Kritik an "wirrem" Untersuchungsgegenstand, Grüne finden "Causa Pilnacek" aufklärungswürdig
Die Debatte zur Dringlichen Anfrage der FPÖ in der heutigen Sondersitzung des Nationalrats bot eine erste Gelegenheit für die Parteien, zum verlangten "ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss" Stellung zu nehmen. Der von der FPÖ verlangte U-Ausschuss soll laut FPÖ der "Klärung politischer Einflussnahme von ÖVP-Regierungsmitgliedern" dienen. ÖVP, SPÖ und NEOS kritisierten, dass es sich dabei um einen "wirren" Untersuchungsgegenstand handle. Die Grünen finden die im Verlangen enthaltene "Causa Pilnacek" aufklärungswürdig, übten jedoch Kritik am Rest des Untersuchungsgegenstandes.
Unter dem Titel "ÖVP-Machtmissbrauch: Staat oder Partei, was steht für Sie an erster Stelle, Herr Bundeskanzler?" hatten die Freiheitlichen Fragen an den Bundeskanzler gerichtet und im Zuge der Sitzung ihr Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingebracht.
FPÖ: Untersuchungsausschuss soll politisches Klima "entgiften"
Herbert Kickl (FPÖ) attestierte der ÖVP eine große Machtfülle über einen sehr langen Zeitraum in einem abgeschlossenen System, einem "Deep State". Die Versuchung sei hier groß, nicht sauber mit dieser Macht umzugehen. Dass die ÖVP nicht damit umgehen könne, von der Opposition kontrolliert zu werden, zeige für ihn, dass sie den demokratischen Mechanismus des Wechselspiels aus Macht und Kontrolle nicht verstanden habe. Kickl wollte sich den Vorwurf, die FPÖ wolle mit dem verlangten Untersuchungsausschuss das politische Klima vergiften, nicht gefallen lassen. Man wolle im Gegenteil "entgiften", sagte er.
Die ÖVP gebe der FPÖ so viel Grund zur Kritik, dass man gar nicht wisse, was man "aus diesem riesigen Fundus herausnehmen solle", meinte Susanne Fürst (FPÖ) und kritisierte insbesondere die Besetzung von Ex-Finanzminister Magnus Brunner als EU-Kommissar sowie den neuen Job für Ex-Kanzler Karl Nehammer bei der Europäischen Investitionsbank (EIB). Zudem thematisierte Fürst die Verleihung der gesetzlich vorgesehenen höchsten Auszeichnungen der Republik. Diese Orden würden sich ÖVP-Verantwortliche "gegenseitig umhängen", sagte Fürst.
Elisabeth Heiß (FPÖ) sprach von einem "Schatten", der über die österreichische Republik gefallen sei und übte insbesondere Kritik an einem "Chaos der Corona-Maßnahmen". Auch Gernot Darmann (FPÖ) zufolge müsse die Corona-Maßnahmenpolitik aufgeklärt werden. Es sei nicht zu verstehen, wie man dem schwarzen Netzwerk nun "die Mauer macht", sagte er in Richtung von SPÖ und NEOS.
ÖVP sieht "konstruierte Aufregung"
In einer Zeit mit großen Herausforderungen, in der sich die Weltordnung ändere und es Kriege gebe, setze die FPÖ auf einen "Wirr-Warr-Ausschuss aus vielen Themen", kritisierte Nico Marchetti (ÖVP). Die Bundesverfassung sehe vor, dass sich ein Untersuchungsausschuss mit einem abgeschlossenen Vorgang in der Bundesverwaltung befasst. Würde es der FPÖ tatsächlich um Aufklärung gehen, hätte sie sich auf ein einzelnes Thema geeinigt, so Marchetti. Zudem würden auch die von der FPÖ rund 800 eingebrachten parlamentarischen Anfragen, die laut FPÖ der Aufarbeitung der Corona-Zeit dienen sollten, eigentlich nur "konstruierte Aufregung" schaffen, meinte Marchetti. Denn die FPÖ schicke dabei "800 Mal dieselben Zettel" herum und beschäftige damit die gesamte Verwaltung - herauskommen werde aber nichts, so Marchetti.
Ernst Gödl (ÖVP) kritisierte die FPÖ dafür, zu "dämonisieren und zu skandalisieren". In einer herausfordernden Zeit gelte es, gemeinsam Ziele für Österreich zu verfolgen. Die FPÖ hingegen sei nicht bereit, an Lösungen mitzuwirken. Der Untersuchungsausschuss sei ein wichtiges Instrument, sagte Gödl. Herbert Kickl sei aber selbst trotz seiner Ladung in den vergangenen Ausschuss unentschuldigt ferngeblieben. Gödl zufolge gebe es in der FPÖ "Polizeihasser und Coronaleugner" und jene, die den Tod von Christian Pilnacek aufklären wollen. Im vorliegenden Verlangen nach einem Untersuchungsausschuss habe die Partei versucht, einen Spagat zwischen diesen Themen zu schaffen, der nicht erklärbar sei.
