernt. Auch bei der Untersuchung des Fall Pilnacek geht es laut Belakowitsch darum, ob es politische Interventionen gegeben habe.
Zweifacher Ordnungsruf für FPÖ-Abgeordnete Pracher-Hilander
Gleich zwei Ordnungsrufe der vorsitzführenden Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures handelte sich FPÖ-Abgeordnete Katayun Pracher-Hilander ein. Zum einen ging es dabei um den Vorwurf, dass sich Österreich "unter dem Deckmantel einer Brandmauer gegen rechts" in eine "diktatorisch geführte Staatsform" gewandelt habe. Zum anderen beanstandete Bures die Bezeichnung von Abgeordneten als "bunte Politpapageien". Aber auch darüber hinaus teilte Pracher-Hilander kräftig aus, wobei sie unter anderem von jahrelangem "Psychoterror" der Regierung gegenüber der eigenen Bevölkerung, "Machtmissbrauch in seiner allerperfidesten Form" und einer "völlig abhängigen und versklavten Medienlandschaft" sprach. Der Regierung sei seit fünf Jahren jedes Mittel Recht, um gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen, ist die FPÖ-Abgeordnete überzeugt.
Befremden löste die Wortmeldung auch bei Kai Jan Krainer (SPÖ) aus. Er ortete eine Verhöhnung aller Menschen, die tatsächlich in einer Diktatur bzw. in einem Land lebten, wo es keine Meinungsfreiheit gebe.
Geschäftsordnungsausschuss am Zug
Mit dem von ihr eingebrachten Verlangen auf Einsetzung eines "ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss" will die FPÖ zum einen die Ermittlungen rund um den Tod des ehemaligen Spitzenbeamten im Justizministerium Christian Pilnacek durchleuchten. Zum anderen steht der behördliche Umgang mit Corona-Demonstrationen und "regierungs- und maßnahmenkritischen Bürgern" im Fokus. In beiden Fällen orten die Freiheitlichen unzulässige politische Einflussnahmen, wobei sie vor allem die ÖVP im Visier haben (Details dazu siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 431/2025).
Im Anschluss an die erste Debatte im Nationalrat wurde das Verlangen dem Geschäftsordnungsausschuss zur Vorberatung zugewiesen. Dieser hat nun insgesamt acht Wochen Zeit, um die formale Korrektheit des Untersuchungsgegenstandes zu prüfen. Sollte es dabei zu Differenzen kommen, kann die FPÖ den Verfassungsgerichtshof anrufen. Winkt der Ausschuss die Initiative durch, hat er gleichzeitig auch die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses zu bestimmen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu fassen sowie Verfahrensrichter:in und Verfahrensanwältin bzw. Verfahrensanwalt zu wählen.
Bisher hat es in der Zweiten Republik 29 U-Ausschüsse gegeben. Davon wurden acht nach der seit 2015 geltenden Verfahrensordnung und sieben auf Basis eines Minderheitenverlangens eingesetzt. (Schluss Nationalrat) gs
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