SPÖ: Verlangen ist wie "Kraut und Rüben"
Das schärfste Kontrollinstrument des Parlaments sei ein Untersuchungsausschuss, betonte Maximilian Köllner (SPÖ). Das von der FPÖ vorgelegte Verlangen sei jedoch wie "Kraut und Rüben", daher werde man noch zu prüfen haben, ob das Verlagen der FPÖ auf diesen Untersuchungsausschuss den Regeln der Verfassung und der Geschäftsordnung des Parlaments entspreche. Ein Untersuchungsausschuss sei kein Vehikel für einen politischen Rachefeldzug, sondern brauche eine nachvollziehbare Begründung, so Köllner. Komme es zur Einsetzung des Ausschusses, werde sich seine Fraktion konstruktiv an der Aufarbeitung von etwaigen Missständen beteiligen.
Muna Duzdar (SPÖ) betonte, dass die SPÖ jede Initiative unterstützen werde, die dazu geeignet ist, Machtmissbrauch und Korruption in Österreich aufzudecken, unabhängig davon, welche Partei davon betroffen sei. Die Sozialdemokrat:innen würden selbstverständlich wie bisher konstruktiv mitarbeiten, wenn ein Untersuchungsausschuss nach den parlamentarischen Regeln zustande kommt. Wenn aber ausgerechnet die FPÖ unter Herbert Kickl Transparenz einfordere, sei das nicht glaubwürdig. Duzdar erinnerte an Kickls Zeit als Innenminister, in der eine Razzia im damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung angeordnet worden sei. Das habe zu einer totalen Schwächung des Inlandsgeheimdienstes geführt.
NEOS: Roter Faden im U-Ausschuss-Verlangen "zumindest mangelhaft"
Selbstverständlich sei es das Recht jeder Partei einen Untersuchungsausschuss einzubringen, wesentlich sei ob es dabei einen "roten Faden" gebe, sagte Douglas Hoyos-Trauttmansdorf (NEOS). Im von der FPÖ eingebrachten Verlangen sei der rote Faden "zumindest mangelhaft" - vielmehr sei es ein "blauer Faden", der zeige, wie zerstritten die FPÖ sei. Denn es gebe drei Themen, die die Freiheitlichen zusammenbekommen wollen - die Corona-Thematik, das "Aufräumen im Innenministerium" und die Causa Pilnacek. Das dritte Thema habe sich nun durchgesetzt, konstatierte Hoyos-Trauttmansdorf aufgrund des eingebrachten Verlangens. Er plädierte weiters dafür, den Untersuchungsausschuss möglichst sachlich und ordentlich-sauber zu gestalten und darüber zu reden, den U-Ausschuss öffentlich zu machen, um den Bürger:innen zu zeigen, wie es "da drinnen wirklich abgeht".
Grüne: Causa Pilnacek "absolut aufklärungswürdig"
Auch Sigrid Maurer (Grüne) bezeichnete einen U-Ausschuss als wichtigstes Kontrollinstrument im Parlament. Die polizeilichen Ermittlungen nach dem Tod von Christian Pilnacek würden tatsächlich eine lange Latte an Fragen aufwerfen, so Maurer. Dieses Ermittlungschaos gehöre lückenlos aufgeklärt und ein U-Ausschuss könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Ihre Fraktion werde dabei gründliche und kritische Arbeit leisten, sagte Maurer. Die ÖVP müsse sich eine Frage sehr wohl gefallen lassen - warum immer wieder Polizist:innen ausgerechnet aus Niederösterreich durch fragwürdige Ermittlungsvorgänge auffallen würden. Es gebe im U-Ausschuss-Verlangen der FPÖ einen "Teil der absolut aufklärungswürdig" sei, der Rest sei jedoch "irgendein wirres Gefasel von Verschwörungstheorien" und man werde sehen, wieviel davon "beim Verfassungsgerichtshof überleben" werde, so Maurer.
Für Agnes Sirkka Prammer (Grüne) ist rund um den Tod von Christian Pilnacek keine ordentliche Polizeiarbeit geleistet worden. Deshalb müssten diese Vorgänge untersucht werden, ein Untersuchungsausschuss sei das Mittel dafür. Sie hoffe inständig, dass es die Möglichkeit dafür geben werde und die FPÖ es nicht "mit einem Kraut-und-Rüben-Schwurbelantrag verkackt" habe, sagte Prammer.
David Stögmüller (Grüne) ortete in Untersuchungsausschuss-Verlangen der FPÖ einen "Rundumschlag" gegen alle Parteien mit einem verschwörungstheoretischen Anstrich. Dabei handle es sich bei Machtmissbrauch seitens der ÖVP um ein reales Problem, mit dem man sich tiefer befassen müsse. Ralph Schallmeiner (Grüne) warf der FPÖ vor, in der Coronazeit nicht an den Interessen des Staates, sondern nur am eigenen Vorteil für die Partei interessiert gewesen zu sein. Er bezeichnete die Freiheitlichen als "die Partei von Fake News". (Fortsetzung Nationalrat) bea/kar
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
Rückfragen & Kontakt
Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA